Luxemburg Stadt stimmte der Finanzierung einer abtreibungskritischen Organisation zu. Die politische Entscheidung ist verhängnisvoll: Sie legitimiert eine Bewegung, deren Ziel es ist, geltendes Recht zu untergraben.

Trotz gesetzlicher Basis: Personen mit Uterus können selten ohne Stigmatisierung über ihren eigenen Körper bestimmen und sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden. Personen davon zu überzeugen, ein Baby auszutragen ist das Ziel abtreibungskritischer Vereine wie Vie naissante, der von der Stadt Luxemburg mitfinanziert wird. (Foto: Francois-Louis Schmied, Public- domain, via Wikimedia Commons)
2.200 Euro soll die Organisation „Œuvre pour la protection de la vie naissante“, kurz „Vie naissante“, von der Stadt Luxemburg erhalten. Eine Entscheidung über die Verwendung öffentlicher Gelder, die der hauptstädtische Gemeinderat Ende März gegen die Stimmen der LSAP, déi Lénk und déi Gréng gefällt hat. Anlass ist das 50. Jubiläum der abtreibungskritischen und der katholischen Kirche nahe stehenden Organisation. Nun wird der Zuschuss stark kritisiert, allen voran von der feministischen Organisation „Planning familial“. In einem Presseschreiben vom 3. April zeigt sich diese „zutiefst besorgt“: Die Entscheidung werfe „ernsthafte Fragen bezüglich des Engagements der Behörden für die sexuellen und reproduktiven Rechte in Luxemburg“ auf.
Schaut man sich vereinzelte Aktivitäten der Vie naissante an, könnte die Subvention des Gemeinderates noch nachvollziehbar sein. Offiziell klingt die Position der Organisation nämlich moderat: Vie naissante unterstütze Familien, schwangere Frauen und Kinder, etwa mit Kleidungsspenden. Auch in ihrem Schreiben als Reaktion auf die Kritik von Planning familial gibt sich Vie naissante als „gemäßigte“ Stimme unter den Abtreibungsgegner*innen. Unter dem Deckmantel des Humanismus wird auf soziales Engagement verwiesen und auf das Recht zur Meinungsfreiheit plädiert. Klar gegen das Recht auf Abtreibung äußert sich die „lebensbejahende“ NGO nicht.
Stattdessen stehe man für das „Recht auf Nicht-Abtreibung“ und das Recht auf Leben. Abtreibungen wolle man „verhindern“, da sie vermeintlich gegen das Menschenrecht auf Leben verstoßen. Eine Behauptung, die das Recht auf Abtreibung stigmatisiert. Dabei schützt – und rettet – gerade der Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen Leben, allen voran das der schwangeren Person. Ginge es nach Vie naissante sollten jedoch Abbrüche „vermieden“ und Eltern dabei „unterstützt“ werden, das Baby auszutragen. Dies ist die erste Etappe in einer „Dreifachstrategie“ zur Aushöhlung des Rechts: erst soll es „vermieden“ oder verhindert, dann eingeschränkt, und schließlich verboten werden, wie ein Bericht des Europäischen Parlamentarischen Forums für Bevölkerung und Entwicklung schon vor Jahren warnte.
Mögen CSV und DP im Gemeinderat die niedrige Summe auch nur als symbolische Geste ansehen, reiht sie sich doch in eine zunehmend stärkere Offensive gegen das Recht auf Abtreibung und Selbstbestimmung ein.
Ginge es Vie naissante tatsächlich darum, Abtreibungen zu „vermeiden“, würde die Organisation die Ursache bei den Hörnern packen, etwa durch den Fokus ihrer Aktivitäten auf sexuelle Aufklärungsarbeit und den Zugang zu Verhütungsmitteln, um ungewollte Schwangerschaften zu vermeiden. Länder wie Slowenien haben bereits gezeigt, dass gerade sexuelle Aufklärung zu einer deutlich niedrigeren Abtreibungsrate führt. Auch widersetzt sich der Verein stur einer Stärkung der gesetzlichen Basis, etwa durch die Einführung des Abtreibungsrechts in die Verfassung.
Trotz einiger Fortschritte, sind die Rechte von Millionen Frauen und anderer Personen mit Uterus weiterhin bedroht. Die zur Show gestellte Zurückhaltung abtreibungskritischer Vereine ist nicht nur Strategie, sondern bringt klare Vorteile: In knapp zehn Jahren hat sich deren finanzielle Unterstützung vervierfacht. Allein in den letzten fünf Jahren haben solche Organisationen in Europa ganze 850 Millionen Euro ausgegeben – ein beachtlicher Teil des Geldes stammte aus öffentlichen Subventionen und Spenden rechtspolitischer Parteien. Auch in Luxemburg erhält Vie naissante regelmäßige Zuschüsse. Jährlich wird die Organisation mit insgesamt rund 65.000 Euro aus der hauptstädtischen Kasse unterstützt. Bedingungen, wie das Geld auszugeben ist, stellt die Stadt keine, wie die LSAP bemängelte.
Mögen CSV und DP im Gemeinderat die niedrige Summe von 2.200 Euro, um die es aktuell geht, auch nur als symbolische Geste ansehen, reiht sie sich doch in eine zunehmend stärkere Offensive gegen das Recht auf Abtreibung und Selbstbestimmung ein. Dagegen setzen sich Organisationen wie Planning familial aktiv für das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben ein, indem sie sowohl Eltern von Neugeborenen unterstützen, als auch den Kampf für zugängliche Verhütung und sexuelle Aufklärung weiterführen. Im Übrigen feiert die NGO dieses Jahr auch ein Jubiläum, und zwar ihr 60 jähriges Bestehen. Ein Geschenk des Gemeinderates gab es bisher nicht.