La Concierge: „Uns liegen die Rechte von Künstler*innen am Herzen“

Die Künstler*innen Liliana Francisco und Steven Cruz haben „La Concierge“ gegründet: ein Verein, der sich vor allem an Newcomer*innen der Kunstszene richtet. Francisco und Cruz verraten im Gespräch mit der woxx, was sie zu diesem Schritt bewegt hat.

Die Künstler*innenplattform „La Concierge“ organisiert Mitte Dezember ihre erste Kollektivausstellung „Lost Symbiosis“ in Differdingen. (COPYRIGHT: Rafael Guerreiro (Instagram: @rafael_el_designer))

woxx: Liliana und Steven, wie ist die Idee zu „La Concierge“, einer Plattform für Künstler*innen in Luxemburg, entstanden?

Liliana Francisco: Steven und ich haben uns vor zwei, drei Jahren über die sozialen Medien kennengelernt. Wir haben ein paar Nachrichten ausgetauscht, uns dann für ein Treffen verabredet. Uns verband nicht nur unsere Herkunft sowie unsere Zeit in Lissabon, sondern auch unsere Arbeit als Kunstschaffende. Nach einer Zeit kam bei uns beiden das Bedürfnis auf, eine stärkere Verbindung zur luxemburgischen Kulturszene aufzubauen, die sich in den letzten Jahren immer mehr entfaltet. So entstand die Idee für „La Concierge“: Wir dachten, es sei der ideale Zeitpunkt, ein solches Projekt auf die Beine zu stellen – für uns selbst, aber auch für die ganze Gemeinschaft. Anfangs wollten wir nur die Kollektivausstellung „Lost Symbiosis“, die vom 14. Dezember bis zum 14. Januar im „Espace H2O“ in Oberkorn läuft, organisieren.

Wie ist aus einer Kollektivausstellung ein Verein geworden?

Liliana: Uns war tatsächlich nicht bewusst, wie schwer es ist, als individuelle Künstler*innen eine Ausstellung zu organisieren, die Produktionskosten zu decken und die Teilnehmer*innen fair zu bezahlen. Da uns die beiden letzten Punkte äußerst wichtig sind, führte kein Weg an der Vereinsgründung vorbei: Wir stellten schnell fest, dass es leichter ist, als Verein finanzielle Unterstützung anzufragen statt als Künstler*innengruppe ohne juristische Grundlage.

Steven: Die Vereinsgründung geschah aus einer Notwendigkeit heraus, als wir auf der Suche nach Lösungen waren, um unsere Ideen umzusetzen.

Liliana: Seit August 2023 haben wir nun diesen Status. Wir verstehen uns als eine Organisation, die im Kunstmilieu arbeitet und dazu beitragen möchte, eine Gemeinschaft zu bilden. Steven und ich kümmern uns um die Planung von Veranstaltungen; langfristig wollen wir darüber nachdenken, ob wir administrative Mitarbeiter*innen einstellen oder punktuell Hilfe bei Projekten dazunehmen. Noch ist alles offen, wir befinden uns in einer Testphase.

Inwiefern unterscheidet sich Ihr Verein von anderen Anlaufstellen für Künstler*innen in Luxemburg, wie etwa „Kultur LX“ oder den Berufsverbänden?

Steven: Wir vergleichen uns nicht mit „Kultur LX“, weil wir uns längst nicht auf demselben Niveau befinden. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob wir dieses je erreichen und ob das überhaupt unser Ziel ist.

Liliana: Es wäre genauso überheblich, uns mit der „Association des artistes plasticiens du Luxembourg“ gleichzusetzen. Wir haben diese jahrzehntelange Expertise nicht, sind selbst vor allem Künstler*innen. Unsere Ziele unterscheiden sich momentan voneinander: Uns geht es vorerst nicht darum, Fördergelder einzutreiben und zu vergeben. Wir wollen zunächst Events organisieren und auf nationaler Ebene als Künstler*innen zusammenwachsen.

Steven: Im Gegensatz zu bestimmten Institutionen oder Organisationen in dem Bereich, gibt es bei uns zudem keine Hierarchien. Wir sind eine „sharing community“: Wir teilen unser Wissen und lernen voneinander. Vor einem Jahr wusste ich beispielsweise nicht, wie viele Hilfsmöglichkeiten es für freischaffende Künstler*innen gibt. Wir wollen also auch bei praktischen Fragen leicht zugängliche Antworten liefern.

Liliana: Dafür stehen wir mit unserem Namen, „La Concierge“. Es geht da- rum, einander auf dem Karriereweg zu begleiten. Ich habe durch das Projekt selbst schon viel dazugelernt!

