Klimawandel und Aktienwert
: Gewitterwarnung für Unternehmen

Die wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels beschränken sich nicht auf die durch Katastrophen verursachten Schäden. Eine Schweizer Firma hilft dabei, die Auswirkungen auf den Unternehmenswert abzuschätzen.

Oliver Marchand hat früher für den Schweizer Wetterdienst gearbeitet. Jetzt untersucht er im Auftrag von Managern und Investoren, für welche Unternehmen morgen die Sonne scheint und bei welchen dunkle Wolken am Horizont aufziehen. (Bildquelle: privat)

Tropische Wirbelstürme entstehen über dem Meer und holen sich ihre Energie aus dem Ozean, dessen Temperatur mindestens 26 Grad Celsius betragen muss. Die entstehenden Windgeschwindigkeiten können über 300 Kilometer pro Stunde erreichen. Tropische Wirbelstürme sind großflächig; ihr Durchmesser kann einige Hundert Kilometer betragen. Im Atlantik und in der Karibik nennt man sie Hurricane, im Indischen Ozean und im südlichen Pazifik werden sie Zyklon genannt, und in Ost- und Südostasien heißen sie Taifun.

Zu wenig Baumwolle, 
zu viel Benzin

Sobald ein tropischer Wirbelsturm aufs Festland trifft, gefährdet er das Leben vieler Menschen. Und er richtet großen wirtschaftlichen Schaden an. Bei den Hurricanes Harvey und Irma, die kürzlich den Süden der USA heimsuchten, sollen es bis zu 200 Milliarden US-Dollar gewesen sein. Bestimmte Branchen werden von Naturkatastrophen dieser Art besonders hart getroffen. Man schätzt, dass Harvey die Versicherer zehn bis 20 Milliarden US-Dollar kostet. Irma könnte sogar doppelt so teuer werden.

Keine Frage, der Klimawandel wirkt sich stark auf Wirtschaftsräume und Finanzmärkte aus. Und wird das in Zukunft mehr denn je tun. Denn die Ozeane erwärmen sich weiter, weshalb tropische Wirbelstürme noch häufiger zu erwarten sind. Auch andere Extremwetterereignisse gibt es wahrscheinlich öfter, Starkregen etwa oder Dürreperioden. Auch die haben gravierende ökonomische Folgen. Wird China, größter Baumwollproduzent, von anhaltender Trockenheit heimgesucht, schießt der Preis für den Rohstoff Baumwolle in die Höhe, und die Textilhändler müssen mit Gewinneinbußen rechnen. Es geht aber nicht nur um Extremwetterereignisse, sondern auch um Klimapolitik. Beispiel: Irgendwo tritt ein Gesetz zur Besteuerung von Treibhausgasemissionen in Kraft. Für Mineralölunternehmen ein Problem, denn das CO2-Gesetz kostet sie sehr viel Geld.

Nachhaltig rentabel

Investoren, die sich fragen, was klimatische Veränderungen für ihr Portfolio bedeuten, können sich seit 2015 an das Schweizer Start-up Carbon Delta wenden. Es berechnet, welches Risiko der Klimawandel für den Wert eines Unternehmens darstellt. Climate Value-at-Risk heißt das Produkt. Die Analyse zeigt dem Investor, ob es sinnvoll ist, das Unternehmen im Portfolio zu behalten – oder ob er sich besser von ihm trennt. Es gibt auch regelmäßig Anfragen von Unternehmen, die Analysen zu ihrer eigenen Klimawandel-Resilienz haben wollen. Was aus Sicht von Oliver March

Umbenennen ist einfacher als Umdenken. Die gewaltige Ölpest von 2010 im Golf von Mexiko schwächte den Börsenwert von BP dauerhaft – obwohl die Umbenennung in „Beyond Petroleum“ von 2001 suggerieren sollte, dass der Konzern die Zeichen der Zeit erkannt hat. (Foto: United States Coast Guard)

and, CEO und Mitgründer von Carbon Delta, die Legitimität der Analysen bestätigt. „Für Unternehmen ist es oft schwierig, ihre eigene Position zu beurteilen und genug Arbeitskraft für das Thema Klimawandel zu bündeln.“

Carbon Delta arbeitet mit dem Potsdam Institut für Klimafolgenforschung zusammen. Die Finanzdaten kommen hauptsächlich von der US-Firma Factset. Mittels Verbindung dieser Daten berechnen die Zürcher die Klimarisiken von über 25.000 weltweit tätigen Konzernen. Die Berechnungen bestehen aus Millionen von Datenpunkten und fast 300.000 Zeilen Computercode. „So etwas findet man bei den wenigsten ESG-Datenprovidern“, betont Marchand. ESG steht für environmental and social governance und beschreibt die zentralen Faktoren, die für die Messung von Nachhaltigkeit eines Investments, einer Organisation oder eines Unternehmens herangezogen werden. Entscheidend für Marchand ist die Ausrichtung der Daten: „Wir produzieren nur in die Zukunft gerichtete Kennzahlen. Historische Daten über Unternehmen betrachten wir sehr wenig.“ Zudem analysiere man mit Climate Value-at-Risk den Klimawandel von allen Seiten. Es geht also um Extremwetter, Klimatrends wie Wasserknappheit, Technologien und Klimaschutz-Regulationen, die für Treibhausgasemittenten Kosten verursachen können.

