Kohlenstoffmärkte sollen den Klimaschutz effizienter machen. Doch ihre Schlupflöcher zu schließen und ihren Nebenwirkungen vorzubeugen, ist nicht wirklich erwünscht.
Worüber wird bei der COP28 derzeit verhandelt? Die Klimakonferenz in Dubai, die nächste Woche abschließt, dreht vor allem um Geld und heiße Luft. Genauer gesagt, um Nord-Süd-Finanzflüsse wie die Fonds für Klimaschäden (siehe Kasten S. 7 unten) und um CO2-Emissionen, die dringend gesenkt werden müssen. Wieso sind diese Fragen nicht längst geklärt, warum ist das Emissions-Inventar, acht Jahre nach der COP15 in Paris katastrophal? Wie war es möglich, dass nach dem Kyoto-Protokoll von 1997 der Ausstoß von Klimagasen über ein Vierteljahrhundert weiter anstieg?
Ein Erklärungsansatz ist in den Augen vieler Expert*innen bei den Kohlenstoffmärkten zu suchen, die es Ländern und Unternehmen im globalen Norden ermöglicht haben, „sich freizukaufen“. Die Theorie dieser Märkte besagt, es sei egal, ob CO2 in Luxemburg oder in Liberia eingespart wird. Effizienter Klimaschutz solle deshalb dort stattfinden, wo er am preisgünstigsten ist. Das aber hat nicht funktioniert, hält das Klima-Newsportal Carbon Brief fest und zitiert den jüngsten Bericht des Weltklimarats, laut dem die CO2-Gutschriften „insbesondere am Anfang nicht zu zusätzlichen Emissionssenkungen in den Zielländern geführt und damit unterm Strich den globalen CO2-Ausstoß erhöht haben“. Trotzdem soll jetzt dieses Instrument ausgebaut werden: Der Artikel 6 über Klimakompensation (Carbon Offsetting) ist ein wichtiges, wenn auch wenig beachtetes Verhandlungsthema bei der COP28.
Emissionen im Norden kompensieren? Eigentlich sind die guten Offset-Projekte schon für das 1,5-Grad-Ziel unabdingbar.
Dieser Artikel 6 ist Teil des Pariser Abkommens und umschreibt Markt und Freikaufen mit „freiwilliger Zusammenarbeit“ beim Klimaschutz. Er sieht einen von der UN regulierten globalen Markt vor, zusätzlich sind aber „auf freiwilliger Basis“ nicht regulierte Geschäfte mit CO2-Gutschriften möglich. Das ist erst einmal eine Fortschreibung oder gar Verschlechterung der im Kyoto-Protokoll vorgesehenen Marktmechanismen. Allerdings bestünde die Möglichkeit, diese Mechanismen strenger zu regulieren – genau darum geht es bei den komplexen Verhandlungen. Der Thinktank Carbon Market Watch zum Beispiel beschreibt, wo man nachbessern könnte, aber auch, wie groß das Interesse ist, sich anhand dieser Märkte am Klimaschutz vorbeizumogeln. Die offizielle Rhetorik ist natürlich eine andere: Artikel 6 ermutige die Staaten, sich ambitioniertere Ziele zu setzen, die sie dann ökonomisch effizienter erreichen können.
Scharfe Kritik an den Kompensationen gibt es insbesondere von Dritt-Welt-NGOs wie der luxemburgischen „Action Solidarité Tiers Monde“ (siehe Artikel S. 7). Dabei wird die Effizienz der Mechanismen in Frage gestellt und vor allem deren Nebenwirkungen angeprangert: Der Norden bemächtige sich auf neokoloniale Art der CO2-Potenziale im Süden und trete dabei die Rechte der lokalen Bevölkerung mit Füßen. Trüge man dieser Kritik Rechnung, so würden die CO2-Gutschriften vermutlich unattraktiv, weil teuer und selten. Das wäre gut, denn eigentlich sind korrekt durchgeführte Offset-Projekte sowieso für das 1,5-Grad-Ziel unabdingbar (und können nicht auch noch Emissionen im Norden kompensieren).
Der Markt will es anders: Statt ambitionierter CO2-Reduktionsziele gehen die Staaten zuerst möglichst wenig Verpflichtungen ein, um sodann möglichst viel davon über Offsets einzulösen. Die Nachfrage erschafft ein Angebot an Projekten, die meist nur heiße Luft sind. Was dann kommt: Die Klimaziele werden verfehlt und der Temperaturanstieg vernichtet auch noch die wenigen effektiven Offset-Projekte, deren Negativ-Emissionen verbrennen oder vertrocknen – ein Teufelskreis. Immerhin: Die Kosten wurden gesenkt – für einen Klimaschutz, der keiner war.