MALEREI: Am Anfang des Regenbogens

Kann man als Mitteleuropäer nachempfinden, wie sich ein Afroamerikaner fühlen muss, der zwangsläufig auf eine Familiengeschichte zurückblickt, die irgendwann mit der Sklaverei begonnen hat und der sich auch heute noch rassistischen Vorurteilen ausgesetzt sieht? Vielleicht als Angehöriger einer verfolgten Religion, ansonsten kann man es sich zumindest einbilden. Aber schon damit, dass ein Afroamerikaner sich bei dem Gedanken an die eigene Familiengeschichte dabei auf eine bestimmte Art „fühlen muss“, zeigt die eigene Borniertheit. Vielleicht hat man bei Gelegenheit mit einem „Betroffenen“ darüber zu sprechen, aber kann man dessen Gefühle und vor allem dessen Selbstverständnis wirklich nachvollziehen? In einer beeindruckenden und nach allen Regeln der Kunst unangenehmen Performance hat Noel Anderson vielleicht einen Einblick in diese Gedankenwelt gegeben. Brother „Br`er“ Rabbit ist ein „Trickster“, ein Schwindler, der dank seiner Gewitztheit auch aus ausweglosen Situationen für sich das Beste heraus holt. Als Br’er Ra schaufelt Anderson Unmengen Mayonnaise in sich hinein, die er immer wieder ätzend hustend auf schwarze Teller erbricht und anschließend daraus mit einem Zahnstocher Worte herauskratzt. In einem anderen Film namens „Wolfen“ wird ein Indianer als Apfel bezeichnet: außen rot, aber innen schon weiß. Anderson versucht diesen Schritt in seiner Performance auch zu gehen und zeigt was dabei herauskommt.

Seine Hoffnung scheint Anderson freilich noch nicht verloren zu haben. Vielmehr pocht er darauf und stützt sich dabei auch auf die wunderbare Gedankenwelt eines Kindes. Woraus besteht der Regenbogen? Der Gedanke an das Fass voll Gold an seinem Ende kann nur dem Hirn eines Erwachsenen entsprungen sein, um einen Mythos wiederherzustellen, der dereinst von Newton zerstört worden ist. Der rationalen Idee des Wassertropfens als Prisma setzt Anderson seine Arbeiten entgegen. In der aktuellen Ausstellung in der Galerie Zidoun mit dem Titel „Finding the Rainbow`s Threads“ versucht er teilweise das Mysterium des Regenbogens wieder zu beleben. Dazu hat er Teppiche nach Motiven aus Malbüchern weben lassen und diese in wilden Zügen mit den Farben des Regenbogens übermalt. Trotzdem wirkt dies alles eher destruktiv und so, als würde die Vorstellungswelt eines Kindes gewaltsam übertüncht. Vielleicht gerade deshalb, weil auch diese Malbücher aus der Hand von Erwachsenen stammen und damit der Fantasie kaum Raum lassen.

Anders verhält es sich mit dem Teppich „Inside the Prismid“. Fat Albert ist die Hauptfigur einer Zeichentrickserie aus den 1970er Jahren, die von Bill Cosby ins Leben gerufen worden ist und Geschichten aus dem Leben von Heranwachsenden erzählen will. Die Prognose liegt nahe, dass auch hier, wie in der Cosby-Show, Rassismus nur ein Randphänomen ist. Allein wegen des Namens wäre eine solche Serie heute kaum denkbar.

Mit einem Motiv der Titelseite eines Malbuchs zu dieser Serie hat Anderson aus mehreren Stücken einen Teppich neu zusammengesetzt und damit so etwas wie ein neues Monster Frankenstein vernäht. Was bei dieser Ausstellung darüber hinaus zu sehen ist, scheint in gewisser Weise Andersons Weg hin zu seinen Teppichen zu beleuchten. Werbeseiten aus alten Hochglanzmagazinen, die er seinem Stil entsprechend bearbeitet hat: mit Kritzeleien Details hervorhebend. Eher in Richtung seiner Performances geht Anderson mit seiner Arbeit „Easy Rider“, in der er mit Erdnussbutter, Pferdemist und einem Löffel ein Drogenszenario darstellt. Wie fundiert Andersons Arbeiten sind, wie sehr er sich auch mit Schriftstellern und Künstlern anderer Epochen oder philosophischen Themen auseinandersetzt, kann die Ausstellung kaum deutlich machen. Auch seine Vielseitigkeit muss notgedrungen außen vor bleiben. Trotzdem oder gerade deshalb lohnt es sich, seine Arbeiten zu sehen.

In der Galerie Zidoun, bis zum 3. November.


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