Der Klimawandel ist komplex, logischerweise ist es daher auch jede Analyse zum Klimawandel. Voraussagen macht Carbon Delta keine, vielmehr geht es um einen Stress-Test. Wie wirkt sich ein bestimmtes Klimaszenario auf den Börsenkurs aus? Beispiel: Die Bemühungen, die Erderwärmung auf 2 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau begrenzen, waren erfolgreich. Das Start-up berechnet nun die Menge CO2, die jedes Unternehmen in seiner Datenbank reduzieren müsste, um das 2-Grad-Ziel zu erreichen. Dann multipliziert man das Ergebnis mit dem wahrscheinlichsten Marktpreis von CO2 unter den Marktbedingungen, die bei Einhaltung der 2-Grad-Marke gelten. Marchand: „Das gibt uns einen Anhaltspunkt, wie sich die Kosten im Vergleich zu den Finanzen des Unternehmens bewegen und wie die Kosten den Börsenkurs und den Anleihenkurs beeinflussen.“

Kimapolitik als Damoklesschwert

Klimawandel ignorieren: Tanz auf dem Vulkan für Manager und Investoren. (Foto: Wikimedia / Robin Holcomb, USGS / PD)

Marchand hat früher beim Schweizer Wetterdienst ein Gewitterwarnsystem entwickelt. Er sieht Gemeinsamkeiten mit der heutigen Klimarisikoanalyse, obwohl Climate Value-at-Risk eher ein ökonomisches Modell ist. Das jedoch zu sehr unangenehmen Erkenntnissen führen kann. Marchand: „Wir haben Unternehmen in unserem System, die unter einem 2-Grad-Szenario so gut wie wertlos wären.“ Der Klimawandel kann einem Unternehmen also die komplette Geschäftsgrundlage entziehen.

Doch wen trifft es am härtesten? Oft werden Kohle und Öl/Gas-Unternehmen genannt, auch Energieproduzenten. Laut Marchand sind aber noch viele andere Industriezweige betroffen. Zum Beispiel große CO2-Emittenten – Zement, Stahl, Aluminium, und Unternehmen, die den physischen Folgen des Klimawandels ausgesetzt sind: Landwirtschaft, Immobilien, Versicherungen. Auch Airlines wie Lufthansa müssen aufpassen. Der Anpassungsdruck – Geschäftsmodell überdenken, auf regenerative Energien umsteigen – wird immer weiter steigen. Carbon Delta liefert die Zahlen dazu. Sie zeigen Unternehmen, was das Verharren in alten Strukturen kosten kann. Marchand glaubt, dass sich die Klimarisikoanalysen durchsetzen: In wenigen Jahren werden sie so normal sein wie ein Kreditrating.

 


Katholisch fürs Klima


Mehrere katholische Institutionen wollen nicht mehr in die Aktivitäten der fossilen Brennstoffkonzerne investieren, teilte Fossil Free Deutschland im Vorfeld der COP23 mit, die am 6. November in Bonn beginnt.

Ein Zusammenschluss 40 katholischer Institutionen hat heute bekanntgegeben, seine Gelder aus Kohle, Öl und Gas abzuziehen. Es handelt sich um die bisher größte gemeinsame Divestment-Bekanntmachung katholischer Organisationen. Die Institutionen sind über fünf Kontinente verteilt und stammen aus unterschiedlichsten Bereichen, von einer heiligen Stätte über den Finanzbereich bis hin zu weiteren kirchlichen Einrichtungen.
Die katholischen Institutionen haben sich entschieden, fossile Brennstoffkonzerne nicht weiter zu unterstützen, weil ihnen der Umweltschutz ein gemeinsames Anliegen ist und sie sich mit finanzieller Weitsicht auf eine CO2-neutrale Wirtschaft vorbereiten wollen.
Unter den Institutionen befindet sich die deutsche Bank für Kirche und Caritas eG. Sie ist eine der ersten katholischen Banken der Welt, die ihre Gelder aus fossilen Brennstoffen abziehen. Die Bank, die eine Bilanzsumme von 4,5 Milliarden Euro hat, macht Schluss mit Kohle, Teersand-Öl und Ölschiefer, weil das ebenso moralisch geboten ist wie finanzpolitisch verantwortungsvoll.
„Als katholische Kirchenbank fühlen wir eine starke Verantwortung, dazu beizutragen, den Klimawandel zu bewältigen. Zum einen wenden wir als katholischer Akteur an den Finanzmärkten christliche Werte in unserer täglichen Geschäftspraxis an. Die Unversehrtheit der Schöpfung und Klimaschutz sind Themen, wofür wir uns schon lange vor der Enzyklika Laudato Si von Papst Franziskus eingesetzt haben. Zum anderen sind wir als Bank für katholische private und institutionelle Kunden sowie gemeinnützige Stiftungen davon überzeugt, dass es unsere treuhänderische Pflicht ist, nachhaltige Kriterien in all unsere Investitions- und Sparprodukte zu integrieren. In diesem Sinne wollen wir uns öffentlich verpflichten, Investitionen zu veräußern, die im Zusammenhang mit hochverschmutzenden fossilen Brennstoffen wie Kohle, Teersand und Ölschiefer stehen. Wir ermutigen andere katholische Investoren, sich der Divestment-Bewegung anzuschließen“, so Tommy Piemonte, Nachhaltigkeitsforscher der Bank für Kirche und Caritas eG. (…)

Fossil Free / Global Catholic Climate Movement 
Ungekürzte Fassung der Mitteilung: https://gofossilfree.org/de/press-release/katholische-institutionen-kuendigen-groesstes-divestment-aller-zeiten-an/

 


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