Interview mit Anastasia Chaguidouline: „Ich will, dass der Cercle inklusiver wird“

Am 5. April beginnt im Cercle Cité die Kurzfilmreihe „Screenings on Inclusion“. Was hinter dem Lunch-Format steckt, verrät Anastasia Chaguidouline, seit Juni 2022 kulturelle Leiterin des Cercle.

Kuratorin Anastasia Chaguidouline, Jahrgang 1993, 
hier beim Aufbau der Retrospektive zu David Lynch zu sehen, nennt die „Screenings on Inclusion“ einen ersten Schritt zu mehr Inklusion im Cercle Cité. (Copyright: Cercle Cité)

woxx: Anastasia Chaguidouline, warum führen Sie die „Screenings on Inclusion“ dieses Jahr ein?


Anastasia Chaguidouline: Das Thema Inklusion beschäftigt mich seit Langem und in meinem ersten Jahr als kulturelle Leiterin im Cercle möchte ich etwas präsentieren, das an die allgemeine Ausrichtung der Gemeinde Luxemburg anknüpft. Immerhin hat die Stadt Luxemburg 2022 den Access City Award der Europäischen Kommission erhalten, der Städte prämiert, die in ihrer städtebaulichen Entwicklung die Zugänglichkeit für Personen mit Behinderungen prioritisieren. Es gibt inzwischen auch den Service intégration et besoins spécifiques – die Stadt will sich demnach in diese Richtung weiterentwickeln.

In den Kurzfilmen geht es nicht nur um Menschen mit Behinderungen, sondern auch um LGBTIQA+-Personen oder Migrant*innen.


Die Ambitionen der Stadt waren eine Inspiration, mich in meiner jetzigen Position weiter mit dem Thema zu beschäftigen. Inklusion ist ein komplexer Bereich, der sich unendlich erkunden lässt.

Warum sind nur Rosa Lëtzebuerg 
und CinEast Partnerorganisationen?


Wie das bei Kurator*innen oft der Fall ist, war das eine subjektive Entscheidung. Ich habe eine Zeit lang in der Schweiz gelebt und gearbeitet, wo die Kulturhäuser während der Pride Week ein vielfältiges Programm anbieten. Dies kam meiner Erfahrung nach gut an. In den luxemburgischen Institutionen ist das noch nicht so präsent und ich möchte dies ändern, unter anderem deshalb habe ich den Kontakt zu Rosa Lëtzebuerg, die die Luxembourg Pride organisiert, gesucht. Außerdem gab es bei der letzten Pride mit dem Queer Arts Festival bereits eine Verbindung zur Kunstszene.

Und das CinEast?


Es ist ein Filmfestival, das pointierte Filme zeigt, letztes Jahr zum Beispiel spannende Beiträge aus der Ukraine. Im Unterschied zu etablierten Festivals wie dem Luxembourg City Film Festival, ist das CinEast noch in einer wirklichen Wachstumsphase. Die Zusammenarbeit hat mich auch gereizt, weil ich mich eher mit Künstler*innen auskenne, die Organisator*innen des CinEast hingegen mehr mit der Filmszene. Wenn die Screenings erfolgreich sind, was ich hoffe, kann ich mir aber durchaus vorstellen für die Planung der nächsten Ausgaben mit Organisationen wie dem CID Fraen an Gender oder Info Handicap zusammenzukommen.

Warum zeigen Sie Kurzfilme?


Es handelt sich um ein Lunch-Format: Statt ausgiebig Mittagessen zu gehen, schaut man sich einen Kurzfilm an – eine andere Art, seine Pause zu nutzen. Ich will damit ein Publikum ansprechen, beispielsweise Pendler*innen, das nach der Arbeit nach Hause fährt und sich nicht noch ins Kino begibt. Gleichzeitig ermöglicht das Format, Videoarbeiten von Künstler*innen sowie Autor*innenfilme zu zeigen, deren Laufzeit oft unter einer Stunde liegt, weil sie an unterschiedlichen Orten funktionieren müssen: in einer Ausstellung, auf einer Biennale, auf der großen Leinwand …

Kurzfilme sind rar gesät in den Kinoprogrammen, oder?


Wenn, dann werden sie eher anlässlich von Kurzfilmabenden gezeigt, an denen die Themen so weit auseinandergehen, dass das Publikum am Ende nicht mehr weiß, was es sich gerade angeschaut hat. Dabei sollten Kurzfilme genauso zelebriert werden wie Spielfilme.

