Knapp ein Jahr vor dem Ende der Legislaturperiode ist die Diskussion um die Rolle des Staates in Luxemburg noch nicht einmal ansatzweise geführt worden.
„Le Gouvernement abordera le problème de la définition du périmètre d’action de l’Etat dans une optique consistant, en dépassement de la discussion sur un plus ou un moins d’Etat, à privilégier une approche destinée à assurer un „mieux d’Etat“. Celle-ci visera à:
– promouvoir un Etat qui est proche de l’usager et qui pour cela doit rester transparent dans son fonctionnement; (…)
– assurer une recherche constante de la qualité dans le fonctionnement de l’Etat et dans le service rendu à la collectivité.“
Wahrlich kein leichter Brocken, den sich die Koalitionäre 1999 als Aufgabe auferlegt hatten. Und doch dürfte das Nachlesen dieser Zeilen aus dem Koalitionsabkommen von einst bei so manchen BürgerInnen nicht ohne Frustrationsgefühle bleiben: Was ist denn nun eigentlich Herausragendes passiert, in den letzten vier Jahren, das uns diesen hehren Wünschen näher gebracht hätte? Nichts, meinte hierzu am Mittwoch der LSAP-Fraktionsführer im Parlament anlässlich einer zu diesem Thema geführten Debatte. Einiges, antworteten die Mehrheitsprecher und verwiesen auf die Reform des Staatsbeamtenstatuts.
Tatsächlich musste die amtierende Koalition aus CSV und DP erst einmal das von der Vorgängerkoalition zerbrochene Porzellan in Sachen Pensionsreform zusammenkitten. Ein großzügiger Gehälterabschluss und einige wesentliche Verbesserungen im Bereich der Rechte und Pflichten der einzelnen BeamtInnen haben die Abschaffung des 5/6 Pensionsprinzips inzwischen in Vergessenheit geraten lassen. Die DP hat ihre Rolle als staatsbeamtentragende Partei vollauf erfüllt.
Außerdem konnten die Ministerin für öffentliche Funktion und ihr Staatssekretär aus einer druckfrischen Studie zweier französischer Professoren zur „Rolle des Staates in Luxemburg“ zitieren. Die Ministerin sieht mit dem 230-seitigen Konvolut das Versprechen von 1999 eingelöst, eine profunde Analyse der zukünftigen Rolle des Staates zu machen.
Der Bericht der Herren Roux und Scoffoni ist sicherlich eine tiefschürfende und teilweise auch recht lesbare Zusammenstellung der sich im Zusammenhang mit der Rolle des Staates stellenden Fragen. Allerdings ist er allenfalls als Ausgangspunkt eines Diskussionsprozesses zu betrachten, dessen Ablauf und Rahmenbedingungen noch vollkommen offen sind.
Die teilweise sehr theoretischen Betrachtungen der beiden Experten mögen für die weiteren Arbeiten förderlich sein, sie geben aber kaum Antworten auf die Alltagsfragen, die sich die BürgerInnen und ihre politischen RepräsentantInnen in Bezug auf den neuen modernen Staat stellen.
Gute und gut gemeinte Vorschläge finden sich viele in dem Gutachten, dennoch lassen sie sich schwer auf konkrete Einzelfälle übertragen. So schlagen die Autoren zum Beispiel eine „réécriture de formulaires administratifs“ vor, denen eine Vereinfachung der Verwaltungssprache vorangestellt werden müsse. Ein sicherlich wünschenswertes Unterfangen, zumal einige der beim Staat verwendeten Vordrucke aus dem Postkutschenzeitalter zu stammen scheinen, und Eintragungen wie Postleitzahlen oder gar Email-Adressen erst gar nicht vorsehen. Hunderttausende Luxemburger SteuerzahlerInnen schütteln sich seit Jahrzehnten den Kopf über unpraktische und undurchdringliche Steuerformulare, ohne dass sich irgendetwas geändert hätte.
Durch die Bank werden in hier zu Lande Gesetze und Vorschriften nicht bürgernah erklärt, sondern einfach nur textuell zitiert. Die sich daraus unweigerlich ergebenden Missdeutungen führen immer wieder zu Verzögerungen und enden nicht selten mit Bußgeldern, weil hier eine Frist versäumt oder dort eine Angabe vergessen wurde. Diese Schwierigkeiten mögen für die SteuerberaterInnen einen nicht mehr zu missenden Geldsegen bedeuten, sie machen aber auch deutlich, dass eine Strategie zur Vereinfachung der Vorgänge beim Staat, trotz anders lautender Versprechen, immer noch aussteht.
Aber mussten zwei Verfassungsjuristen über Monate und Jahre damit befasst werden, nur um dies festzustellen? Wäre es nicht sinnvoller gewesen, Verwaltungsspezialisten damit zu beauftragen, Prozeduren zu hinterfragen und Konzepte für eine staatsinterne Qualitätskontrolle auszuarbeiten?
So wichtig die theoretische Debatte im Zeitalter grassierender Flexibilisierung und Privatisierung ganzer Zweige des öffentlichen Dienstes auch sein mag, parallel dazu hätte unbedingt auch die praktische Umsetzung vorbereitet werden müssen. Luxemburg, das sich ja so gerne auf die Vorteile der kurzen Wege beruft, kommt im Zeitalter des Internet und der Kommunikation in Echtzeit zunehmend ins Hintertreffen.