Best Wishes: Auf ins Exil!

(Foto: Alexa/Pixabay)

In der diesjährigen Weihnachts- nummer der woxx drehen sich viele Artikel um das Thema Aussteigen und Auswandern. So beantworten auch die „Best Wishes“ die Frage: Wohin wandern Sie aus, wenn eine rechtsliberale Regierung in Luxemburg an die Macht kommt?

We’re going to Ibiza!

(ja) – „Dann wander ich aus!“, ist ein Satz, der sich sehr leicht sagen, aber schwierig umsetzen lässt. Immerhin will ein Exil gut ausgesucht sein. Anderenfalls könnte man in wenigen Jahren oder gar nur Monaten schon wieder in der Situation sein, die eben genannten Worte aussprechen zu wollen. Der ehemalige Lebensmittelpunkt und Studienort Wien liegt leider in Österreich, was die Gefahr einer noch rechtsliberaleren Regierung als CSV-DP doch deutlich steigert. Die sich, so haben bisherige Versuche es stets gezeigt, nach anderthalb bis zwei Jahren durch einen Skandal zwar wieder auflösen würde, aber das kann ja auch keine Zukunftsplanung sein. Doch vielleicht steckt genau hier die Idee: Sollte ich nach Ibiza? Nicht etwa, um auf der spanischen Urlaubsinsel zu leben, sondern um etwas ähnliches zu provozieren, was die eben angesprochene ÖVP-FPÖ-Regierung zu Fall gebracht hat. Ein heimlich aufgenommenes Video von Heinz-Christian Strache (FPÖ), der schon diverse Staatsaufträge verteilen wollte, bevor er überhaupt in der Regierung war, hatte für einen Skandal und danach den Bruch der Regierung inklusive Neuwahlen gesorgt. Leider kann ich mir schlecht vorstellen, dass Luc Frieden der Einladung einer vermeintlichen russischen Oligarchin nach Ibiza folgt, um dort im Koks-Redbull-Rausch das Land zu verhökern. Da muss schon eine andere Idee her. Ich könnte natürlich jemanden engagieren, der sich zum Beispiel als katarischer Prinz ausgibt. Der könnte dann vorgeben, eine Bank oder eine Frachtfluggesellschaft kaufen zu wollen. Statt Koks und Redbull gibt es Friedens Leibgericht Spaghetti Bolognese und Crémant – und schon ist die Falle gestellt. Fehlt nur noch eine versteckte Kamera. Und vielleicht ein Ticket in ein Exil, sollte der Plan doch schiefgehen …

Grande Terre

(lm) – Du temps de la guerre froide déjà, j’étais à la recherche d’une terre d’asile. À l’époque, mon choix tomba sur la Nouvelle-Calédonie (loin des champs de bataille nucléaires, accessible sans visa). Au fil des décennies post-1989, avec les dividendes de la paix, se multiplièrent les options (et ce que je pus y voir) : la France (mouvements de gauche radicaux et prometteurs), l’Autriche (solide économie verte), l’Espagne (orientation progressiste et manière d’être). Ensuite, la mondialisation ouvrit de nouveaux horizons : les États-Unis (admirable conception des valeurs libérales), la Chine (fascinante culture, en voie de démocratisation), l’Argentine (multiculturalisme et humanisme). Mais tous mes rêves d’exil se sont effondrés : le sentiment de révolte capté par l’extrême droite, l’idée du combat contre la fin du monde noyée dans les combats pour boucler la fin du mois, la convergence des peuples brisée par l’impérialisme, les crispations nationalistes et le retour de la haine de l’autre… L’élection de Javier Milei n’est que le plus récent symptôme de la dérive politique vers le populisme de droite et du centre ; aucune de mes terres d’asiles ne semble à l’abri d’évolutions politiques et sociales funestes. Même les lieux d’exil historiques comme les Pays-Bas ou la Suisse sont aujourd’hui peu recommandables. Retour à la case départ donc : la Nouvelle-Calédonie, plusieurs vols par jour au départ de Paris, escale à Singapour, durée du voyage plus de 24 heures, un aller simple, c’est ça ?

