Rassismus in Luxemburg: Scheinbar Ansichtssache

Wenn es darum geht, davon abzulenken, wie wenig hierzulande gegen rassistisch motivierte Diskriminierung getan wird, mangelt es der Regierung nicht an Kreativität.

(© Gordon Johnson / pixabay)

In Luxemburg fühlen sich erschreckend viele Menschen mit afrikanischer Abstammung diskriminiert. Zu diesem Ergebnis kam Ende letzten Jahres die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA). Der LSAP-Abgeordnete Dan Biancalana nahm diese Studie nun zum Anlass, um bei der Integrations- und Familienministerin Corinne Cahen (DP) nachzuhaken, welche weiteren Schritte gegen rassistisch motivierte Diskriminierung vorgesehen seien.

Cahen scheint darum besorgt, dass man gar zu viel gegen Diskriminierung tun könnte.

Auch wenn sie einräumt, dass das Problem ernst genommen werden müsse, so verwendet Ministerin Corinne Cahen (DP) einen doch nicht unwesentlichen Teil ihrer Antwort darauf, die Befunde der FRA zu relativieren. So betont sie zum Beispiel die Notwendigkeit, die Resultate der „Being Black“-Studie mit denen anderer Institutionen abzugleichen. Der Umstand, dass sowohl der Centre pour l’égalité de traitement (CET) wie auch der diesem unterstellten Observatoire des discriminations je eine niedrigere Anzahl an Diskriminationsfällen verzeichnet hätten, werfe die Frage nach den Gründen für diese Divergenzen auf.

Dabei liegt die Erklärung auf der Hand: Während die „Being Black“-Studie ermittelte, wie viele Menschen Diskriminierung erlebt haben, liefert das CET einzig Zahlen bezüglich derer, die an das Zentrum herangetreten sind. Die Zahlen divergieren, weil völlig unterschiedliche Phänomene in Betracht gezogen wurden. Die Umfrage des Observatoire des discriminations wiederum ist aus dem Jahr 2015. Es ist durchaus möglich, dass die Anzahl der Fälle seitdem gestiegen ist. Dass keine aktuellere Umfrage vorliegt, liegt übrigens daran, dass dem CET die dafür angefragte Finanzierung bisher noch nicht genehmigt wurde.

Doch wieso erachtet Cahen es überhaupt als wichtig, die Zahlen der „Being Black“-Studie zu hinterfragen? Es gehe darum, die staatlichen Bemühungen gegen Diskriminierung zu verstärken und zielgerichteter bestimmen zu können, schreibt die Ministerin. Cahen scheint besorgt, dass man gar zu viel gegen Diskriminierung tun könnte. Was ist wohl das Schlimmste, das passieren könnte, wenn sich die Regierung an einer etwas zu hohen Zahl orientiert? Dem Nation Branding zu schaden?

Was an der Antwort Cahens aber am meisten verwundert, ist die Aussage, der CET habe festgestellt, dass die Begriffe „Belästigung“ oder „Diskriminierung“ von Antragsteller*innen manchmal falsch benutzt würden. Auch wenn die Ministerin dies eigenen Aussagen nach auf Eindrücke des CET zurückführt, so ist die Art und Weise, wie sie dies an dieser Stelle in die Argumentation einbringt, doch mehr als bedenklich.

Zunächst stellt sie nicht die Erfahrungen und Eindrücke von Betroffenen an oberste Stelle, sondern überträgt die Deutungshoheit dem CET. Das Schlimmste dabei ist jedoch, dass sie suggeriert, dass auch manche der von der FRA Befragten fälschlicherweise angegeben haben könnten, diskriminiert oder belästigt worden zu sein. Damit reproduziert sie das Misstrauen, das Opfern von Diskriminierung ohnehin viel zu oft entgegengebracht wird.

Der Satz ist umso erschreckender, wenn man sich vor Augen führt, welche Faktoren Cahen an dieser Stelle unerwähnt lässt. Wie CET-Direktorin Nathalie Morgenthaler in einem im März im Journal veröffentlichten „Kloertext“ schrieb, besteht eine der größten Schwierigkeiten im Umgang mit Diskriminierung darin, dass sie meistens nicht gemeldet wird, oft die nötigen Beweise fehlen und folglich keine Bestrafung erfolge. In Anbetracht des begrenzten Handlungsspielraums des CET ist es umso haarsträubender, dass die Ministerin nun die Stelle benutzt, um von der Trägheit der Regierung abzulenken.

Es ist durchaus möglich, dass die Zahlen der „Being Black“-Studie nicht ganz zutreffend sind. Am wahrscheinlichsten ist es jedoch, dass die Problematik sehr viel schlimmer ist, als Statistiken es jemals wiederzugeben vermögen.


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