Die diesjährige Klimakonferenz COP29 in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku ist beendet. Zu einem Durchbruch kam es nicht, weder bei den zentralen Thema der Finanzierung, noch anderen Themen.
Als „neue Ära“ für die Klimafinanzierung bezeichnete EU-Umweltkommissar und ehemaliger Shell-Manager Wopke Hoekstra das auf dem 29. Klimagipfel beschlossene „New Collective Quantified Goal“ (NCQG). Neu ist die Summe von 300 Milliarden US-Dollar (rund 284 Milliarden Euro), die Industrieländer ab 2025 und bis spätestens 2035 jährlich im Green Climate Fund (GCF) sammeln sollen tatsächlich. Sie stellt eine Verdreifachung des im Jahr 2009 festgehaltenen Ziels von jährlich 100 Milliarden US-Dollar bis 2020 dar. Das NCQG entspricht jedoch weniger als einem Viertel der 1,3 Billionen, die mindestens nötig wären, um den Auswirkungen der Klimakrise zu trotzen und das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten. „Ist das ein Scherz?“, reagierten dementsprechend Länder wie Indien mit Entrüstung auf den Vorschlag.
Tasneem Essop vom Klimaschutz-NGO-Dachverbands Climate Action Network International ging einen Schritt weiter: „[Dies ist] eine Beleidigung der Bevölkerungen des Globalen Südens“. Die Kluft zwischen den Ländern, die auf das Geld angewiesen sind und den Industrieländern, die die Mehrheit der historisch akkumulierten Emissionen und demnach Schuld an der Klimakrise tragen, weitete sich auf der COP29. Nach 30 Stunden Verhandlungen kam es am vergangenen Sonntagmorgen zu einem „Konsens“, der ein komplettes Scheitern verhinderte.
Die Einigung auf eine Summe – von den Industrieländern erst am letzten geplanten Tag der COP vorgelegt – war eigentlich nur die halbe Arbeit: Wie in den nächsten zehn Jahren die aktuellen jährlichen 100 Milliarden schrittweise erhöht werden, woher genau das Geld kommen, wohin es fließen und vor allem auch wie die Geldflüsse gemeldet und kontrolliert werden sollen, wurde zwar besprochen, zu einem Beschluss kam es jedoch nicht. Dabei zeigen Analysen deutlich die Notwendigkeit klarerer Definitionen. Laut Oxfam bestand das vorherige jährliche 100-Milliarden-Ziel – das erst 2022 erreicht wurde – zu Zwei Dritteln aus Krediten. Teils finanzierten Industrieländer Projekte, die wenig mit Klimaschutz oder -anpassung zu tun hatten, teils waren vermeintliche Klimafinanzierungen sogar Subventionen an die fossile Industrie. Dies belegte auch eine im November veröffentlichte Recherche von „Frag den Staat“ über Deutschlands Klimafinanzierung: Nur 4,37 Milliarden Euro der 10 Milliarden, die unser Nachbarland 2023 als Klimafinanzierungen deklarierte, flossen in Projekte, deren Hauptziel der Klimaschutz oder die Klimaanpassung war. Ein Punkt, der besagte, dass Klimafonds keine fossilen Brennstoffe fördern dürften, wurde indessen während der Verhandlungen in Baku aus dem finalen Text herausgenommen.
Almosen, Schuldbegleichung oder Investition?
Die 300 Milliarden, auf die man sich geeinigt hat, sollen größtenteils aus öffentlichen Geldern und in Form von Zuschüssen kommen. Das entspricht den Forderungen der meisten Ländern und Klimaschutz-NGOs: Sie sprachen sich gegen Kredite, die die Schuldenlast weiter erhöhen, aus. Doch der Abschlusstext ist vage gehalten und erwähnt „ein breites Spektrum an öffentlichen und privaten, bilateralen und multilateralen sowie alternativen Quellen“ für die Finanzierung. Anders als beim vorherigen Ziel sind Industriestaaten somit nicht länger allein für die „Mobilisierung“ der Gelder verantwortlich. Andere Länder und vor allem auch private Geldgeber sollen – freiwillig – in Fonds beitragen. Privates Kapital werde gebraucht, wiederholte auch Umweltminister Serge Wilmes (CSV) in den Luxemburger Medien. In den nächsten fünf Jahren soll Luxemburgs Gesamtbetrag von den im Nationalen Klima- und Energieplan festgesetzten 220 Millionen Euro auf 320 Millionen Euro steigen. Dies, obschon Luxemburg laut Berechnung der NGO ASTM wegen seiner historischen Emissionen allein für Schäden und Verluste jährlich 300 Millionen Euro zahlen müsste (woxx 1812). Steuern, etwa aufs Erdölgeschäft, große Vermögen oder Flugreisen als Finanzierungsquellen wurden wie schon 2023 in Dubai kaum in Betracht gezogen (woxx 1765). Mit öffentlichen Investitionen könnten die nötigen Billionen jedoch nicht erreicht werden, so Wilmes. Luxemburg setzt also wie auch andere Industrieländer auf der COP29 auf die Gutwilligkeit der Privatwirtschaft. Dabei gibt es etwa bei den „Schäden und Verlusten“ kaum Profite zu erwirtschaften.
