Backcover: Pit Reding


Der Fotograf Pit Reding gestaltet im Juli die Rückseiten der woxx. Im Interview spricht er über die Notwendigkeit, Menschen zu zeigen, die in keine Schublade passen.

Pit Reding zieht Selbstporträts wie dieses vor, arbeitet aber auch mit Models zusammen. (Copyright: Pit Reding)

woxx: Pit, was für Fotos haben es auf die Rückseite der woxx geschafft?


Pit Reding: Die Motive, die ich ausgesucht habe, repräsentieren die Kunst, die ich zurzeit mache: Sie sind gewissermaßen eine Referenz auf mein eigenes Leben und auf meine Queerness. Wie bin ich aufgewachsen? Welchen Einfluss hatten festgefahrene Gendernormen auf mich und meine Identität? Inwiefern hat mich all das daran gehindert, mich frei zu entwickeln?

Welche Antwort geben Sie auf diese Fragen?


Ich gebe Ihnen ein einfaches Beispiel: Mir ist vor einiger Zeit aufgefallen, dass ich die Farbe Blau nicht mehr mag. Warum nicht? Weil ich mit der Annahme groß geworden bin, dass Blau für Jungs und Rosa für Mädchen ist – doch als Kind war mir Rosa lieber als Blau. Und trotzdem habe ich es lange nicht gewagt das zuzugeben, weil ich wusste, dass das bei Jungs sofort mit Homosexualität assoziiert werden würde. Damals war mir das unangenehm. Das mag klischeehaft klingen, ich möchte damit auch nicht behaupten, dass alle schwulen Männer auf Rosa stehen. Ich persönlich habe durch solche Kleinigkeiten nur früh gemerkt, dass ich aus dem Rahmen falle. Mir ist es wichtig, besonders während des Pride Month, auf solche Dinge aufmerksam zu machen und zu sagen: Lasst uns Stereotype doch einfach vergessen.

Porträtieren Sie deswegen Menschen, die mit Ihrem Aussehen oder Ihrer Pose den Normen trotzen?


Am Anfang meiner Karriere wollte ich Modefotograf werden, bis ich begriffen habe, dass das ein Milieu ist, in dem alle perfekt sind oder zumindest danach streben. Das ist mir zu langweilig. Ich habe stattdessen beschlossen, vermeintliche Makel oder Auffälligkeiten zu zeigen und sie so zu normalisieren. Das geht mit meinen persönlichen Erfahrungen einher: Ich bin voller Selbstzweifel aufgewachsen, was einen großen Einfluss auf meine Kindheit und Jugend hatte. Ich musste erst lernen, mich zu akzeptieren. Das möchte ich wiedergeben und vor allem Personen der queeren Community somit Sichtbarkeit verleihen. Zwar gibt es inzwischen zahlreiche Künstler*innen in Luxemburg, die Ähnliches tun, aber es kann davon nie genug geben.

Was für einen Stellenwert hat Queerness in Ihrer Fotografie?


Es ist mir ein besonderes Anliegen, die Diversität innerhalb der Szene zu zeigen. Ich arbeite aber nicht nur zu diesen Themen, sondern bin allgemein an der Darstellung von Verletzlichkeit interessiert. Für meine Serie „Human“ habe ich beispielsweise mit zwei Personen zusammengearbeitet, die nicht queer sind. Ich orientiere mich also eher an Themen als an der sexuellen Orientierung oder der Geschlechts-
identität per se. Es ist aber klar, dass es Überschneidungen gibt.

Ich bin mir durchaus bewusst, dass meine Fotografie provokant ist. Das ist kein Zufall, das ist eine Entscheidung.

In Ihrer Serie „Bubble Spaces“ geht es um komplexe Identitätsfragen. Wie übersetzen Sie diese in Fotografie?


Ich habe keine feste Herangehensweise. Es gibt Nächte, da wache ich auf und habe eine tolle Idee für ein Foto, die ich mir gleich aufschreibe, um sie nach und nach visuell umzusetzen. Manchmal bedarf es dafür anderer Menschen, gelegentlich kann ich die Idee aber auch als Selbstporträt umsetzen.

Was fällt Ihnen leichter?


Mit mir selbst zu arbeiten, auch wenn der technische Aspekt komplizierter ist: Ich erhalte genau das Bild, das ich mir vorgestellt habe. Wenn ich auf andere Menschen angewiesen bin, muss ich diese erst finden. Das ist nicht leicht, zumal ich oft Nackt-
fotos schieße. Natürlich respektiere ich, dass das vielen Menschen – vor allem in Luxemburg – zu heikel ist, aber es erschwert meine Arbeit.

In „Bubble Spaces“ und der Serie für die woxx, sind Sie selbst zu sehen.


„Bubble Spaces“ war eine Art Selbsttherapie für mich, weil ich auf meine Jugend zurückgeblickt habe. Was war da los? Wie habe ich es geschafft, mich selbst zu akzeptieren und über mich hinauszuwachsen? Ich bin kein Mensch, der viel redet. Ich drücke meine Gedanken und Gefühle durch Kunst aus, dementsprechend hat mir die Serie geholfen, mich anderen Menschen zu öffnen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen.

Was empfinden Sie, wenn Menschen das Gespräch mit Ihnen suchen?


Es hat mich zum Beispiel berührt, als bei einer Ausstellung von „Bubble Spaces“ ein junges Mädchen auf mich zukam und weinte, weil sie sich so sehr mit der Serie identifizieren konnte. Es ist gut, dass die Betrachter*innen mich aus meiner Komfortzone locken. Als introvertierte Person kommt mir das entgegen. Ich finde es auch inte-
ressant zu beobachten, wie Menschen auf meine Fotos reagieren.

Manche Ihrer Motive sind explizit … 


Ältere Generationen fragen oft: „Was soll das?“ Oder aber sie hinterfragen grundsätzlich die Notwendigkeit meiner Arbeit, sind über die Fotos empört. Das stört mich allerdings nicht, denn ich bin mir durchaus bewusst, dass meine Fotografie provokant ist. Das ist kein Zufall, das ist eine Entscheidung.

Ist Ihre Fotografie politisch?


Die Frage wurde mir bereits vor zwei Jahren in einem Interview gestellt. Damals habe ich verneint …

… aber?


Inzwischen würde ich sagen: Ja, meine Fotografie ist politisch. Ich genieße in Luxemburg Ausdrucksfreiheit, was mir wichtig ist. Es gibt zahlreiche Länder auf der Welt, in denen ich für die Darstellung gleichgeschlechtlicher Paare und queerer Menschen im Knast landen oder hingerichtet werden würde. Ich bemühe mich auf diese Weise also durchaus darum, auf politischem Niveau etwas zu bewegen.

Ist es lästig, dass queere Kunst oft unmittelbar mit politischem Aktivismus gleichgesetzt wird?


Für mich offenbart das die Notwendigkeit, solche Motive zu zeigen, denn sonst würden sie nicht politisiert. Außerdem habe ich ein gutes Gefühl bei dem Gedanken, dass meine Kunst als politischer Aufruf interpretiert wird.

Pit Reding ist ein queerer Fotograf aus Luxemburg. Ursprünglich als Grafikdesigner in der Werbebranche aktiv, brachte er sich das Fotografieren selbst bei. 2020 eröffnete er sein eigenes Kreativstudio. Seine Arbeiten sind regelmäßig im Zuge von Ausstellungen, auf der Website pitreding.lu sowie unter „rp.p._“ auf Instagram zu sehen.


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