Das neue Terrorismusgesetz erreicht als politisches Signal wohl weniger Bin Laden & Co als die kritische Opposition im eigenen Land.
Er habe den Eindruck, viele von denen, die in den vergangenen Tagen in die Debatte zur Terrorismusbekämpfung eingriffen, hätten die Opfer des 11. Septembers vergessen, meinte Justizminister Luc Frieden (CSV) am Dienstag vor dem Parlament. Und verfiel mit dieser Aussage sogleich in jenen Dichotomismus, der in der Debatte um die politische Antwort auf den Terrorismus so gerne benutzt wird. Wer die Mittel in Frage stellt, mit denen dieser Form von Kriminalität in Europa und nun auch in Luxemburg begegnet werden soll, stellt sich quasi schon auf die Seite des organisierten Terrors.
Damit bestätigte Frieden nur den Eindruck, dass es zwei Jahre nach dem Attentat auf das World Trade Center weiterhin nicht möglich ist, sachlich über die Wahl der Anti-Terror-Maßnahmen zu diskutieren. Im Gegenteil: Jene Entscheidungen, die damals als „politisches Signal“ von den EU-Mitgliedstaaten festgehalten worden waren, stehen nun ganz konkret zur Umsetzung an. Der Rahmenbeschluss zur Terrorismusbekämpfung wurde diese Woche in Luxemburger Recht umgesetzt, jener über den europäischen Haftbefehl steht noch aus. Kritische Nachfragen, ob angesichts des Terror-Anschlags im Herbst 2001 mit seiner neuen Größenordnung die richtigen politischen Signale gesendet wurden, werden weiterhin als ketzerisch eingestuft.
Beide Umsetzungstexte müssen hier zu Lande in engem Zusammenhang mit dem Gesetzesprojekt zur Legalisierung des seit Jahrzehnten existierenden Spitzeldienstes betrachtet werden. Und sie sind zugleich die Fortsetzung einer schwarz-blauen Politik, die sich einerseits durch eine schärfere Gangart in der Praxis (Operation Milano und andere Ausweisungen, Findel-Episode mit ihrem gerichtlichen Nachspiel, Razzien in islamistischen Kreisen, hartes Eingreifen bei Straßendemonstrationen), andererseits durch Vorstöße auf Gesetzesebene (Lex Greenpeace) äußert.
Dass sich in diesem neuen Klima kritische Stimmen äußern, ist nur natürlich, für Luxemburg aber vielleicht gar nicht so selbstverständlich. Die Einführung einer Terrorismusgesetzgebung hätte in anderen Mitgliedsstaaten der Union vielleicht für mehr Reaktionen gesorgt, als das bei uns der Fall ist. Der jahrzehntelangen relativen Zurückhaltung von Ordnungskräften und Gerichtsbarkeit in den Bereichen, welche das Recht auf freie Meinungsäußerung tangieren, entspricht in Luxemburg immer noch ein gewisser naiver Pragmatismus. Polizeistaatliche Tendenzen werden im Kleinstaat, wo eh jeder jeden kennt, nicht wirklich ernst genommen.
Deshalb ist nicht nur der Protest von Gewerkschaften und Parteien wichtig und erfreulich. Positiv zu vermerken ist vor allem die spontane Reaktion der Jugendlichen, die vergangene Woche vor dem Parlamentsgebäude campierten und einen Hungerstreik gegen den Gesetzentwurf organisierten. Nachdem Premier Juncker sich anfangs noch ironisierend zu dieser Aktion geäußert hatte, gestand er mit seiner Einladung zum Gespräch am Dienstagmorgen implizit ein, dass dies ein taktischer Fehler gewesen war.
Ohne glorifizieren zu wollen, hat die Aktion der Jugendlichen doch das fertig gebracht, was die Politik verschlafen hatte: das Augenmerk der Presse und der Öffentlichkeit auf die Zweifelhaftigkeit des Terrorismusgesetzes zu lenken. Und sie aufmerksam zu machen auf die Gefahren, die auch auf der Insel der Meinungsfreiheit lauern. Die Schonzeit für Luxemburg ist vorbei.