Welche Werte vertritt der Verein?

Liliana: Uns liegen besonders die Rechte von Künstler*innen am Herzen. Niemand darf von professionellen Künstler*innen verlangen, dass sie gratis ausstellen.

Steven: Wir arbeiten noch dazu ausschließlich mit lokalen Künstler*innen zusammen. Wir sind der Meinung, dass es in Luxemburg viele tolle Künstler*innen gibt, die es zu fördern gilt. Warum nur Künstler*innen aus dem Ausland einladen, wenn wir unserer eigenen Szene mehr Sichtbarkeit geben können?

Sie bezeichnen sich selbst als „agent de gestion”, doch was bieten Sie konkret an?

Liliana: Momentan vertreten wir keine Einzelkünstler*innen, sondern planen die bereits erwähnte Kollektivausstellung. Das Einzige, was die Künstler*innen machen müssen, ist, ihre Werke auszustellen. Steven und ich übernehmen den Rest, von der Logistik bis hin zum Rahmenprogramm. In dem Sinne verstehen wir uns als „agent de gestion“.

Was haben Sie sich für das Rahmenprogramm überlegt?

Steven: Wir haben uns gefragt: Wie können wir die Ausstellung interaktiver gestalten, damit die Menschen auch nach der Vernissage noch ihren Weg dorthin finden? Wir wollen Kunst einem größeren Publikum durch Workshops und Diskussionsrunden näherbringen. Wir hoffen dadurch Menschen zu erreichen, die die Ausstellung vielleicht nicht besucht hätten, dafür aber Interesse an den anderen Veranstaltungen haben, oder umgekehrt!

Liliana: Es geht um die Demokratisierung von Kunst. Wir haben uns viel damit befasst, weil Kunst oft als elitär wahrgenommen wird oder sich auf Einzelpersonen konzentriert.

Was meinen Sie damit?

Liliana: Es gibt öfter Einzel- als Kollektivausstellungen. Wir wollen letzteren zu demselben Prestige verhelfen, denn sie stehen Soloausstellungen in nichts nach. Künstler*innen, die am Anfang ihrer Karriere stehen, sollen sie als Möglichkeit erkennen, an Sichtbarkeit zu gewinnen. Gleichzeitig ist es uns wichtig, dass die Kunst möglichst vielen Menschen zugänglich ist.

Inwiefern zugänglich?

Liliana: Oft ist es so, dass sich die Werke ihren Betrachter*innen nur schwer erschließen. Umso wichtiger ist es, sich darüber auszutauschen oder einen Einblick in das künstlerische Schaffen zu erhalten, denn ich bin fest davon überzeugt, dass wir als Künstler*innen bestimmte Themen ansprechen und unsere Perspektive teilen müssen.

Worauf spielen Sie an?

Liliana: Der Titel der Kollektivausstellung, „Lost Symbiosis“, beschreibt beispielsweise Verlusterfahrungen: Einzelpersonen erfahren immer wieder Verluste, genauso wie die Gesellschaft als Ganzes solche durchlebt. In der Ausstellung thematisieren die Künstler*innen dies völlig unterschiedlich. Steven setzt sich mit Verlust und Familie auseinander; andere Künstler*innen sprechen über emotionale Verluste, die Distanz zu ihrem eigenen Ich und der Kreativität oder auch jener, die sich zwischen unseren Mitmenschen bemerkbar macht. Zu diesen Themen bieten wir den Workshop „(Re)discover your creativity“ an (Anm.d.R.: 7. Januar, 15 Uhr – 17 Uhr) an.

Das Rahmenprogramm ist stellenweise aber auch praktisch und politisch.

Steven: Ja, es gibt auch das Atelier „Non-toxic marketing for creatives“ mit dem Playground Ideas Studio (Anm.d.R.: 16. Dezember, 14 – 16 Uhr), bei dem Kulturschaffende mehr über Selbstvermarktung erfahren können. Darüber hinaus organisieren wir Workshops an Schulen, bei denen wir jungen Menschen aufzeigen wollen: Es ist möglich, eine Karriere als Künstler*in einzuschlagen. Du kannst dich für ein Kunststudium entscheiden und später davon leben. Ich selbst wurde in jungen Jahren unzureichend darüber informiert und hatte, wie viele andere in diesem Bereich, Angst, dass ich mit einem Studium nichts anfangen kann.

Liliana: Das ist ein Gesellschaftsproblem: Uns wird eingetrichtert, dass es wichtiger ist, viel Geld zu verdienen, als seinen Interessen zu folgen. Wir wollen vor allem bei jungen Künstler*innen den Gedanken vorantreiben, dass es kreative Berufe gibt. Es muss viel mehr darüber geredet werden, besonders im „enseignement technique“. Der Kunstsektor wird dort zu selten thematisiert.

