Menschenrechte und Klimaschutz: Genau hinschauen!

Über Ägyptens Altertümer, Museen und Strände ist mehr bekannt als über seine Gefängnisse. Das sollte sich bei Gelegenheit der Weltklimakonferenz ändern.

Wikimedia; David Broad; CC BY 3.0

Werden die Public Viewings der COP27, wie jene der Fußball-WM, jetzt abgesagt? Kaum, denn man kann nicht absagen, was nicht vorgesehen war. Dass die Ausrichtung der Klimakonferenz in Ägypten weniger politisiert wird als die des Sportereignisses in Katar lässt sich erst einmal mit dem geringeren Publikumsinteresse erklären. Kopfballtore und Elfmeterschießen sind gewiss spannender zu sehen als das, was Greta Thunberg mit „Blah blah blah“ resümiert hat. Andererseits: Im Unterschied zur WM 2022 geht es bei der COP27 um die Zukunft der Menschheit und um globale Gerechtigkeit. Dass sie in einem Land des Globalen Südens stattfindet, ist erst einmal begrüßenswert. Doch in Ägypten herrscht Abdel Fatah El-Sisi, der 2013 durch einen Militärputsch an die Macht kam und mit dieser internationalen Klimakonferenz im Luxusbadeort Sharm el Sheikh vor allem sein Image verbessern möchte. Für eine aktive Mitwirkung der internationalen und der ägyptischen Zivilgesellschaft bestand seit der Bekanntgabe des Gastgeberlandes wenig Hoffnung.

In den vergangenen Monaten waren es vor allem Menschenrechtsorganisationen, die sich kritisch zu Wort meldeten und die Repression der ägyptischen Zivilgesellschaft und insbesondere der Klimabewegung thematisierten. Auch ein Bericht im Auftrag des UN-Menschenrechtsrats von Anfang Oktober warnte vor einem Klima der Angst und Versuchen, kritische ägyptische und internationale Aktivist*innen von der COP fernzuhalten. Ein Thema, das die woxx sich vorgemerkt hatte und demnächst genauer beleuchten wird.

Wollen wir die Erderwärmung stoppen und dafür andere Interessen und Menschen opfern?

www.youtube.com/user/humanrightswatch

Anfang dieser Woche, 20 Tage vor Beginn der COP27, erschien im Guardian ein Beitrag von Naomi Klein, der helfen könnte, die Menschenrechtslage in Ägypten ins öffentliche Bewusstsein zu bringen. Der mit „Greenwashing a police state“ überschriebene „long read“ dreht sich um das Schicksal des politischen Gefangenen Alaa Abd El-Fattah, seit Jahren inhaftiert und seit April im Hungerstreik. Klein beschreibt, wie Abd El-Fattah, über die politische Situation in Ägypten hinaus, in seinen Briefen Themen wie die Überschwemmungen in Pakistan und den Klimawandel aufgreift. Sie erinnert an den Arabischen Frühling und seine zusammen mit Abd El-Fattah verfolgten „youth leaders“ – als Kontrast zu den offiziellen Veranstaltungen und Videos im Vorfeld der COP27. Dort stehen auch „youth leaders“ im Vordergrund, ein Versuch, so Klein, diejenigen, die „der Macht die Wahrheit ins Gesicht gesagt haben“, durch ein neues, pflegeleichteres Modell zu ersetzen. Die Globalisierungskritikerin fragt: „Wenn die internationale Solidarität zu schwach ist, um Abd El-Fattah zu retten (…), wie viel Hoffnung bleibt uns dann, die Erde in einem bewohnbaren Zustand zu erhalten?“

Verständlich, dass Naomi Klein über die Zurückhaltung der internationalen Klimabewegung enttäuscht ist. Die Vermutung, diese wolle die Erderwärmung stoppen und dafür andere Interessen und Menschen opfern, stellt die Frage nach dem Stellenwert des Prinzips, Klimaschutz, Gerechtigkeit und Menschenrechte untrennbar zu verbinden. Wie radikal man beim Umgang mit Diktaturen wie der von El-Sisi sein soll, ist eine andere Frage – Klein selber ruft nicht zu einem COP27-Boykott auf. Doch wer sich mit der von den großen Medien vernachlässigten Menschenrechtslage in Ägypten und den Verflechtungen mit dem so wertebewussten Westen auseinandersetzt, kann eine stillschweigende Teilnahme an der Konferenz nicht als Option ansehen.


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