Ein Blick auf die Investitionen in anderen Sektoren zeigt dabei: Den Regierungen, auch der luxemburgischen, fehlt es an Ehrgeiz. Bis 2028 verspricht die CSV-DP-Regierung beispielsweise fast eine Milliarde Euro in die Armee zu investieren (woxx 1759). Auf globaler Ebene betrugen allein im Jahr 2022 Subventionen für fossile Energieträger 7 Billionen US-Dollar – 1,3 Billionen kamen aus staatlichen Kassen. Im gleichen Jahr beliefen sich die Gewinne der globalen Fossilindustrie auf 4 Billionen Dollar. „Durch eine Besteuerung von nur 7,5 Prozent dieser Gewinne hätten die Regierungen die Rechnung für die Klimakatastrophen begleichen können, für die die Ölkonzerne verantwortlich sind“, brachte Greenpeace Luxemburg es in einer Pressemitteilung zur COP29 auf den Punkt.
Neben dem NCQG wurde auch das neue Regelwerk „Paris Agreement Crediting Mechanism“ für die Kohlenstoffmärkte, und damit die Fertigstellung zur Umsetzung des Artikels 6 des Pariser Abkommens, als Schritt nach vorne gefeiert. Doch auch hier ist das Risiko hoch (woxx 1764), haben sich sogenannte Kompensationsprojekte in den letzten Jahren vermehrt als heiße Luft entpuppt. Einer in der ersten COP29-Woche veröffentlichten Studie in Nature Communications nach repräsentierten beispielsweise weniger als 16 Prozent der CO2-Zertifikate, die auf dem Kohlenstoffmarkt verkauft werden, tatsächliche Emissionsreduzierungen. Gleichzeitig greifen Unternehmen vermehrt auf Ausgleichsprojekte zurück, ohne jedoch ihre Emissionen zu verringern.
Verhandlungen vertagen
Die tatsächliche Reduzierung der Emissionen war auf der COP29 kaum ein Gesprächsthema. Im Gegensatz zur wenig ambitiösen „Abkehr von fossilen Energien“ des letzten Jahres erwähnte der diesjährige Abschlusstext weder eine „Abkehr“ noch eine Reduzierung explizit. Denn „angesichts der Bedenken“ einiger Länder, beschloss COP29-Präsident Babajew mit der Unterstützung Saudi Arabiens, das Thema auf nächstes Jahr zu verschieben.
Und während auf dem parallel zur COP29 laufenden G20-Gipfel eine neue Allianz zu erneuerbarer Energien gegründet wurde und sich sechs neue Länder dem auf der vorherigen COP28 angekündigten Ziel einer Verdreifachung der Kapazität nuklearer Energie angeschlossen haben, kamen die Staaten bei Themen, wie der Geschlechtergerechtigkeit, dem Loss and Damage Fund oder dem „Programm für eine gerechte Transition“, zu keiner Entscheidung. Die Delegierten werden in den Zwischenverhandlungen in Bonn im Juni 2025 und auf der COP30 in Belém alle Hände voll zu tun haben.
Die schon gewohnten kleinen Schritte und „großen Worte“ der Industrienationen zur Schließung der Umsetzungs- und Finanzierungslücke (woxx 1762) sind Teil eines stufenweisen Prozesses. Doch parallel zu diesem steigen weltweit die CO2-Emissionen weiter, auch dieses Jahr erneut. Spätestens im Februar 2025 müssen Länder ihre neuen CO2-Reduktionsziele (NDCs genannt) vorlegen. Die im nationalen Klima- und Energieplan festgehaltene und dem EU-Ziel entsprechende Verringerung von 55 Prozent ist dabei aus wissenschaftlicher Sicht nicht genug, um das 1,5 Grad-Ziel einzuhalten (woxx 1730). Damit dieses Ziel, das uns schon jetzt Wetterkatastrophen – wie allein in diesem Jahr in Nepal, Brasilien, Zentraleuropa, Spanien, Vietnam, Südsudan, Niger, Tschad, … – und Schäden in Milliardenhöhen beschert, nicht endgültig außer Reichweite rückt, müssten Regierungen auf kommenden Gipfeln im Interesse des ganzen Planeten handeln, statt schwierige Details auf folgende Jahre zu vertagen.
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