Februar 2024: Willis Tipps

Die Emotion des Fado

Ihre erste Platte erschien im Januar 2020 und jetzt erst, nach vier Jahren, kommt ihr neues Album heraus. Um genau zu sein: Ihre erste Veröffentlichung war bereits 2014, allerdings unter dem Namen Carolina. 2020 kehrte sie zurück zu ihrem Geburtsnamen Lina_, aber mit dem markanten Unterstrich am Wortende. Lina_ gehört ohne Frage zur Spitzenklasse der Interpret*innen des portugiesischen Fado, sticht aber mit ihrer ganz besonders berührenden, intimen Emotionalität heraus. 2020 erarbeitete sie mit dem spanischen Musiker und Produzenten Raül Refree eine minimalistisch-elektronische Form von Fados der legendären Amália Rodrigues. Jetzt, auf Fado Camões, setzt sie Gedichte des in Portugal verehrten Dichters des 16. Jahrhunderts Luís Vaz de Camões in Töne. Hier leitet der umtriebige Brite Justin Adams die Produktion und spielt bisweilen die E-Gitarre. Was geblieben ist, sind tiefe elektronische Sounds, die einige Stücke unterfüttern; neu sind die akustischen Instrumente, wie die portugiesische Gitarre, die auf der Produktion von 2020 ganz fehlten. Einige Lieder klingen ähnlich melancholisch wie auf dem Vorgängeralbum, andere sind beschwingter. Wieder ein sehr schönes Album der Fadista mit der unverwechselbaren Stimme.

Lina_ – Fado Camões – Galileo

Mongolisch-italienische Zusammenarbeit

Wenn kompetente Musiker*innen unterschiedlicher Herkunft zusammentreffen, die in der heimatlichen Tradition verwurzelt sind, aber ihre Antennen auch zu anderen Regionen des Globus ausrichten, kann Außergewöhnliches entstehen. So ist das auch auf dem Album Persephone. Die in Deutschland wohnende Mongolin Urna Chahar-Tugchi, von der berichtet wird, sie besitze einen Stimmumfang von vier Oktaven, hat in den letzten Jahren immer wieder genreübergreifende Kooperationen gesucht, so zum Beispiel mit der polnischen Klezmerband Kroke. Auf dem aktuellen Album trifft sie auf zwei vielseitige Italiener. Stefano Saletti, der eine ganze Anzahl unterschiedlicher Saiteninstrumente beherrscht, erkundet seit Jahrzehnten mit seinem Ensemble Banda Ikona und anderen Formationen den ganzen Mittelmeerraum. Luigi Cinque ist ein Virtuose auf Blasinstrumenten mit Jazzerfahrung. Mit zusätzlicher Perkussion und dezenten Electronics begeben sich die drei auf eine musikalische Reise, die von verschiedenen Teilen Europas bis tief nach Asien reicht. Da entsteht eine Mischung, in der die unterschiedlichen Elemente eine hochinteressante, oft magische Verbindung eingehen. Fusion-Weltmusik der ganz feinen Art!

Luigi Cinque, Stefano Saletti, Urna Chahar-Tugchi – Persephone – Meteriali Sonori

Elektro-Trad aus Venezuela

Vor geraumer Zeit schon gelangte elektronische Rootsmusik aus Lateinamerika nach Europa, wie vom kolumbianischen Ensemble Bomba Estério und der Argentinierin La Yegros. Jetzt gibt es hier ein Album (digital & Vinyl) aus Venezuela vom Duo Mito y Comadre. Die Sängerin Shanna Hernández (Comadre) und Guillermo Lares alias Mito, der alle möglichen – auch traditionelle – Instrumente bedient, trafen in Bogotá, Kolumbien aufeinander und dort nahm sie der renommierte Produzent Christian Castagno (unter anderem Iggy Pop, Arcade Fire) unter seine Fittiche. Mit einer Reihe von Studiomusiker*innen und unter Einbeziehung von Electronics entstand das Debutalbum Guajirando. Guillermo Lares hat beste Beziehungen zu den venezolanischen musikalischen Traditionen, da er das Archiv betreut, das sein Vater, ein Musikwissenschaftler, auf seinen Reisen durch die verschiedenen Regionen Venezuelas zusammengetragen hat. Die neun Songs stammen teils aus diesem Archiv, teils beziehen sie sich darauf. Man hört eine Reihe typischer Instrumente wie Cuatro und Marimba, eingebettet in elektronische Sounds. Eine gelungene, moderne Form von Latin Music aus Venezuela.

Mito y Comadre – Guajirando – ZZK Records

Vom Nahen Osten bis nach Ostasien

Das Septett, das unter dem Namen Aga Khan Master Musicians firmiert, verbindet Musik vom Nahen Osten über Zentralasien bis nach China. Die Gruppe entstand unter der Schirmherrschaft des renommierten Aga Khan Music Programms, das traditionelle Musik von muslimischen Musiker*innen fördert. Auf dem Album Nowruz finden sich Virtuos*innen mit bekannten Namen, wie die Spielerin der chinesischen Pipa-Laute Wu Man und der tadschikische Dutar-Meister Sirojiddin Juarev; weitere traditionelle Instrumente wie Kanun, Flöten und Perkussion werden hinzugefügt von Jasser Haj Youssef (Tunesien), Abbos Kosimov (Usbekistan), den beiden Syrern Basel Rajoub und Feras Charestan sowie als Gastmusiker der Türke Levent Yildirim. Das Album dieses multinationalen Ensembles enthält Kompositionen, die auf dem arabischen Maqam-Repertoire fußen bis hin zu zentralasiatischen und chinesischen Formen. Dass das trotzdem harmoniert, liegt daran, dass es über Jahrhunderte hinweg von Nordafrika bis Ostasien auch einen musikalischen Austausch gab. Ein meisterlich eingespieltes Album mit faszinierender Musik, die man hier viel zu selten hört!

Aga Khan Master Musicians – Nowruz – Smithsonian Folkways Recordings

Transglobal World Music Chart Februar –  Top 20

1. Bombino · Sahel · Partisan
2. Batsükh Dorj · Ögbelerim: Music for My Ancestors · Buda Musique
3. Shakti · This Moment · Abstract Logix
4. Bixiga 70 · Vapor · Glitterbeat
5. Ary Lobo · Ary Lobo 1958-1966 · Analog Africa
6. Koum Tara · Baraaim El-Louz · Odradek
7. Frank London’s Klezmer Brass Allstars · Chronika · Borscht Beat
8. Hysterrae · Hysterrae · Linfa
9. Mari Boine & Bugge Wesseltoft · Amame · By Norse Music
10. Sidiki Camara · Return to the Traditions · Global Sonics
11. Almir Mešković & Daniel Lazar · Family Beyond Blood · ALDA
12. Petroloukas Halkias & Vasilis Kostas · The Soul of Epirus Vol. II · Artway / Technotropon
13. Casapalma · Montañesas · Raso
14. Idrissa Soumaoro · Diré · Mieruba
15. La Sève · Chlorophylle · King Tao
16. Aga Khan Master Musicians · Nowruz · Smithsonian Folkways Recordings
17. Carola Ortiz · Cantareras · Segell Microscopi
18. Okavango African Orchestra · Migration · Okavango African Orchestra
19. Lenhart Tapes · Dens · Glitterbeat
20. Luzmila Carpio · Inti Watana / El Retorno del Sol · ZZK

Die TWMC TOP 20/40 bei: www.transglobalwmc.com, Facebook „Mondophon auf Radio ARA“ und woxx.lu

 


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