AGROKRAFTSTOFFE: Alternativen zur Zapfsäule

Agrokraftstoffe sind kein Heilmittel gegen den Klimawandel. Um den Energieverbrauch im Verkehrssektor zu senken, ist ein grundlegender Wandel in der EU-Transportpolitik gefordert. Vorschläge hierzu enthält eine Studie, die diese Woche vorgestellt wurde.

Die Agrokraftstoffe haben nur den Effekt, der Autoindustrie die ungestörte Fortsetzung der Produktion von Spritfressern zu ermöglichen.

Die Benzinpreise steigen, aber nicht nur deswegen, sondern auch aus Gründen der Ökologie, ist es notwendig, sich aus der Abhängigkeit vom Rohöl zu befreien. Einen Schritt auf dem Weg dahin sehen die Verantwortlichen in Europa in der Beimischung von Agrokraftstoffen. Öko ist das jedoch nicht, worauf schon letztes Jahr eine Reihe von Luxemburger Umweltverbänden und Entwicklungsorganisationen aufmerksam gemacht hatten.

In der gemeinsamen Plattform „Cerealkiller.lu“ machten sie gegen die EU-Direktive zur Förderung der Erneuerbaren Energien von 2009 mobil. Diese sieht nämlich vor, dass die EU-Mitgliedsstaaten im Jahre 2020 zehn Prozent ihres Energieverbrauchs im Verkehrssektor aus erneuerbaren Quellen decken. Erreicht werden soll dies fast ausschließlich durch die Beimischung von Agrokraftstoffen zu Diesel und Benzin. Diese Kraftstoffe sollen aus Nahrungsmittelpflanzen – Ölpalmen, Mais, Sojabohnen, Zuckerrohr, Weizen, Raps und anderen – gewonnen werden, wofür rechnerisch eine Anbaufläche von etwa der 27-fachen Größe Luxemburgs benötigt wird.

Dass das schlimme Folgen für den Menschen und seine Umwelt hat, wurde bereits in einer Studie mit dem Titel „Les changements indirects d’affectation des terres attendus associé à l’utilisation massive d’agrocarburants“ des „Institute for European Environmental Policies“ (IEEP) vom November 2010 dargelegt: Die Zuhilfenahme von Agrokraftstoffen, wie er von den Mitgliedstaaten der EU vorgesehen ist, werde dazu führen, dass die EU rund 56 Millionen Tonnen zusätzlichen CO2-Ausstoß erzeugt.

Agrokraftstoffe als Greenwashing

Auch der „Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland“ hatte das mit Biokraftstoff versetzte Benzin als Mogelpackung der Politik und Greenwashing bezeichnet: Letztlich hätten die Agrokraftstoffe nur den Effekt, der Autoindustrie die ungestörte Fortsetzung der Produktion von Spritfressern zu ermöglichen. Die Herstellung von traditionellem Bioethanol sei sehr energieaufwendig. Auch werde die Entwicklung von Monokulturen durch sie gefördert: Raps beispielsweise breite sich unaufhaltsam aus und verdränge andere Kulturpflanzen. Die natürliche Fruchtfolge werde vielerorts außer Kraft gesetzt. Agrar-Experten warnen vor den Folgen dieser expansiven Nutzung, in der zudem intensiv gedüngt und gespritzt wird. Kritisiert wird von Entwicklungsorganisationen auch die Tatsache, dass die EU ihr Zehn-Prozent-Ziel nur mit Hilfe von Importen von Biokraftstoffen erreichen kann. Um den Bedarf der westlichen Welt zu decken, würden brasilianische und indonesische Bauern dazu gebracht, tausende Hektar Regenwald zu roden. Menschen würden zugunsten der Biokraftstoff-Produktion aus ihren angestammten Lebensräumen vertrieben.

Mit einer Verspätung von zwei Jahren legte die EU-Kommission im Oktober 2012 einen weiteren Gesetzesentwurf vor, der die Verwendung von Agrokraftstoffen begrenzen soll. Umweltverbände und Entwicklungsorganisationen lehnen diesen Vorschlag jedoch als völlig unzureichend ab. Schon seit Jahren fordern die Verbände die Einführung sogenannter „Indirect Land Use Change“ (ILUC)-Indikatoren, die die Auswirkungen der durch die Produktion von Agrokraftstoffen verursachten Landnutzungsänderungen berücksichtigen. Statt der von der EU-Kommission vorgeschlagenen Begrenzung der Beimischungsmenge von 10 auf maximal 5 Prozent fordern die NGOs die Konzipierung einer Ausstiegsstrategie, um weitere ökologische und soziale Schäden zu verhindern.

