DEN ATELIER: „Wir sind Konsumenten“

Seit 1995 hat sich in der nationalen Musiklandschaft viel verändert. Endlich gibt’s die angesagten Bands auch quasi vor der Haustür zu sehen. Das Atelier hat entscheidend zum Umschwung beigetragen.

Sie befinden sich hier: Petz Bartz vor seinem Konzertsaal.

Im Vorhof des Ateliers weist eine Engländerin in schwarzen Bikerklamotten unseren Fotografen schroff zurecht: „You can pack up your camera man, the band’s not gonna be here for another four hours.“ Auch nach mehreren Versuchen, das Missverständnis aufzuklären, will sie nicht wirklich glauben, dass es uns nicht um Zakk Wylde geht, der an diesem Abend im Atelier auf der Bühne steht, sondern um Petz Bartz, sonst eher der Mann im Hintergrund.

Während sich vor der Tür die Fans des Ozzy-Osbourne-Gitarristen Wylde tummeln, posiert Bartz entspannt vor „seinem“ Konzertsaal. Zehn Jahre sind er und sein Geschäftspartner Laurent Loschetter bereits mit dabei – sie haben sich mittlerweile an die großen Namen gewöhnt. Letzte Woche war Moby für ein intimes Clubkonzert zu Besuch: „Er mag einfach den Saal“, sagt Bartz. Obwohl es am Anfang undenkbar schien, hat die ehemalige Disko nun ihren festen Platz auf der Liste der Konzertveranstalter. Um den zehnten Geburtstag gebührend zu feiern, geben sich Bands wie die Queens of the Stone Age oder Interpol zur Zeit dort die Klinke in die Hand.

Fürs Interview zieht sich Bartz in sein Büro im oberen Stockwerk der Halle zurück. An den dunkelblau gestrichenen Wänden hängen liebevoll gerahmte Konzert-Fotos. Dort bewahrt Bartz auch das goldene Buch auf, in dem sich die MusikerInnen verewigen. „Die meisten sind sehr umgänglich“, bemerkt er. Natürlich gibt es Ausnahmen, Sheryl Crow zum Beispiel, soll sich den Veranstaltern und dem Publikum gegenüber ziemlich frostig verhalten haben. Oder John Mayall, dem im wahrsten Sinne des Wortes nichts „gebroden“ war, und der vom zu blutigen Steak bis zum Sound eigentlich über alles murrte.

Mut zum Risiko

Für die wenigen schlechten Erinnerungen entschädigen die Erfolgserlebnisse. Der Atelier-Chef freut sich zur Zeit darüber, dass es ihm endlich gelungen ist, Mercury Rev nach Luxemburg zu bringen. „Wahrscheinlich werden sie nur vor 200 Leuten spielen“, räumt er ein, „aber das ist es wert.“

Für die Betreiber ist so ein Gig ein Verlustgeschäft – aber das macht ihnen wenig aus. Zum Ausgleich spielen deshalb Morcheeba zum wiederholten Male vor ausverkauftem Hause. Am Ende geht die Rechnung immer auf. „Wir sind sehr vorsichtig“, sagt Bartz. Von Anfang an hielten sie das Risiko niedrig, machten keine Schulden und – vor allem – gaben ihre Brotjobs nicht voreilig auf. Bartz ist nach wie vor Journalist bei RTL, Laurent Loschetter besitzt eine eigene Computerfirma und Ferd Feidt, der dritte im Bunde, ist Architekt. Wären sie hauptberuflich Konzertpromoter, würde die Qualität darunter leiden, behauptet Bartz. Sie müssen nicht jedes Angebot annehmen und können sich auch den Luxus leisten, Konzerte nur im kleinen Kreis zu organisieren. Die Fans von Ben Folds Five oder Ani DiFranco werden es ihnen danken: Bei diesen Konzerten war das Publikum spärlich, aber die Atmosphäre umso persönlicher.

Bartz und Loschetter sind selbst in erster Linie Fans. Weniger von einer bestimmten Band, als von Live-Musik im Allgemeinen. Während seiner Studienzeit in Brüssel genoss Bartz das breitgefächerte Musikangebot in der belgischen Hauptstadt. Loschetter besuchte ihn häufig an den Wochenenden, um sich dort Konzerte anzusehen. Ihnen kam die Idee, dass auch in Luxemburg eine Nachfrage für solche Events bestehen könnte. Besonders da in der Grenzregion musikalisch größtenteils tote Hose herrscht. Nancy, Metz, Trier oder Liège sind nicht
gerade Konzerthochburgen. Bartz und Loschetter witterten hier potentielles Publikum.

