Infrastruktur: Große Pläne

Am Dienstag bewilligte das Parlament 33 neue große Infrastrukturprojekte, darunter auch so einige neue Straßen. Große Differenzen gab es jedoch nicht.

An solche Bilder müssen sich die Luxemburger*innen gewöhnen: Baustellen für die Tram werden die nächsten Jahre zum Stadtbild dazugehören. (Foto: Luxtram)

Eigentlich stand eine Orientierungsdebatte über die großen Infrastrukturprojekte auf der Tagesordnung des luxemburgischen Parlaments, aber so richtig debattiert wurde kaum. Das ist aber nicht unbedingt ungewöhnlich, denn eine solche Debatte findet regelmäßig statt. 2006 beschloss die Budget-Kontrollkommission des Parlaments, dass die Abgeordneten jedes Infrastrukturprojekt, das den Staat mehr als 7,5 Millionen Euro kostet, absegnen muss. Projekte über 40 Millionen Euro verlangen außerdem ein spezielles Finanzierungsgesetz und ministerielle Berichterstattung an die zuständige Kommission. Die Idee dahinter war, dem Parlament damit eine bessere Mitbestimmung und Kontrolle über staatliche Bauprojekte zu ermöglichen. Besonders das Phänomen, dass Infrastrukturprojekte sich in Millionengräber beziehungsweise finanzielle Löcher ohne Boden verwandeln, sollte damit eingedämmt werden.

Aber bereits drei Jahre später erhöhte das Parlament den Betrag, über den eine Debatte stattfinden muss, auf 10 Millionen Euro. War die ganze Mitbestimmung und Kontrolle dann doch zu viel Arbeit? Wer die Orientierungsdebatte am Dienstag verfolgte, konnte diesen Eindruck gewinnen. 33 Projekte standen auf der Liste, neben einem neuen Kontrollturm für den Flughafen Findel und Erweiterungen von Schulen und Gefängnissen, vor allem Straßen. „Breit gestreut“ nannte Berichterstatter Carlo Back (Déi Gréng) das. Die Debatte, die seiner detailreichen Aufzählung aller Projekte folgte, beschäftigte sich aber vor allem mit der Mobilitätspolitik im Großherzogtum.

Die Projekte im Transportbereich, die das Parlament guthieß, sind tatsächlich etwas breiter gestreut. So standen Umgehungsstraßen, „Entlastungsstraßen“, neuartige variable Busspuren, aber auch Rückbauten und viele Umbauarbeiten für die Straßenbahn in Luxemburg-Stadt auf dem Menü. Wie bereits bei der Vorstellung des Mobilitätskonzeptes Modu 2.0 angekündigt, wird auf der Strecke Gonderange-Waldhof-Kirchberg eine variable Busspur gebaut. In den Morgenstunden wird diese in Richtung Luxemburg-Stadt, in den Abendstunden in Richtung Osten befahren, damit der öffentliche Transport nicht im Berufsverkehr stecken bleibt.

Handzahme Opposition

War die Aufzählung der einzelnen Projekte nicht besonders aufregend, so hätte es ja zumindest die anschließende Debatte werden können. Wollte die CSV irgendwann demnächst damit anfangen, eine bissige Oppositionsarbeit zur blau-rot-grünen Regierung zu machen, so war sie am Dienstag dazu noch nicht bereit. Möglicherweise lag es auch daran, dass Serge Wilmes, der in der Wahl zum Parteipräsidenten ja unterlegen war, der Redner war. Der wirkte auf jeden Fall eher „staatstragend“ und wenig angriffig.

Die CSV unterstützte jedes der Infrastrukturvorhaben, nicht einmal zur schnellen Tram nach Esch gab es kritische Anmerkungen, sondern sogar noch die Nachfrage, ob das Projekt nicht etwas schneller vorankommen könnte. Wilmes hob die Umgehungsstraßen als Möglichkeit, Platz für den öffentlichen Transport zu schaffen, hervor. Die konservative Zustimmung zum Bauprogramm der Regierung könnte allerdings auch damit zusammenhängen, dass die meisten Projekte keine sonderlich ambitionierte Mobilitätspolitik widerspiegeln, sondern eine Anpassung an die aktuellen Bedürfnisse – ohne dass eine große Verkehrswende eingeplant wäre.

