Letzte Woche präsentierte die Regierung die neuste Version des nationalen Energie- und Klimaplans. Darin wiederholt die CSV-DP Koalition die Fehler ihrer Vorgänger*innen – und begeht neue, eigene. Die woxx zeigt einige Beispiele auf.

Eine „Direct Air Capture“-Testanlage im kanadischen Squamish. Nicht alle sind überzeugt von der Idee, dass durch eine energieaufwändige Technologie der Atmosphäre CO2 entzogen werden soll. Die Luxemburger Regierung schon. (Foto: CC BY-NC-ND 2.0 Stephen Hui/Pembina Institute)
Energieminister Lex Delles (DP) und Umweltminister Serge Wilmes (CSV) stellten am 17. Juli die endgültige Fassung des nationalen Energie- und Klimaplans (Pnec) vor. Ihre Pressekonferenz wurde von der zeitgleichen Vorstellung des „Enlastungspakets“ von Fianzminister Gilles Roth (CSV) überschattet. Trotz aller Beteuerungen, man wolle die Ziele und Prioritäten der Klimapolitik der vorherigen Regierung beibehalten, sind nun einige Änderungen in der endgültigen Fassung des Plans zu finden. Diese stellen jedoch nicht gerade Verbesserungen im Sinn des Klimaschutzes dar.
Obwohl der Zeitraum der Begutachtung des Vorentwurfs – auch angesichts dessen Umfangs – recht kurz war, kamen 139 Seiten Stellungnahmen verschiedenster Organisationen zusammen. Neben verschiedenen Umwelt- und Klimaschutzorganisationen waren es vor allem die gesetzlichen Vertretungskammern, die ihre Meinung abgaben. Eine Tatsache wird von beinahe allen Akteur*innen gelobt: Die Prognosen, die in den Pnec eingeflossen sind, kamen vom nationalen Statistikamt Statec und beruhen daher auf einer wissenschaftlichen Grundlage. Ansonsten wurde der Plan eher kritisiert, je nach Ausrichtung der entsprechenden Organisationen aus unterschiedlicher Stoßrichtung.
Sowohl die Plattform „Votum Klima“ als auch die Umweltschutzorganisation „Mouvement écologique“ (Méco) kritisierten, dass das Ziel, bis 2030 die Emissionen um 55 Prozent zu verringern, nicht ausreiche. Die EU hätte sogar nur 50 Prozent verlangt, doch um mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens übereinzustimmen, müsse Luxemburg seine Emissionen stärker senken. „Dies ist umso bedauerlicher, als die aktuellen Berichte des IPCC nahelegen, dass die Klimaneutralität bereits signifikant vor dem Jahr 2050 erreicht werden muss“, schlussfolgerte beispielsweise die Plattform „Votum Klima“ in ihrer Stellungnahme.
Wo war die Klimaplattform?
Der Méco monierte auf seiner Website noch etwas anderes: Die mangelnden Mitgestaltungsmöglichkeiten der Zivilgesellschaft am Pnec. Eigentlich gibt es, klimagesetzlich festgelegt, die „Plateforme climat“, bestehend aus Vertreter*innen aus Umweltbewegung, Gewerkschaften und Wirtschaft, die gemeinsam Lösungen zur Bewältigung der Klimakrise ausarbeiten soll. Dazu gehört eigentlich auch, am Pnec mitzuarbeiten. Doch das ist nicht passiert, denn seit dem Regierungswechsel im November 2023 wurde die Plattform kein einziges Mal zusammengerufen. Das Umweltministerium, von der woxx darauf angesprochen, antwortete, dass im April 2024 „ein Austausch mit der Europäischen Kommission stattfand, bei dem Mitglieder der Klimaplattform eingeladen waren“. Dort sei auch der Pnec besprochen worden, außerdem sei die Plattform letztes Jahr „eng in die Ausarbeitung des Projektes des Updates des Pnecs eingebunden“ gewesen. Seit Oktober 2022 und 2023 habe sich die Plattform neunmal getroffen, in den letzten Monaten jedoch hätten die zuständigen Ministerien keine Zeit gehabt, da sie am Pnec gearbeitet hätten. Doch die Plattform werde auch in die Ausarbeitung anderer Pläne, wie einer neuen Klimaanpassungsstrategie und dem Klimasozialplan eingebunden, – „nach der Sommerpause“ solle ein nächstes Treffen einberufen werden.
