Mal was Neues: „Hugo“ ist ein Kinderfilm von Martin Scorsese. Leider scheitert er an einem überfrachteten Storyboard und an schleht eingesetzter 3D-Technik.
Die Kinoindustrie wirbt zurzeit immer häufiger mit 3D-Produktionen. Besonders „Hugo“ wird als eine brillante Umsetzung dieser Technik vermarktet. Jedoch sollte man sich nicht zu sehr davon beeinflussen lassen. Dasselbe gilt für den Namen des Regisseurs, denn dieser produziert anscheinend nicht nur düstere Meisterwerke.
Martin Scorsese wird meistens mit düsteren Filmen in Verbindung gebracht, in denen innerlich gebrochene Charaktere nach einem Gleichgewicht im Leben suchen. Beklemmende Bilder eruptiver Gewalt sind dabei keine Seltenheit, werden jedoch besonders in seinen Mafia- und Gangsterfilmen, wie etwa in „Casino“ und „The Departed“, hervorgehoben. Umso mehr überrascht es, nun einen kindergerechten Familienfilm in der Filmografie des Regisseurs vorzufinden.
Protagonist ist der zwölfjährige Waisenjunge Hugo Cabret, der Anfang der 1930 Jahre auf einem der stark frequentierten Pariser Bahnhöfe lebt. Dort verbringt er seine Zeit mit der Wartung der Bahnhofsuhren, schlägt sich mit kleinen Diebstählen durch und muss stets vor dem achtsamen Bahnhofsvorsteher auf der Hut sein. Am liebsten beschäftigt er sich jedoch mit der Hinterlassenschaft seines Vaters, ein defekter Automaton, dessen Geheimnis er zu lüften versucht. Gemeinsam mit der gleichaltrigen Isabelle ergründet er das Rätsel um den humanoiden Roboter. Jules Verne lässt grüßen, und so ist es wenig verwunderlich, dass im ganzen Film Referenzen an die Pionierzeit der Technik und vor allem des Films zu finden sind.
Die Einsamkeit und Sehnsucht eines Kindes zu thematisieren, Nebenhandlungen, wie die Geschichte des Wachmannes, zu integrieren und dabei noch Berühmtheiten sowie die Anfänge der Filmprojektion zu ehren, ist ziemlich viel Stoff für einen zweistündigen Film. Während der Roman von Brian Selznick, auf dem der Film basiert, für eine derart breite Thematisierung über den ausreichenden Rahmen verfügt, verliert die Verfilmung an mehreren Stellen an Tempo und riskiert dabei zumal Kinder zu langweilen.
Clever ist jedoch die Idee, die Erzählung rund um die ersten Tricksereien der Filmkunst mithilfe der heutigen Bildtechnik, also im 3D-Verfahren, umzusetzen. Raffinierte Idee, jedoch weniger raffinierte Umsetzung. In „Hugo“ wird eine der ersten Filmvorführungen der Gebrüder Lumière gezeigt, in der ein Zug auf das Publikum zufährt. Im Jahr 1895 waren die Menschen noch nicht an bewegte Bilder gewohnt, weswegen einige Zuschauer erschrocken aufsprangen. So wird es im Film geschildert und so wurde es in der Zeit auch erzählt. Allerdings ordnet die Kinoforschung dieses Ereignis dem Mythos zu. Dennoch kann festgehalten werden, dass die an Standbilder gewohnten Besucher von der neuen Entwicklung, dem Bewegbild, fasziniert waren. Grandios wäre es gewesen, wenn nun mehr als 100 Jahre später in einem Film, dessen Handlungsort der Bahnhof ist, mit Hilfe der 3D-Technik beim Kinopublikum eine ähnlich faszinierende Reaktion durch den einfahrenden Zug hätte erzeugt werden können. Und wäre es nur ein kurzes Schockmoment oder ein intuitives Kopfeinziehen gewesen. Entweder existiert ein derart ergreifendes 3D-Verfahren noch nicht oder die Macher haben vergessen es einzusetzen. „Hugo“ wird jedenfalls damit umworben, dass Avatar-Regisseur James Cameron den Film als bis dato besten Einsatz von 3D gelobt haben soll. Zugegeben, mehrmals ist zu erkennen, dass bei den Dreharbeiten auf die maximale Tiefenschärfe geachtet wurde, was vor allem in ruhigen Szenen für beeindruckende Bilder sorgt. Am Verfahren selbst muss jedoch noch gefeilt werden, um als grandios zu gelten.
Inhaltlich gesehen gibt „Hugo“ für manche sicherlich Anlass sich mit der Filmgeschichte, allen voran mit dem einfallsreichen Méliès, näher zu befassen. Den Film jedoch als eine gelungene Hommage an die damaligen Filmpioniere zu erklären, wäre übertrieben. Vom Meister Scorsese darf man mehr erwarten.
Im Utopolis, Scala, Sura, Ariston, CinéBelval, Kursaal, Orion und Prabbeli.