Mit Rollstuhl und Blindenstock das Weltkulturerbe entdecken

Das Kulturministerium setzt in Sachen Inklusion und Kultur auf Stadttouren sowie auf die nachhaltige Förderung inklusiver Kulturprojekte.

Foto: stevepb/pixabay.com

„Ein inklusives Kulturangebot zu schaffen, hängt nicht von der Nachfrage ab. Es ist eine Pflicht“, sagte Kulturministerin Sam Tanson heute morgen in einer Pressekonferenz zu inklusiven Kulturangeboten in Luxemburg. Sie stellte gemeinsam mit der Regierungsberaterin Nadine Erpelding und dem Unesco Site Manager Robert Philippart zwei Audio-Rundgänge und ein neues Förderungsprogramm für Kulturinstitutionen vor.

Die Audio-Rundgänge „UNESCO Barrierefreier Stadtrundgang“ und „UNESCO-Tour für Alle – Leichte Sprache“ führen durch die Unesco-Zone „Luxembourg, vieux quartiers et fortfications“. Diese Zone umfasst 1.121 Elemente, die als Weltkulturerbe gelten. Die Rundgänge sind in 19 Stationen unterteilt. Sie wurden vom Comité Alstad und dem Syndicat d’intérêts locaux de Pfaffenthal-Siechenhof zusammengestellt. Die Touren wurden von einer Gruppe Menschen mit besonderen Bedürfnissen, dem Service intégration et besoins spécifiques der Stadt Luxemburg, den Verantwortlichen des Centre pour le développement des compétences relatives à la vue, der Hörgeschädigten-Beratung sowie Infohandicap getestet und begutachtet.

Die Audio-Guides sind kostenlos auf der Website „izi.TRAVEL“ abrufbar und können per QR-Scanner auf das eigene Smartphone heruntergeladen oder auf der Seite abgehört werden. Die Nutzung der Audio-Guides setzt demnach den Besitz eines Mobiltelefons, beziehungsweise eines Computers sowie die Fähigkeit die Geräte zu bedienen voraus. Das schließt mit Sicherheit einige betroffene Menschen aus, auch wenn die Idee an sich begrüßenswert ist.

Der barrierefreie Rundgang ist in fünf Sprachen verfügbar: luxemburgisch, französisch, deutsch, englisch und niederländisch. Bei der Sprachauswahl habe man sich mit inländischen Tourismus-Infrastrukturen beraten, sagte Robert Philippart auf Nachfrage der Presse. Die würden sich vor allem in diesen fünf Sprachen mit Tourist*innen verständigen. Die Kulturministerin ergänzte, dass sich das Angebot aber auch an die Bewohner*innen Luxemburgs richte. In dem Sinne sei es auf lange Sicht denkbar, die Guides auf weiteren Sprachen zur Verfügung zu stellen, wie beispielsweise auf portugiesisch.

Über die Qualität der Aufnahmen lässt sich streiten: Es sind Computerstimmen, die durch die Stadt Luxemburg führen. So wird die „Place de la Constitution“ englisch und mit falschem Artikel, der für Luxemburg nicht unwesentliche Begriff „Terres Rouges“ Buchstabe für Buchstabe ausgesprochen.

Ein weiterer Haken in puncto Sprache gibt es bei der „UNESCO-Tour für Alle – Leichte Sprache“. Der Guide wird zurzeit nur auf Deutsch und in deutscher Gebärdensprache angeboten. Philippart begründete die Entscheidung damit, dass nur die deutsche Gebärdensprache in Luxemburg gesetzlich anerkannt sei – seit 2018. Kämen weitere Gebärdensprachen dazu, würden diese in den Guide aufgenommen. Die Videos in Hörgeschädigtensprache wurden von der luxemburgischen Hörgeschädigten-Beratung aufgenommen. Das World Heritage Cities Programme der Unesco hat das Projekt als Best Practice ausgezeichnet.

Das Luxembourg City Tourist Office bietet zur „UNESCO-Tour für Alle – Leichte Sprache“ außerdem Gruppenrundgänge in Gebärdensprache an. Darüber hinaus gibt es eine 52-seitige Broschüre. Die Texte wurden von der Klaro ASBL der Association des parents d’enfants mentalement handicapés (Apemh) und der Lebenshilfe Bremen in leichter Sprache verfasst. Die Broschüre ist im Luxembourg City Tourist Office (30, place Guillaume, L-1648 Luxembourg) und im Unesco Visitor Center im Lëtzebuerg City Museum (14, rue du Saint-Esprit, L-1475 Luxembourg) erhältlich.

Tourismus in Luxemburg wird demnach inklusiver – doch was ist mit den Kulturinstitutionen? Ein neues Förderprogramm und Fortbildungen sollen die Häuser dabei unterstützen, ihre Angebote einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Schon seit 2020 bietet das Kulturministerium zusammen mit Organisationen wie Klaro ASBL oder Infohandicap Weiterbildungen in Sachen Inklusion an. Ab 2021 sollen nun zweimal im Jahr Projekte finanziell gefördert werden, die sich gezielt an ein Publikum mit besonderen Bedürfnissen richten. Der Höchstbetrag liegt pro Projekt bei 10.000 Euro. Insgesamt stehen für die Initiative des Ministeriums jährlich 40.000 Euro zur Verfügung.

Die ersten Projekte können bis zum 25. Juni eingereicht werden. Die zweite Bewerbungsrunde endet am 26. November. Ein Zulassungskriterium: Das Projekt muss in Zusammenarbeit mit Sozialpartner*innen entstehen. Die Idee dahinter ist, dass die Kulturhäuser mit Organisationen zusammenarbeiten, die sich im Alltag mit den Bedürfnissen der Betroffenen auseinandersetzen. Gesucht werden Projekte, die alle Menschen ansprechen, die aus unterschiedlichen Gründen ihr Recht auf Kultur nicht ausleben können“, sagte Nadine Erpelding zum Projekt. Weitere Fragen zur Bewerbung können per Mail (nadine.erpelding@mc.etat.lu) oder telefonisch (247-86608) gestellt werden

Am Ende der Pressekonferenz betonten Tanson und Erpelding, dass es sich bei den vorgestellten Projekten und Programmen um erste Schritte hin zu einem inklusiven Kulturangebot handele. Das Förderprogramm solle regelmäßig evaluiert und den Bedürfnissen aller Beteiligten angepasst werden. Genauso die Rundgänge. Des Weiteren steht das Ministerium interessierten Gemeinden und Institutionen beratend zur Seite, wenn diese ähnliche Angebote ausarbeiten möchten. „Das Ziel ist es inklusive Kulturangebote fest in den Institutionen zu verankern“, wiederholte Tanson am Ende der Pressekonferenz abschließend.


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