KÜNSTLERSTATUS: Struggle for life

Der Künstlerstatus als Notanker zur sozialen Absicherung reicht nicht wirklich zum Leben. Überhaupt ist es nicht einfach, als bildender Künstler über die Runden zu kommen.

Wenn nichts mehr geht, bleibt ja noch das Porträtmalen von Touristen.

Das Leben als Künstlerin ist hart. Aïda Schweitzer hat keinen „Statut de l’artiste professionnel indépendant“. Ihr Einkommen reicht für ihre kleine Wohnung, ihr Atelier und die täglich anfallenden Ausgaben – für die monatlichen Beträge zur Pensionskasse bleibt nichts mehr übrig. „Der Lebensunterhalt ist sehr teuer. Zwar ist eine halbe Arbeitsstelle ideal, da sie Zeit für kreatives Arbeiten lässt, aber das Gehalt reicht oft nicht mehr, um sämtliche Sozialkosten zu decken“, so Schweitzer. Wenn ein Künstler ein Kunstprojekt plane – ohne Garantie, dass es auch entlohnt wird – müssten viele Dinge vorfinanziert werden: Konzeptdarlegung, Künstlerdossier, Material usw. „Alles das kostet Geld. Wenn man es nicht selbst finanzieren kann, beantragt man einen Zuschuss, aber der wird nicht immer bewilligt. Gerade jene Künstler, die Installationen, Videos oder Performance machen, verdienen wenig mit ihrer Kunst“, so Schweitzer.

Seit zwölf Jahren gibt es mittlerweile das Künstlerstatut. Um dessen Vor- und Nachteile ging es am letzten Freitag auf einem „Stamminee“ im Casino. Gerade die an der kollektiven Ausstellung „Making of“ teilnehmenden jungen KünstlerInnen nutzten die Gelegenheit, um mit anderen Akteuren der Luxemburger Kunstszene und Vertretern des Ministeriums zu diskutieren.

In der Tat reicht die Unterstützung, zu dem das Künstlerstatut berechtigt und die aus Mitteln des Fonds social culturel bezahlt wird, kaum aus, um damit allein mit ihr in einer Krisensituation über die Runden zu kommen.

So gewährt das Ministerium bei bewilligtem Künstlerstatut einen Betrag von maximal 1.107, 91 Euro, wenn eine Person weniger als den Mindestlohn verdient. „Wenn jemand im Jahr mehr als zwölfmal den Mindestlohn verdient – was etwa 25.000 Euro entspricht – kann das Künstlerstatut nicht bewilligt werden. Wir gehen dann davon aus, dass der Künstler seine Tätigkeit auch durch Nebeneinkommen finanzieren kann“, so Anne Hoffmann, Juristin des Kulturministeriums. Das Künstlerstatut sei insofern ein Erfolg, als sich mittlerweile mehr Künstler sozial absichern als vor seiner Einführung.

Wichtig sei vor allem, den Antrag rechtzeitig zu stellen. Denn dann könnten die Zahlungen binnen zwei Wochen erfolgen. „Wir haben Künstler, die das Statut nicht beantragen, plötzlich krank werden oder über längere Zeit kein Einkommen bezogen haben – dann kann es drei, vier Monate dauern, bevor die Hilfe fließt“ erklärt Claudine Hemmer, Chargée de Mission im Kulturministerium. Zwar versuche das Ministerium verstärkt zu informieren, etwa durch die Publikation „Créer – Servir l’art“, die Internetseite oder persönliche Kontakte – dennoch aber habe die zur Prüfung der Anträge eingesetzte Kommission, 2011 lediglich 23 Personen den Künstlerstatus bewilligt. Den Status des „Intermittent du spectacle“, der für Akteure der Film- Theater- und Tanzbranche vorgesehen ist, haben demgegenüber 99 Personen in Anspruch genommen. Wie erklärt es sich, dass so wenige bildende Künstler die Beihilfen beantragen?

„Bei den Produktionsfirmen der Film- und Theaterbranche ist es fast eine Einstellungsvorraussetzung, dass die betreffenden Personen bei der Krankenkasse gemeldet sind und den Status des Intermittent du spectacle haben“, erläutert Hemmer. Dieser Personenkreis sehe die Geldleistungen auch eher als Recht und Entschädigung an für den Ausfall ihrer oft befristeten Anstellung, etwa wenn ein Filmdreh beendet ist. Für die bildenden Künstler dagegen sei das Künstlerstatut oft eher eine Art Sozialhilfe, mit deren Beantragung sie sich selbst oder anderen eingestehen, dass es gerade nicht gut läuft.