Auch dass die Redner der LSAP, Yves Cruchten und Dan Biancalana, sowie der DP, Max Hahn, nur Lob für die Infrastrukturprojekte fanden, verwunderte nicht. Letzterer bewies jedoch ein sehr kurzes politisches Gedächtnis. „Niemand hat je behauptet, der kostenlose öffentliche Transport würde Leute zum Umsteigen bewegen“, hielt er Kritiker*innen desselben entgegen. Hahn scheint das Wahlprogramm, für das er gewählt wurde, nicht besonders gründlich gelesen zu haben, immerhin hieß es dort: „Um mehr Menschen zu ermutigen, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, wird die DP landesweit den gratis öffentlichen Transport einführen.“

Foto: CC-BY-SA GilPe/Wikimedia

Die Tram polarisiert noch immer

Kritik hagelte es hingegen von der ADR. Jeff Engelen gab zwar an, dass ein Großteil der Projekte die Zustimmung der vier rechtspopulistischen Abgeordneten erhalte, aber nicht alle. Er beklagte, Luxemburg sei ein „Opfer seines Wachstums“ und forderte, „dringend einen parteiübergreifenden Zukunftstisch zum Thema Wachstum“ zu organisieren. Die Anti-Wachstumsrhetorik stieß jedoch bei einigen Forderungen der ADR an ihre logischen Grenzen: Die Umgehungsstraße rund um Echternach müsse noch größer werden, die Steuerverwaltung brauche ein größeres neues Gebäude statt lediglich eines renovierten und die „Nordstrooss“ müsse vierspurig ausgebaut werden. Das entfachte ein kleines Wortgefecht mit Minister François Bausch (Déi Gréng), in das sich auch Gaston Gibéryen einmischte – einer der wenigen Momente, in denen die Orientierungsdebatte ihrem Namen halbwegs gerecht wurde. Statt einer schnellen Tram nach Esch forderte Engelen, dass die Möglichkeit einer Monorail geprüft werde.

Die schnelle Tram war auch der Grund, weswegen die Piratepartei sich bei der anschließenden Abstimmung enthielt. War die Monorail in der Vergangenheit noch im woxx-Interview im Oktober 2018 das Transportmittel der Wahl für Sven Clement, so optierte sein Kollege Marc Goergen am Dienstag im Parlament für einen „Expresszug“ zwischen Luxemburg-Stadt und Esch, mit dem die Strecke in 20 (statt wie bisher 24) Minuten zurückzulegen wäre. Die schnelle Tram sei nämlich ein Millionengrab. Außerdem forderte der Abgeordnete der Piratepartei, Park and Ride-Anlagen im Ausland statt nahe der Grenzen zu errichten. Déi Lénk stimmten den Infrastrukturprojekten zwar zu, meldeten sich jedoch nicht zu Wort.

Die dynamischen Spuren, die erst einmal den Osten des Landes beglücken, sollen später auch auf der Côte d’Eich in Luxemburg-Stadt eingesetzt werden, wie der zuständige Minister ankündigte. Dabei sollen nicht nur Busse je nach Verkehrssituation Spuren in verschiedene Richtungen nutzen, sondern der gesamte motorisierte Verkehr. Beispiele für solche dynamischen Spuren gibt es vor allem aus den USA, dort wird die Idee aber eher auf Autobahnen angewendet. Zur Trennung der Spuren werden verschiedene Methoden verwendet, von beweglichen Barrieren (etwa auf der Golden Gate Bridge) bis hin zu LED-Leuchten im Straßenbelag (im neuseeländischen Auckland).

Die Philosophie, die dahinter steckt, scheint ein koalitionsinterner Kompromiss zu sein: Weder wird zu stark in die vermeintliche Freiheit der Autofahrer*innen eingegriffen, noch werden allzu viele neue Straßen gebaut. Wobei nicht vergessen werden sollte, dass das Regierungsprogramm eine lange Liste an neuen Umgehungsstraßen vorsieht, die eher mehr Verkehr anziehen werden. Bausch vermied es, über diese zu sprechen und verriet stattdessen einige Details zu laufenden Projekten. Auf der A6 („Areler Autobunn“) könnte bald in Spitzenstunden die Pannenspur für Busse freigegeben werden, denn auch in Belgien laufe ein solches Projekt.

Den Umbau des Bahnhofs Luxemburg-Stadt strich der Minister ebenfalls hervor. Künftig sollen keine Überlandbusse mehr vor dem Bahnhof halten, sondern bei einem Busbahnhof in Bonneweg. Das fünfte Gleis, das Entlastungen für den überstrapazierten Bahnhof bringen soll, sei Ende des Jahres fertig. Was den Ausbau der Tram angeht, so will Bausch die „avant-projets détaillés“ für jede Verlängerung bis zum Ende der Legislaturperiode fertig haben. Zum Schluss wurde der Minister dann auch ein wenig ambitionierter: Im Moment würde er prüfen lassen, ob der PKW-Verkehr auf der „Rocade de Bonnevoie“ nicht unterirdisch gelegt werden könnte. Fußgänger*innen, Radfahrer*innen und ÖPNV oberirdisch, Autos unter Tage – manchmal kann Infrastrukturpolitik zwischen all den Umgehungsstraßen auch richtig utopisch klingen.


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