Dort wird sich die Regierung einiges an Kritik anhören müssen, denn sie hat die Ambitionen ihrer Vorgänger*innen zurückgeschraubt: So soll die Energieeffizienz um 42 statt um wie geplant 44 Prozent verbessert werden. Die Effizienzsteigerung ist einfach nur ein anderes Wort dafür, dass der Endenergieverbrauch gesenkt werden soll. Minister Delles erklärte im Rahmen der Pressekonferenz, wenn man das Ziel zu hochstecke, könnte das Wirtschaftswachstum leiden.
Wasserstoff made in Luxembourg
Eine andere Maßnahme, auf die die Regierung so richtig stolz ist, ist das Erlauben fossiler Heizungen bis in alle Ewigkeit. Als Luc Frieden (CSV) am vergangenen Mittwoch eine Bilanz über seine ersten acht Monate als Premier zog, strich er diese Änderung im Pnec als große Errungenschaft hervor. Dabei stand im Pnec-Entwurf lediglich, man halte sich die Möglichkeit vor, ein Verbot zum Neueinbau von Gas- oder Ölheizungen einzusetzen, falls sich die Emissionen im Bereich Wohnen nicht wie erhofft entwickelten. Die CSV-DP-Regierung hofft nun also auf eine magische Wunderlösung, mit der Gas- und Ölheizungen klimaneutral werden – oder gibt das Ziel der Klimaneutralität langfristig auf. Realistisch betrachtet wird auch das Heizen von Wohnungen und Häusern dekarbonisiert werden müssen, was den Einsatz von Wärmepumpen oder Fernwärmenetzen voraussetzt. Die Förderung von Fernwärme ist in einer eigenen Pnec-Maßnahme (Nummer 222) vorgesehen, doch die Details werden alle noch analysiert, ein voraussichtliches Startdatum gibt es nicht.
Es war zu erwarten, dass die Luxemburger Klimapolitik sich unter der Leitung der CSV stärker auf Wasserstoff fokussieren würde. Das liegt wohl auch daran, dass konservative Parteien in ganz Europa im Zuge einer „anti-grünen“ Kampagne die effizientere Elektromobilität verschmähen. Da es für die meisten Anwendungen effektiver und günstiger sein wird, erneuerbaren Strom direkt in eine Batterie zu speisen, statt ihn zur Herstellung von Wasserstoff mittels Elektrolyse zu benutzen, wird der Energieträger in der persönlichen Mobilität auf der Straße eine eher kleine Rolle spielen. Laut Pnec wird die Nachfrage nach Wasserstoff bis zum Jahr 2030 auf 230 GWh ansteigen. Davon sollen 98 GWh auf den Straßenverkehr und 130 GWh auf die Industrie entfallen – für die restlichen 2 GWh findet sich im Pnec keine Erklärung. Diese Projektionen sind durch Studien zustande gekommen, die Vertreter*innen von Ministerien gemeinsam mit „externen Berater*innen“ erstellt haben. In dieser Rechnung ist der Wasserstoffbedarf für den Flugverkehr, der 2030 ganze 104 GWh betragen soll, nicht inkludiert. Da sich allerdings abzeichnet, dass in Zukunft auch Schwertransporte vor allem mit Elektromobilität durchgeführt werden, ist fraglich, wie sicher diese Zahlen sind. Die Industrie wird jedoch auf jeden Fall Wasserstoff als Energieträger benötigen.