Augen auf und durch

(mes) – Am Tag nach der Bekanntgabe der neuen Regierung mache ich mich auf die Suche nach dem Schleier des Nichtwissens. Der soll jede Person, die ihn überzieht, ihre Stelle in der Gesellschaftsordnung vergessen lassen, erzählt mir ein Freund. Menschen, die den Schleier tragen, sollen so gerechte gesellschaftliche Entscheidungen treffen können. Müsste eigentlich auch mit hiesigen politischen Amtierenden funktionieren, nicht? Warum ihn bisher keiner gefunden hat, ist mir selbst, nun ja, schleierhaft. Quer durch sich leerende Industriedörfer und mit Windrädern bestückte Landschaften führt meine Zugreise mit dem Ziel einer gerechtigkeitspflegenden Regierung, wo sich der Schleier ja folgerichtig befinden muss. Ich steige überall da aus, wo es schön aussieht, und treffe hohe und niedrige Geister, die mir versichern, dass in ihrer Gesellschaft die Lebensqualität von wenigen vielen zwar hoch ist, der Profit aber über Menschenleben Vorrang hat. Nach 35 Tagen komme ich im Land meiner Vorfahren an: Das Land des (geistig) unabhängigen, stolzen, feministischen Volks, das in den letzten Landeswahlen den rechtsextremen Spanier*innen die Stirn bot. Ich glaube mich am Ziel – bis mir wieder einfällt, dass der Parteichef der immer beliebteren rechtsextremen Partei Vox auch aus einer der unabhängigen, stolzen, feministischen Städte kommt, und mir erneut bewusst wird, wie doof Nationalstolz doch sein kann. Den Schleier des Nichtwissens finde ich nicht: Eine Frau mit Hund weist mich auf dem Istanbuler Bahnhof darauf hin, dass es sich um eine Theorie handelt – „ein Gedankenspiel“, fügt sie nach meinem Stirnrunzeln hinzu. Ich entschließe mich kurzerhand zu einer 180-Grad-Wende und kehre zurück nach Luxemburg. Eine*r muss der Regierung ja Bescheid geben, dass sie für eine gerechte Politik nur für ein Gedankenspiel offen sein muss. Sollte sie es vermasseln, muss man sie eben daran erinnern. Das geht eher schlecht aus einem fahrenden Zug heraus und am besten vor Ort.

Am Elfenbein 23 – 28

(is) – Die letzten Umzugskartons sind ausgepackt, die Bücherregale gefüllt und mein Schreibtisch entstaubt – fehlt nur noch der Besuch im Haarsalon ums Eck. Passend zum Einzug in den Elfenbeinturm, muss immerhin ein langer, geflochtener Zopf her. Die Empfehlung habe ich aus der Neuausgabe des Ratgebers „Kein Frieden für die Kunst“: Dort finden Kulturschaffende und ihre Angehörigen Tipps und Tricks für den Ausstieg aus liberal-konservativen Regierungsmodellen. Der Zopf ist nicht nur eine Hommage an Rapunzel, sondern dient auch der Kommunikation mit der Außenwelt. Über ihn lassen sich Tapes mit den letzten Horrorfilmen aus der Abgeordnetenkammer sowie die neusten Ausgaben der woxx ins Türmchen transportieren. Damit die Liberalos und Liberellas einem fern bleiben, raten die Autor*innen außerdem zu einer fleischfreien Ernährung, denn der Geruch gebratenen Schweinefleischs könnte ehemalige, unliebsame Kulturminister*innen anlocken. Neben dem Ratgeber lese ich mir derzeit aber auch die Richtlinien der Wohnsiedlung „Am Elfenbein“ durch, dem Refugium für alle, die sich die CSV-DP-Regierung nicht geben wollen. Ich verschlucke mich vor Freude fast an meinem Kräutertee, als ich über folgende Passage stolpere: „In der Siedlung herrscht ein kollektives Begeisterungsverbot für die luxemburgische Teilnahme an Weltausstellungen oder dem Eurovision Song Contest.“ Wer nächstes Jahr in Glitzerkluft und mit einem „12 points for Luxembourg“-Schild erwischt wird, dem drohen drei Monate Künstler*innenresidenz auf dem heimischen Sofa des Chef- und Medienministers Luc Frieden. Mit dem Verbot kann ich leben, denke ich, und winke den Nachbar*innen von Richtung28 lächelnd zu.


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