Illu: Cercle Cité

Nach welchen Kriterien haben Sie die Filme ausgewählt?


Als Kurator*in fängt man nie bei null an, sondern baut sein Konzept auf einer Idee oder bestimmten Künstler*innen auf. Hier war das ähnlich: In diesem Kontext war das „Army of Love“ von Alexa Karolinski und Ingo Niermann. Ich habe meinen Master bei Niermann gemacht und das Projekt der beiden hat mich berührt. Das Gleiche gilt für „Fashions“ von Keren Cytter: Es hat mich bewegt, wie verschiedene Themen in dieser Videoarbeit ausgeschöpft wurden. In beiden Fällen hatte ich Kontakte, die es mir ermöglichten an das Material zu kommen, was sich aus praktischen Gründen auch auf meine Wahl ausgewirkt hat.

Warum der Verzicht auf luxemburgische Produktionen?


Rosa Lëtzebuerg, denen ich eine Carte Blanche angeboten hatte, wollte unbedingt einen luxemburgischen Kurzfilm zu LGBTIQA+ vorstellen. Leider haben wir nichts gefunden, was pointiert genug ist. Auf Wunsch der Organisation habe ich am Ende einen französischsprachigen Film aus der Schweiz ausgewählt, „Je crie ton nom“ von Oskar Rosetti. Es gibt im Ausland einen leichteren Zugang zu Filmen über Inklusion. Das CinEast hat sich, gemäß seiner Ausrichtung auf zentral- und osteuropäische Filme, ebenfalls für zwei internationale Produktionen (Tempo Home; Written/Unwritten) entschieden. Es ist für mich kein Problem, dass diese Ausgabe also international ist, ich finde das sogar schön. Es ist mir wichtig, in Luxemburg verankert zu sein, aber wir dürfen uns deswegen internationalen Beiträgen gegenüber nicht verschließen. Ich selbst wollte Filme zeigen, die mich während meiner Zeit im Ausland beeindruckt haben, und von denen ich weiß, dass sie in Luxemburg noch nicht gezeigt wurden. Ich könnte mir jedoch vorstellen bei einer nächsten Edition mit luxemburgischen Künstler*innen, wie zum Beispiel Karolina Markiewicz und Pascal Piron, zusammenzuarbeiten.

Wird Inklusion allgemein großgeschrieben im Cercle?


Was ich gut finde ist, dass alle Räumlichkeiten für Menschen mit Behinderung zugänglich sind – das ist keine Selbstverständlichkeit. Ich will dennoch, dass der Cercle inklusiver wird. Ich habe mir zu Beginn meiner Anstellung das Programm angeschaut und es auf Diversität analysiert … Es gibt sicherlich Verbesserungsbedarf. Wir hatten jetzt unglücklicherweise zwei große Retrospektiven zu männlichen Künstlern, Gast Michels und David Lynch, hintereinander. Mit der Ausstellung „Rethinking Identity, Family, Community“ im Rahmen des European Month of Photography kommt im Mai jedoch mehr Diversität in den Cercle: Der Großteil der Künstler*innen sind Frauen, einige davon arbeiten zu Nicht-Binarität. Auch für Ende des Jahres ist eine Gruppenausstellung geplant, in der die gezeigten Arbeiten fast zu neunzig Prozent von Frauen stammen.

Sind die Screenings also nur der Anfang?


Mit den „Screenings on Inclusion“ wage ich einen ersten Schritt. Die Idee war deswegen zunächst auch nicht, einen Zyklus zu einem spezifischen Aspekt der Inklusion zu planen, sondern die Komplexität des Themas aufzuzeigen. In Zukunft will ich darauf achten, dass Inklusion und Diversität zu den Leitthemen unserer Konferenzen, Partnerschaften und Events gehören, sich aber auch in unserer Kommunikation niederschlagen, beispielsweise durch die Anwendung inklusiver Sprache.

Screenings on Inclusion, im Auditorium des Cercle Cité in Luxemburg-Stadt. Vorstellungsbeginn um 12:30 Uhr. Weitere Informationen auf cerclecite.lu

Screenings on Inclusion

Army of Love, am 5. April
Je crie ton nom, am 5. Juli
Tempo home + Written/
Unwritten, am 11. Oktober
Fashions, 13. Dezember


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