Soziale und umweltpolitische Verschlechterungen, das befürchten die NGOs infolge des am 17. Juli unterzeichneten Freihandelsabkommens zwischen der EU und Japan
Die Unterzeichnung des Freihandelsabkommens zwischen der EU und Japan wurde in vielen Mainstream-Medien als Symbol der Weltoffenheit gefeiert, wie wir bereits in der Print-Ausgabe vom 20. Juli berichtet haben (Contre Trump et contre l’humanité). Doch die, die sich für fortschrittliche Politiken einsetzen, haben wenig Grund zum Feiern.
Zur Erinnerung: Als die NGO-Plattform „Stop Ceta & TTIP“ im Mai ihre Wahlforderungen vorstellte, ging sie detailliert auf das Jefta (Japan-EU Free Trade Agreement) ein. Weil dieses Abkommen „de facto dem CETA-Abkommen gleichzusetzen“ sei, forderten die NGOs Regierung und Parteien auf, es abzulehnen (Online-woxx: Gegen ein CETA-bis-Abkommen mit Japan!).
Jefta = Japan + Ceta
Von einem „Abkommen für die Multis“ spricht die französische alternative Wochenzeitung Politis, weil es keineswegs nur darum gehe, Europäer*innen den Kauf japanischer Autos und Japaner*innen den Zugang zu französischen Käse zu erleichtern. Der mit 600 Millionen Konsument*innen größte Markt der Welt soll auch die Ausschreibungsverfahren internationalisieren, was zum Beipiel japanischen Konzernen es ermöglicht, sich für europäische Eisenbahnprojekte zu bewerben.
Die für große Konzerne wichtigen, von den NGOs kritisierten Investitions-Schiedsgerichte (ISDS) sind allerdings nicht Teil des Jefta. Nicht etwa, weil die EU-Kommission die damit verbundenen Probleme ernst nimmt, sondern weil sie das Abkommen nur den europäischen Instanzen und nicht den nationalen Parlamenten unterbreiten will. Das Abkommen mit Kanada (Ceta), das Schiedsgerichte vorsieht, konnte deswegen nur teilweise in Kraft treten und muss noch von den Parlamenten der Mitgliedstaaten ratifiziert werden. Weil der – vermutlich nur vorläufige – Verzicht auf ISDS dazu führt, dass über das Jefta kein Parlament außer dem europäischen entscheidet, können sich die NGOs nicht wirklich darüber freuen.
EU hebelt Demokratie aus
Als Konzession an die Zivilgesellschaft werden das Vorsorgeprinzip und der Klimaschutz im Jefta erwähnt. Doch dass das irgendwie verpflichtend oder bindend sein soll, bezweifeln viele NGOs (siehe zum Beispiel das Deutschlandfunk-Interview mit Alessa Hartmann von PowerShift).
Sicher sind sich die NGOs aber, dass die sogenannte regulatorische Kooperation auf Expertenebene ein Instrument darstellt, mit dem die europäischen umweltpolitischen Normen ausgehebelt werden können – im Namen der Harmonisierung und ohne jede demokratische Kontrolle. Auch die erhofften massiven Exporte europäischer Lebensmittel nach Japan sind problematisch. Sie bedeuten ein Festhalten am Modell einer intensiven und globalisierten Landwirtschaft. Die Alternative, eine klimafreundliche, nachhaltige Lebensmittelversorgung mit kurzen Wegen, benötigt keine weltumspannenden Handelsabkommen.
Für Klima und Umwelt: Abwählen!
Auch die Art und Weise, wie die öffentliche Hand Dienstleistungen erbringt, wird durch Jefta in Frage gestellt. Schon auf EU-Ebene machen es die internationalen Ausschreibungen schwierig, umweltfreundliche und soziale Lösungen zu privilegieren. Wenn sich japanische Konzerne in Europa bewerben oder umgekehrt, so dient das gewiss nicht der Stärkung lokaler, nachhaltiger Wirtschaftsstrukturen. Nicht zuletzt bleiben auch die sozialen Standards auf der Strecke – Japan hat die Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation über Zwangsarbeit (1957) und Diskriminierung (1958) nicht unterschrieben.
Die Ankündigung der luxemburgischen NGO-Plattform im Mai, man werde die Glaubwürdigkeit der Parteien auch an ihrer Haltung zu diesem Abkommen messen, scheint diese nicht beeindruckt zu haben. In einem Kommuniqué vom 17. Juli erinnert Déi Lénk daran, dass ihre Motion gegen Jefta „von allen anderen Parteien im Parlament abgelehnt“ wurde. Man darf gespannt sein, ob die Plattform „Stop Ceta & TTIP“, zu der unter anderem Caritas, CGFP, Mouvement écologique, Greenpeace und OGBL gehören, wirklich dazu aufrufen wird, die fünf etablierten „Liberalisierungs-Parteien“ abzuwählen.
Die beiden Kommuniqués der Plattform „Stop Ceta & TTIP“ (Mai 2018).
Die Reaktion von Déi Lénk auf die Jefta-Unterzeichnung.