Die Regierung will dafür sorgen, dass auch in Luxemburg Wasserstoff produziert wird. Das sei gar nicht anders möglich, da erste Wasserstoff-Pipelines erst 2035 fertiggestellt werden könnten – obwohl sie laut Pnec eine Priorität sind. Noch dieses Jahr sollen Pilotprojekte ausgeschrieben werden. Bei der Maßnahme Nummer 218, die einen Anschluss Luxemburgs an europäische Wasserstoffnetzwerke vorsieht, gibt es weder ein geplantes Anfangs- noch Enddatum, sondern lediglich die Information, dass ein Gesetz für entsprechende Subventionen auf dem Instanzenweg sei und man mit einem belgischen Wasserstoffnetzwerkbetreiber eine Absichtserklärung unterzeichnet habe. Der wenige erneuerbare Strom, der in Luxemburg produziert wird, soll laut Wunsch der Regierung für Industrie-Anwendungen zur Herstellung von Wasserstoff benutzt werden.
Auf Wundertechnik hoffen
Ein weiteres Wasserstoffprojekt ist sang- und klanglos aus dem Pnec verschwunden. Es handelt sich um eine Studie zur Machbarkeit von Wasserstoffproduktion auf Cabo Verde. Es startete im November 2021 und stand im Entwurf. Aus der endgültigen Fassung ist es jedoch verschwunden. Laut Energieministerium, weil die Studie abgeschlossen ist. Obwohl mit „knapp 300.000 Euro“ Steuergeldern finanziert, wird sie nicht veröffentlicht werden. Sie wurde zwar am 15. März an den kapverdischen Energieminister Alexandre Monteiro übergeben, doch die kapverdische Regierung hält die Resultate für so wichtig für die wirtschaftliche und industrielle Weiterentwicklung des Landes, dass sie um Geheimhaltung gebeten hat. In einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage von Joëlle Welfring (Déi Gréng) erklärten Xavier Bettel, Lex Delles (beide DP) sowie Serge Wilmes (CSV), dass man erst die Halbzeitüberprüfung des aktuellen Entwicklungszusammenarbeitsprogramms mit Cabo Verde, das bis 2025 läuft, abwarten werde, bevor man nächste Schritte für eine eventuelle Zusammenarbeit im Bereich der Wasserstoffproduktion setze.
Die Plattform „Votum Klima“ kritisierte das Projekt, da die Energieversorgung von Cabo Verde zum Großteil noch auf fossilen Energien fuße und Wassermangel in dem Land herrsche, den eine Produktion von Wasserstoff noch verstärken könne. Die Plattform von Nichtregierungsorganisationen sah darin „eine Form des Energie-Neokolonialismus“. Die Energietransition in Cabo Verde solle zuerst der dortigen Bevölkerung zugutekommen und nicht der Produktion von Wasserstoff zum Export dienen, so „Votum Klima“. Das Projekt taucht im Pnec nicht mehr auf – es ist also nicht klar, ob die Regierung vorhat, in Zukunft Wasserstoff aus Afrika zu importieren oder nicht.
Der mögliche Einsatz sogenannter „Carbon capture and storage“-Technologien (CO2-Abscheidung und -Speicherung, CCS) ist umstritten. Bisher gibt es nur Pilotanlagen, die geringe Mengen CO2 abscheiden, meistens von Kohlekraftwerken. Auch die sogenannte „Direct Air Capture“, bei der CO2 aus der Umgebungsluft abgeschieden werden soll, ist allerhöchstens experimentell und verbraucht sehr viel Energie. Trotz all dieser Nachteile hat die CSV-DP-Regierung aus dem Punkt im Entwurf, ein Forschungszentrum zu dem Thema zu errichten, einen „Aktionsrahmen“ für solche Technologien gemacht. Die Technologie soll nun also nochmal evaluiert und gegebenenfalls entsprechende Infrastruktur errichtet werden. Obwohl klar ist, dass der Atmosphäre CO2 entzogen werden muss, muss CCS mit viel Zweifel begegnet werden.
Diese Beispiele zeigen, dass die CSV-DP-Regierung sich zwar auf die Fahnen geschrieben hat, die Klimapolitik ihrer Vorgänger*innen weiterzuführen, in Wahrheit jedoch einige „Verschlimmbesserungen“ in den Plan geschleust hat. Eine Strategie, die wirklich das Ziel des Pariser Klimaabkommens einhalten könnte, beinhalten jedoch weder der Entwurf des Pnec noch dessen endgültige Form.
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