Welche Themen wollen Sie noch in den Diskussionsrunden besprechen?

Liliana: Einige, so zum Beispiel die Beziehung zwischen Kultur und Politik. Hierzu veranstalten wir den Talk „The Intersection of Culture and Politics: A Symbiotic Dance“ (Anm.d.R.: 21. Dezember, 19 Uhr – 21 Uhr). Dort soll es unter anderem um den Einfluss der Politik auf die Kulturszene gehen: Wo fehlt es an Geldern? Was für Maßnahmen braucht es, damit der Kultursektor als Teil der Gesellschaft angesehen wird? Ein weiteres Thema, das wir ansprechen wollen, sind Genderfragen: In der Diskussionsrunde „Exploring Gender Disparities in Art Across Eras“ (Anm.d.R.: 28. Dezember, 19 – 21 Uhr) soll es um Geschlechterdiskriminierung in der Kunstszene gehen. In der vorerst letzten Veranstaltung beschäftigen wir uns hingegen mit Künstlicher Intelligenz. In „Creating with Code: The Impact of Artificial Intelligence on Artistic Expression“ (Anm.d.R.: 3. Januar, 19 – 21 Uhr) gehen wir der Frage nach, inwiefern KI-generierte Werke den künstlerischen Ausdruck bedrohen.

Steven: Wir hoffen, dass wir dem Publikum die ausgewählten Themen näherbringen können!

Inwiefern schaffen Sie mit „La Concierge“ ein Angebot, das Sie selbst vermissen?

Steven: Junge Künstler*innen werden oft anders behandelt als erfahrenere Kolleg*innen. Wenn du jung bist, ist deine Sichtbarkeit gering, gleichzeitig bist du auf finanzielle Unterstützung angewiesen, um deine Produktionskosten zu decken. Noch dazu musst du lernen, eine gerechte Bezahlung einzufordern. Bei all dem hätte ich mir mehr Unterstützung und den Austausch gewünscht, den wir anstreben.

Liliana: Als Künstler*innen haben wir auch oft das Gefühl, keine Chance auf eine Ausstellung in Luxemburg zu haben. Wir passen nicht zu dem, was als prestigereich gilt. Uns ist es deswegen wichtig, eine inklusive und gemeinschaftliche Plattform zu schaffen, die professionell arbeitet, aber möglichst vielen Talenten die Gelegenheit gibt, ihre Werke vorzustellen. Auf diese Weise werden die Künstler*innen nicht nur für ihre Arbeit bezahlt, sondern auch repräsentiert.

Steven: Wir wollen außerdem von kommerziellen Gedanken wegkommen. Oft ist es so, dass die Künst- ler*innen bei einer Ausstellung nur Geld verdienen, wenn sie etwas verkaufen. Das läuft bei uns anders: Jede*r soll die Möglichkeit haben, sich durch seine Kunst auszudrücken, statt von Überlebensangst getrieben zu sein.

Und was für Reaktionen gab es dafür bisher aus der nationalen Kunstszene?

Steven: Überraschend viele! Die Reaktionen sind positiv, obwohl sich das Projekt noch in der Anfangsphase befindet. Die Menschen schätzen, wofür wir stehen.

Lost Symbiosis, Espace H20 (rue Rattem, L-4687 Oberkorn/Differdange), Fr. – So. 15 – 19 Uhr und nach Vereinbarung. Vom 14. Dezember bis zum 14. Januar. Weiterführende Informationen zur Ausstellung und dem Rahmenprogramm auf dem Instagram-Kanal von „La Concierge“ und unter stadhaus.lu.

Liliana Francisco (33) studierte von 2012 bis 2016 Sprachen, Literatur und Kultur in Lissabon. Nach einem Kurzaufenthalt in ihrem Geburtsland Luxemburg trieb es die visuelle Künstlerin unter anderem aus Karrieregründen zurück in ihre Studienstadt. Sie pflegt seither eine enge Verbindung zu Luxemburg.
Steven Cruz (27) zog es 2016 zum Bachelorstudium in General Design nach Lissabon und 2020 für einen Master in Szenografie nach Brüssel. Seitdem pendelt der interdisziplinäre Künstler zwischen der belgischen Hauptstadt und Luxemburg. Als Einstieg in die Kunstszene nennt er seinen Sieg bei der Castingshow „Generation Art“ von RTL. „La Concierge“ ist auf Instagram unter @laconcierge.lu zu finden sowie per Mail an laconcierge.info@gmail.com zu erreichen.


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