Nüchtern, aber dennoch poetisch erzählt der finnische Regisseur Aki Kaurismäki in seinem Film von zwei einsamen Seelen.
Liest man Zusammenfassungen von Aki Kaurismäkis neuem Streifen, könnte man meinen, es handele sich um eine Romanze. Dabei ist „Fallen Leaves“ weit von diesem Genre entfernt. Es stimmt, dass sich darin ein Mann und eine Frau zueinander hingezogen fühlen, und es stimmt auch, dass sie die eine oder andere Verabredung miteinander haben. Dreh- und Angelpunkt des Films ist dies jedoch nicht.
Sie, Ansa (Alma Pöysti), arbeitet in einem Supermarkt. Nachdem sie beim Stehlen eines abgelaufenen Sandwichs erwischt worden ist, verliert sie ihre Arbeit. Beim nächsten Job hat sie leider auch nicht mehr Glück: Ihr Arbeitgeber wird beim Drogenhandel erwischt, das Restaurant, in dem Ansa Teller abwäscht, geschlossen. Er, Holappa (Jussi Vatanen), arbeitet auf dem Bau. Egal, ob Freizeit oder nicht: Der Flachmann ist stets in Griffnähe. Und so kommt es, dass auch er einen Job nach dem anderen verliert.
Ansa und Holappa leben an der Armutsgrenze. Als sie ihn zum Abendessen einlädt, muss sie sich einen zweiten Teller kaufen. Auch Holappa hat es nicht leicht. „Ich bin deprimiert, weil ich trinke, und ich trinke, weil ich deprimiert bin”, vertraut er einmal seinem einzigen Freund, Huotari (Janne Hyytiäinen), an. Es ist ihre ähnliche Lebenssituation, ihre Liebe zum Film und ihr trockener Humor, die Ansa und Holappa zueinanderfinden lässt. Bezeichnend für „Fallen Leaves“ sind die minimalistischen Mittel, mit denen wir Einblick in ihre Lebensrealität erhalten. Zu bestimmen, in welchem Jahrzehnt „Fallen Leaves“ spielt, wäre unmöglich, würden die Figuren nicht unablässig Nachrichten über den russischen Angriffskrieg in der Ukraine hören.
In „Fallen Leaves“, dem letzten Teil der „proletarischen Reihe“, die der finnische Regisseur 1986 mit „Shadows in Paradise“ begonnen hat, spielt die Handlung nur eine untergeordnete Rolle. Im Vordergrund steht die sowohl melancholische wie auch entspannte Atmosphäre. Die Protagonist*innen des Films sind alles andere als glücklich und doch vermittelt Kaurismäki ihren Alltag mit einer Sanftheit, wie man sie heutzutage im Kino quasi nie zu sehen bekommt. Statt Romcoms kommen beim Sehen Werke von Filmemachern wie Jim Jarmusch, Ozu Yasujirō oder Luchino Visconti in den Sinn. Auch ästhetisch hat „Fallen Leaves“ einiges zu bieten, mit farblich sorgfältig aufeinander abgestimmten Bildkompositionen.
Nie hat Kaurismäki Mitleid mit seinen Figuren, nie macht er sich über sie lustig. Auch eine übermäßige Dramatisierung liegt dem Filmemacher fern. Es ist dieser nüchterne, zum Teil poetische Blick, der „Fallen Leaves“ zu etwas ganz Besonderem macht.