Da der Vorschlag der Kommission im Februar von den EU-Energieministern erneut diskutiert werden wird, machten die Organisationen der Agrokraftstoff-Plattform „Cerealkiller.lu“ letzte Woche in einer Pressekonferenz erneut auf die Problematik aufmerksam. „Agrokraftstoffe verschleiern nur den Blick auf die wirklich klimarelevanten Maßnahmen im Transportbereich“, heißt es seitens „Cerealkiller.lu“.

„Wir müssen im europäischen Transportsektor – der viel zu den Treibhausgasemissionen beigetragen hat – eine Kursänderung vornehmen“, fordert Paul Polfer vom Mouvement Ecologique. „Es müssen Alternativen zu den sogenannten Agrokraftstoffen gefunden werden, von denen bekannt ist, dass sie mehr Probleme erzeugen als sie lösen – sei es im Klimabereich, dem Menschenrechtsbereich, bei der Sicherung der Lebensmittel oder der Biodiversität.“ Um ihren Forderungen noch weiteren Rückhalt zu geben, stellte „Cerealkiller.lu“ Ende letzter Woche eine Studie des niederländischen Forschungsinstituts CE Delft mit dem Titel „Sustainable alternatives for land-based biofuels in the European Union“ vor.

„Das EU Ziel besteht darin, bis 2050 sechzig Prozent der Treibhausgase im Transportbereich zu reduzieren. „Was kann man tun, um das zu erreichen?“, fragt Bettina Kampman, Autorin und Forscherin am CE Delft, die die Studie präsentierte.

Wandel der Transportpolitik

Grundsätzlich empfiehlt diese einen grundlegenden Wandel in der EU-Transportpolitik: Statt der Agrokraftstoffe soll die Energieeffizienz im Fahrzeugbereich den Vorrang haben; die Elektromobilität und die nachhaltige Produktion von Agrokraftstoffen aus Abfällen und Rückständen seien weiter auszubauen. Das würde nicht nur zu substantiellen CO2-Einsparungen bis 2020 führen, sondern auch die Entwicklung innovativer Industrien und neuer Arbeitsplätze fördern, betont Kampman.

Um den Transportsektor klimafreundlicher zu gestalten, empfiehlt die Studie außerdem, neue zukunftsfähige Mobilitätskonzepte auf der Basis eines verstärkten öffentlichen Personennahverkehrs zu erarbeiten. Der Verkehr sollte in stärkerem Maße von der Straße auf die Schiene verlagert werden. Gleichzeitig fordert sie, den Treibstoffverbrauch der Fahrzeuge zu drosseln, leichtere Autos zu bauen und strengere Bestimmungen für den Flottenverbrauch zu erlassen, um die Hersteller zur Entwicklung klimafreundlicherer Autos zu zwingen.

Ebenso müssten die Emissionen durch indirekte Landnutzungsänderungen bei der Berechnung der CO2-Bilanzen von Agrokraftstoffen berücksichtigt und eine bindende Obergrenze für deren Verwendung festgesetzt werden. Spätestens bis zum Jahre 2020 müsse die Produktion von Agrokraftstoffen beendet werden.

Bei der schon erwähnten Produktion von nachhaltigen Agrokraftstoffen hat die Studie besonders das aus landwirtschaftlichen Abfällen gewonnene Biomethan und den aus Fetten hergestellten Biodiesel im Blick. Daneben fordert sie, das bei der Herstellung von Kraftstoffen aus fossilen Quellen übliche und hochgradig Emissions-intensive Abfackeln und Entgasen einzuschränken.

Um den Vorschlägen der Studie Nachdruck zu verleihen und damit sie nicht nur graue Theorie bleibt – hatten die Vertreter der Plattform Cerealkiller bereits in den vergangenen Tagen Wirtschaftsminister Etienne Schneider und Nachhaltigkeitsminister Marco Schank zu einem Meinungsaustausch aufgesucht. Schneider bekräftigte dabei, dass er auch weiterhin für das 20-Prozent-Ziel im Bereich der erneuerbaren Energien eintrete und dass er die Anliegen der ONG bezüglich der Agrokraftstoffe auch auf EU-Ebene vortragen werde.

Daneben haben die NGOs im Oktober 2012 eine Petition eingebracht, in der eine Reform der EU-Gesetzgebung zu den Agrokraftstoffen gefordert wird.

Soweit die Bemühungen der Verbände. Aber auch jedeR Einzelne kann einen Beitrag leisten – indem er sein Auto möglichst oft stehen lässt.

www.cerealkiller.lu


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