Im Inland wurde das Experiment Atelier anfangs eher skeptisch beäugt. Am 23. Oktober 1995 spielten Bernie Marsden und Mickey Moody zur offiziellen Eröffnung, für den 1. November war dann Jimmy Sommerville angekündigt. Am Tag davor schrieb das Luxemburger Wort skeptisch: „Morgen soll im hauptstädtischen Atelier Jimmy Sommerville auftreten.“

Sommerville kam und viele andere folgten. Nach zwei, drei Jahren hatten Bartz und Loschetter ein vertrauensvolles Verhältnis zu AgentInnen aufgebaut. „Luxemburg hatte in den Kreisen einen schlechten Ruf“, erklärt Bartz. Die Affäre um nicht bezahlte Gagen brachte einen Veranstalter in den Achtzigern ins Gefängnis. Denkwürdig auch die Episode, als die Dire Straits wenige Stunden vor dem anberaumten Auftritt wieder abreisten, weil die notwendigen Bühnenvorrichtungen nicht vorhanden waren. „Wir mussten erst beweisen, dass sich die Künstler auf uns verlassen können“, sagt Bartz.

Rock und Elektro

Dass sich die Konzertlandschaft in Luxemburg durch die Eröffnung der Rockhal verändern könnte, davor hat er keine Angst. Konkurrenz belebe das Geschäft, behauptet er und verweist auf seine langjährige Erfahrung als Veranstalter. Die Rockhal dagegen müsse erst mal bei Null anfangen. „Mit den Agenten ist es wie mit einer Bank oder einer Versicherung: Man wechselt seinen Ansprechpartner nicht so schnell.“

Bartz blickt vertrauensvoll in die Zukunft. Das erste Rockhal-Konzert „made by Den Atelier“ ist schon fest im Kalender vermerkt. Am 10. Dezember sind Simply Red in Esch-Belval zu Gast. „Die Rockhal erspart es uns, eine Band an zwei Abenden auftreten zu lassen, um die Nachfrage der Fans zu befriedigen“, erklärt er. Zukünftig können die ganz großen Stars in das Centre des musiques amplifiées (CMA) ausgelagert werden.

Die BetreiberInnen des CMA blicken fast neidisch zu ihren Kollegen aus der Hollericher Straße hinüber. Das Atelier hat es geschafft, eine ganz eigene Identität zu entwickeln, abwechslungsreich und doch mit Wiedererkennungseffekt.

„Rock’n’Roll und Elektronik“, fasst Bartz die Mischung zusammen, die den Saal ausmacht. Demnach überrascht es nicht, wenn er als ewige Wunschkandidaten gerade die Chemical Brothers und Patti Smith nennt. „Die würde ich gerne nach Luxemburg bringen“, sagt er. Bisher hat es jedoch noch nicht geklappt.

Vielleicht funktioniert das Unternehmen Atelier deshalb so gut, weil Bartz und Loschetter selbst keinerlei musikalische Ambitionen hegen. „Laurent und ich sind eigentlich vollkommen unmusikalisch“, lacht Bartz und fügt hinzu: „Wir sind Konsumenten.“

Ins Kreuzfeuer der Kritik war das Atelier vor allem Ende des letzten Jahres geraten, als ausgerechnet „Superstar“ Daniel Küblböck seinen Besuch in Hollerich ankündigte. Einigen Fans schien es, als würde eines der letzten Refugien für anspruchsvolle Musik entweiht. Auf die Episode angesprochen, grinst Bartz verschmitzt. „Daniel Küblböck war eine Trotzreaktion“, sagt er. Nachdem auf einer Reihe interessanter Konzerte das Publikum weitgehend ausblieb, wollten die Betreiber zum Gegenschlag ausholen. Nach dem Motto: „Wenn ihr die Qualität nicht wollt, dann kriegt ihr eben den Schrott.“

Mit dem erstklassigen Programm zum zehnten Geburtstag wolle man sich ein bisschen für diesen Tiefschlag entschuldigen, sagt Bartz. Es scheint gewirkt zu haben – für die meisten der in nächster Zeit anberaumten Gigs gibt es bereits seit Wochen keine Karten mehr. Küblböck hin oder her, allzu tief möchte das Atelier nicht sinken. „Wir werden unsere Richtung nicht ändern. Mit den Chippendales oder Helmut Lotti können wir auch in Zukunft nicht dienen.“


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