Kaum Lobbying in eigener Sache

Abschreckend für viele Künstler seien auch die an die Vergabe geknüpften Bedingungen: Residenzklausel, nachgewiesene künstlerische Aktivität – Ausstellungen – und Mitgliedschaft in der Krankenkasse. Die Residenzklausel sei allerdings weit gefasst: Ein Künstler müsse in seinem Leben mindestens zwei Jahre in Luxemburg gewohnt haben, beruhigt Hoffmann. Auch die Bedingung betreffs der künstlerischen Aktivität sei flexibel gehalten: „Es ist nicht so, dass jemanden der ein schlechtes Jahr hatte, das Künstlerstatus verweigert wird“, so Hemmer. Deshalb werde auch das Dossier in seiner Gesamtheit begutachtet. Gemäß der dritten Klausel muß eine Person als „travailleur intellectuel indépendant“ bei der Krankenkasse gemeldet sein und Beiträge bezahlen. „Diese Frist beträgt drei Jahre bei Autodidakten und ein Jahr bei einem Künstler, der Kunst studiert hat“, so die Vertreter des Ministeriums. Ein diplomierter Künstler kommt somit schneller in den Genuss der Hilfen als ein Autodidakt. Diese Regelung wird von Künstlern als ungerecht kritisiert – etwa von Trixi Weis, die selbst über das Künstlerstatut verfügt. Sie beurteilt auch die Pflicht, alle zwei Jahre erneut einen Antrag stellen zu müssen, als übertrieben. „Wenn jemand Künstler ist, dann bleibt er das auch – warum muss das alle zwei Jahre bewiesen werden?“, ärgert sie sich über diese Gängelei. Seit dem Herbst haben sich Weis, der Fotograf Bruno Baltzer und die Künstlerin Catherine Lorent zusammengetan, um über die Gründung einer Art Künstlergewerkschaft zu beraten.

Ihre Feststellung ist einfach: Nicht nur haben die Künstler bisher in Sachen Sozialabsicherung ihr Mitspracherecht kaum geltend gemacht, sondern auch andere Aspekte, wie die Autorenrechte, die Harmonisierung der MWST-Rate, der Mangel an Ateliers usw., werden kaum diskutiert.
„Wir dachten eher daran, eine Vereinigung zu gründen – eine Gewerkschaft, das wäre ein Fulltime-Job, das will niemand von uns machen“, so Weis. Auch sei es allgemein sehr schwierig, Künstler zu einem Engagement in
eigener Sache zu bewegen. Während es in der Theaterwelt immerhin die Theaterföderation als Ansprechpartnerin gibt, muss das Kulturministerium bei Problemen mit jedem Künstler einzeln diskutieren. „Viele Betroffene tragen ihre Beschwerden nicht schriftlich vor. Dann haben wir keine Argumente gegenüber der Regierung. Anrufe reichen nicht aus“, so Hemmer.

„Das eigentlich Problematische bei diesem struggle for life – wann sollen die Künstler noch kreativ sein, wenn sie 80 Prozent ihrer Zeit dem Geld hinterherlaufen müssen?“ fragt Jo Kox, Verwaltungsdirektor des Casino. Es gebe kaum Ateliers, und die vorhandenen seien zu teuer. „Wir bräuchten einen Mäzen, wie Paul Würth, der seine Fabrikhallen den Künstlern als Ateliers zur Verfügung stellt“, so Kox.

Neben den bestehenden Ateliers der Schleifmillen werden zurzeit vier bis sechs Ateliers im Burglinster-Schloss vom Kulturministerium instandgesetzt. In der Gemeinde Differdingen sollen zukünftig rund 20 Ateliers entstehen. Auch andere Gemeinden, wie Bech oder Niederanven, haben Ateliers, die jedoch oft nur projektbezogen sind. Gelegentlich nutzen Künstler Atelierflächen gemeinsam, etwa bei „sixthfloor“ in Koerich oder den „Artrooms“ in Luxemburg-Stadt. „Beim Kulturministerium wird bisher eher über neue Ateliers statt günstigen Wohnraum für Künstler nachgedacht“, gesteht Hemmer. Im Ausland gehen die Künstler noch einen Schritt weiter, indem sie sich nicht nur die Ateliers teilen, sondern auch eigene, selbstverwaltete Kunstgalerien unterhalten. „Dadurch entsteht eine größere Solidarität“, glaubt Kox. In Luxemburg würden sich infolge der Unterschiede bei den schulischen Laufbahnen viele gar nicht kennen.

Zukunft im Ausland?

„Nachdem die Künstler einmal im Mudam oder Casino ausgestellt haben, welche weiteren Möglichkeiten gibt es dann noch? Sie müssen ins Ausland, wenn sie von ihrer Kunst leben wollen. I’m sorry. In Luxemburg gibt es nur Raum für einen, zwei Künstler in einer Sparte“, urteilt der Museumsvorsitzende. Ob die Künstler im Casino für ihre Arbeit korrekt bezahlt werden, will er nicht entscheiden. „Im Casino verdient ein Künstler prinzipiell nichts, wenn wir ihn ausstellen, so ist die Gepflogenheit in der Museumswelt. Wenn jemand ein Projekt für eine Ausstellung entwickelt, dann bekommt er ein Honorar, und wir bezahlen die Publikationskosten und die Transportversicherung“, erklärt Kox. Seit drei Jahren versuche das Casino zudem, den rund 60 Künstlern eine Tribüne zu geben, indem Kuratoren aus dem Ausland eingeladen werden. Problematisch sei auch, dass es in Luxemburg kaum private Kuratoren gibt, die Aufträge im Ausland einholen und ihre Künstler vermitteln könnten.

„Solange einer für das Publikum nicht als sichere Wertanlage auf dem internationalen Markt dargestellt wird, haben auch Galerien Probleme, seine Kunst zu verkaufen“, beschreibt Aïda Schweitzer das Dilemma. In größeren Städten entwickeln die Künstler zudem mehr Flexibilität und größere Ausdrucksfreiheit. Man braucht in einem kleinen Land, wo jeder jeden kennt, Mut, wenn man mit unkonventionellen Ideen an die Öffentlichkeit gehen will. Denn: „Si par malheur, tu es ?court circuiter‘ par un critique d’art ça peut te fermer des portes aux niveaux des galeries, des institutions?“, so Schweitzer.


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