Juncker spielt den Rücktrittsjoker

Er habe eine hohe Meinung von François Bausch und Claude Meisch gehabt, so Jean-Claude Juncker anlässlich der Debatte zur „Affäre Wickringen/Liwingen“ am vergangenen Mittwoch. Die Betonung lag auf „gehabt“. Spätestens seit der gemeinsamen Pressekonferenz der Gerügten in der vergangenen Woche ist es mit Liebesbekundungen seitens des Premiers vorbei. Weil dort Worte wie Korruption und Erpressung gefallen sind, schmollt der Premier und mit ihm die (Ex-)Minister Halsdorf und Krecké. Die Forderung nach einer „commission d’enquête“, wie sie Bausch und Meisch am Mittwoch im Parlament erhoben, wollte Juncker nicht kommentieren, erklärte aber seine Entschlossenheit, als Premier zurückzutreten, sollte das Parlament zu der Auffassung gelangen, dass Minister seiner Regierung sich der Korruption oder der Erpressung schuldig gemacht haben. Im Klartext hieß das: Gibt es für den Untersuchungsausschuss eine Mehrheit, trete ich zurück. Denn eine Untersuchung zu fordern, heißt, meine Integrität in Zweifel zu ziehen. Dass dies nichts anderes als Erpressung ist, wurde spätestens bei der Intervention des CSV-Fraktionschefs Marc Spautz deutlich. Ihm fiel die Aufgabe zu, den Spieß umzudrehen und die beiden Antragsteller des Foul-Spiels zu bezichtigen: Sie hätten die Verdachtsmomente und die Beweise – sofern vorhanden – der Justiz übermitteln müssen, statt mit ihnen vor dem Parlament eine Politshow abzuziehen. Dass die Vorfälle neben dem strafrechtlichen Aspekt (die Staatsanwaltschaft hat ja inzwischen von sich aus Ermittlungen aufgenommen) auch einen politischen aufweisen, überging Spautz geflissentlich. François Bauschs Versuch, die politische Affäre von der juristischen zu trennen, ging wohl auch deshalb schief, weil sein Nachredner Claude Meisch diese Trennung rhetorisch wieder aufhob und es so den Mehrheitspolitikern leicht machte, sich vor allem an den – schwer beweisbaren – strafrechtlichen Tatbeständen abzuarbeiten. Nur Juncker hatte verstanden, dass seine wenig kohärenten Aussagen zu seinen Begegnungen mit Rollinger und Becca und sein vorgebliches Nichtwissen um den Sparkassenkredit zu berechtigten Fragen Anlass gegeben hatten. Zwischen zwei Schmollanfällen korrigierte er ganz sachbetont frühere Aussagen und gestand ein, wahrscheinlich vergessen zu haben, dass bei einem Treffen mit Rollinger auch von einem Kredit die Rede gewesen war. Aber dass er sich mit beiden Unternehmern getroffen habe, stehe nicht in Widerspruch zu seiner früheren Behauptung, in dieser Angelegenheit nur mit Rollinger verhandelt zu haben. Das Treffen mit Becca habe wesentlich später aus einem bekannten „radtechnischen“ Anlass stattgefunden. Bei dieser bislang einzigen Begegnung mit Becca erkundigte sich Juncker dann eben auch nach dem Fortgang der Zusammenarbeit mit Rollinger. Die Frage, inwieweit einzelne Regierungsmitglieder sich eventuell etwas zu sehr um die privaten Interessen der beiden Unternehmer „gekümmert“ haben, wird mangels Untersuchungsausschuss zwar wohl nie eindeutig geklärt werden, zeitigt aber dennoch einige Konsequenzen: Halsdorf ruft nie mehr für Dritte bei einer Bank an, und Juncker empfängt Investoren nur noch, wenn sie damit einverstanden sind, dass ein Schriftprotokoll geführt und unterzeichnet wird. Folglich wird sich niemand mehr melden, und eine ganze Investorenschar wird desinteressiert an Luxemburg vorüberziehen … auch daran ist also letztendlich die Opposition schuld.


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