Dieselgate: EU-Kommission soll künftig strenger kontrollieren

Das Europaparlament zog diese Woche Bilanz aus dem VW-Skandal. Nationale und EU-Behörden sind ihrer Aufsichtspflicht nicht nachgekommen, so das Urteil. Eine Mehrheit des Parlaments sprach sich jedoch gegen eine europäische Kontroll-Behörde aus.

(Foto: EU/AP/Corepics VOF)

Als am Dienstag im Plenum des Europaparlaments das Resümee des Untersuchungsausschusses zum VW-Skandal gezogen wurde, drehte sich die Debatte vor allem um eine Frage: Braucht die EU eine neue unabhängige Behörde, die den nationalen Zulassungsstellen auf die Finger schaut?

Ja, sagte dazu eine Mehrheit im Untersuchungsausschuss, und Sozialdemokraten legten zusammen mit Grünen dem Parlament ein entsprechendes Gesetzesprojekt zur Abstimmung vor. Am Ende scheiterte der Vorschlag jedoch am Widerstand der Liberalen und Konservativen. Es wurde mit 351 gegen 309 Stimmen abgelehnt.

Stattdessen stimmte die Mehrheit der 751 EU-Abgeordneten dafür, der Kommission mit einer neuen Zulassungsdirektive mehr Kontrollrechte einzuräumen. In dieser Direktive, über die ebenfalls am Dienstag abgestimmt wurde, kann die Kommission nun die Arbeit der nationalen Behörden überprüfen. Zudem müssen sich die Mitgliedstaaten dazu verpflichten, mindestens 20 Prozent der Autotypen, die im Vorjahr auf dem Markt zugelassen wurden, zu testen. Werden gefälschte Testresultate nachgewiesen, kann die Kommission Strafen von bis zu 30.000 Euro pro Fahrzeug verhängen.

Interessenkonflikte in der EU-Kommission

Eine neue europäische Behörde zu gründen, bedeute zusätzlich Bürokratie und mehr Belastung für die Steuerzahler, sagte während der Debatte der Europaabgeordnete Jens Gieseke. „Viel effizienter könnte diese Arbeit von der Kommission übernommen werden“, so der deutsche Christdemokrat.

Der VW-Skandal habe jedoch gezeigt, dass die Kommission „Teil des Problems sei“, erwiderte darauf der Grüne Bas Eickhout. „Immerhin ist der Kommission im Bericht des Untersuchungsausschusses des Parlaments in sieben Fällen Misswirtschaft nachgewiesen worden“, sagte der Niederländer. Tatsächlich lässt der Bericht den Schluss zu, dass der VW-Skandal auch von der Europäischen Kommission anstatt von amerikanischen Behörden hätte aufgedeckt werden können. Denn in den 47 Anhörungen des Untersuchungsausschusses sammelten die Abgeordneten unter anderem Beweise dafür, dass Brüssel ausreichend Hinweise für Betrügereien bei Emissionstests vorlagen. Dies deutet auf einen kommissionsinternen Interessenkonflikt hin. „Die Testlabors der Kommission hatten bereits 2010 die nötigen Hinweise, die später den VW-Skandal auslösten“, sagt der Luxemburger grüne EU-Abgeordnete Claude Turmes. „Doch die Industrieabteilung weigerte sich, ihnen nachzugehen.“

So forderte etwa der Leiter der Generaldirektion Umwelt der Kommission im November 2014 seinen Kollegen der Industrie-Abteilung auf, „die Rechtmäßigkeit der Abschalteinrichtungen, die manche Autohersteller bei Emissionstests einsetzen“, zu überprüfen. Tests wurden jedoch im Anschluss nicht in Auftrag gegeben. Gleichwohl wies der damalige Industriekommissar und heutige Parlamentspräsident Antonio Tajani im Ausschuss jede Mitwisserschaft über den Einsatz von illegalen Mitteln bei Emissionstests von sich.

Um Interessenskonflikte innerhalb der Kommission zu vermeiden, solle künftig der für Luftverschmutzung zuständige Umweltkommissar nun auch für die Emissionen des Straßenverkehrs verantwortlich werden, lautet deshalb eine der Empfehlungen des Untersuchungsausschusses. Bislang ist hierfür der Industriekommissar zuständig. „Dies ist eine unserer wichtigsten Schlussfolgerungen“, sagt der Liberale Jan-Gerben Gerbrandy gegenüber der woxx. Es sei kein Geheimnis, dass sich der Industriekommissar mehr den Interessen der Industrie verpflichtet fühle, fügt Gerbrandy hinzu.

„Die Automobilindustrie hat ihr Verhalten nach dem VW-Skandal nicht geändert“, sagte die zuständige EU-Kommissarin Elzbieta Bienkowska während der Parlamentsdebatte am Dienstag. „Wir wissen, dass viele Autobauer weiterhin Abschalteinrichtungen einsetzen, um die Zulassungsstellen auszutricksen“, erklärte auch die deutsche EU-Abgeordnete Rebecca Harms (Grüne) in einer Pressekonferenz vergangene Woche in Brüssel. Einer von den Grünen in Auftrag gegebene Studie nach erhärtete sich bei 80 in Deutschland neu zugelassenen Autotypen der Emissionsklasse Euro 5 und Euro 6 der Verdacht, dass Abschalteinrichtung bei den Emissionstests zum Einsatz kamen.

Europäische Konsumenten gehen bislang leer aus

Die Forderung nach einer Entschädigung der Konsumenten wurde erst nachträglich hinzugefügt. Ein Rückruf der betroffenen Fahrzeuge sei keine ausreichende Form des Schadensausgleichs, heißt es im nun verabschiedeten Text.

Im Gegensatz zu den US-Verbrauchern gehen die über acht Millionen geschädigten VW-Kunden in Europa bislang leer aus. „Die Uhr tickt für die europäischen Verbraucher“, sagt Ursula Pachl vom Europäischen Konsumentenschutzbüro in Brüssel im Hinblick auf die schon bald auslaufenden Gewährleistungsfristen. Gruppenklagen, wie sie in den USA eingeleitet wurden, sind in vielen Ländern der EU juristisch nicht möglich oder aber zu kostspielig. Bislang wurden lediglich in Belgien, Italien, Spanien und Portugal Sammelklagen eingereicht. In den meisten Fällen seien diese Klagen noch nicht über die Phase der Zulassung hinausgekommen, so Pachl. Dass bislang deutsche Behörden keinen Druck auf VW ausgeübt haben, hält sie für ausschlaggebend dafür, dass VW sich weiterhin weigert, Entschädigungen zu zahlen. Doch auch der Umgang mit der Forderung nach Entschädigungszahlungen ist im Europaparlament umstritten.

Wer Kompensationen fordert, müsse auch dazusagen, dass „dadurch Hunderte von Arbeitsplätzen in Europa gefährdet werden“, erklärte etwa Jens Gieseke im Straßburger Plenum. Bas Eickhout hielt dagegen: Es sei vielmehr der durch den Skandal verursachte Vertrauensverlust der Kunden gegenüber der Automobilindustrie, der zu Schaden führe.


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