Rechtspopulismus: Hypokrisie sinnlich erleben

Es ist keine Neuigkeit, dass Kunstfreiheit nicht die Priorität der Anhänger*innen des „Wee 2050“ oder der ADR ist. Der überspitzte Tonfall der letzten Wochen und Monate wirkt trotzdem bedrohlich und könnte auch weitere Folgen haben.

© Wikipedia Heralder

An und für sich ist es ein altes Paradoxon, das existiert seit es Politik gibt: Meinungsfreiheit gilt vor allem für die eigene Meinung, Kritiker*innen verbreiten hingegen Diffamation und Lüge. Und auch die luxemburgischen Rechtspopulist*innen verfahren nach diesem Prinzip. Die Forderung nach einer freien Meinung im Internet zierte die ADR-Wahlplakate und auch die Fotos des „Wee 2050“ Mitbegründers – und unglücklichen Kandidaten – Fred Keup. Der gleiche Keup war sich jedoch keineswegs zu schade, den Rapper Turnup Tun anzuzeigen, weil dieser ihn in seinem Song „FCK LXB“ namentlich angegriffen hatte. Die Staatsanwaltschaft gab der Anzeige statt und verklagte den Rapper – und sogar ein Berufungsprozess ist noch anhängig, was einiges über das Selbstverständnis in Sachen Schutz von Meinungsfreiheit der Justiz aussagt.

Auch in Luxemburg sinkt die Hemmschwelle.

Nun haben die Aktivist*innen noch einmal nachgelegt: In einem Kommuniqué, das diese Woche in die Redaktionsstuben des Landes eintrudelte, empören sie sich über ein Konzert, das gerade dieser Rapper am Vorabend des Nationalfeiertags gegeben hatte – und bei dem er eben auch den Schmäh-Song gegen Rechtspopulist*innen spielte. Und die „Wee“ler*innen gehen nicht gerade zimperlich vor: Die Gemeinde Luxemburg gibt in ihren Augen einem „Hetzer“ eine Plattform, der Rapper beleidige alles, was den Luxemburger*innen lieb und teuer sei (unter anderem die Monarchie). Sie verlangen von der Kommunalverwaltung, dass der Verantwortliche zur Rede gestellt wird. Zusätzlich regen sie an, weitere geplante Konzerte in verschiedenen Gemeinden zu unterbinden – dies kommt einem Aufruf zur Zensur gleich.

© Adonyi Gábor CC BY 2.0 – pxhere

Abgesehen von der Hypokrisie eines solchen Gebarens, denn Meinungsfreiheit heißt auch, die gegenteilige Meinung zu akzeptieren und zu verteidigen, ist es die verbale Eskalation, die Sorgen bereiten sollte. Auch wenn die beiden Vorkommnisse in keinem Verhältnis zueinander stehen, so sollte der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke zumindest zum Nachdenken anregen. Denn auch gegen den CDU-Politiker hagelte es zuerst Beschimpfungen und Drohungen, bis dann ein Neonazi ernst machte und den Mann erschoss. Nun rätselt ein ganzes Land darüber, wie es soweit kommen konnte – dabei waren die Vorzeichen eindeutig.

Und auch in Luxemburg sinkt die Hemmschwelle. Wie uns der Rapper Turnup Tun bestätigte, kam es nach besagtem Konzert am Vorabend des Nationalfeiertags zu einem Eklat zwischen ihm und Anhängern des Fußballclubs 1. FC Kehlen (die dem Gig beigewohnt hatten und offensichtlich wenig erfreut über „FCK LXB“ waren). Es blieb bei verbalen Attacken, jedoch wurde der Rapper zur eigenen Sicherheit von der Polizei zu seinem Auto begleitet. Präsident des 1. FC Kehlen ist niemand anders als Fred Keup, der Mitbegründer des „Wee 2050“ und zukünftige ADR-Abgeordnete (nach dem voraussichtlichen Ausscheiden von Gast Gibéryen). Auch wenn er selbst nichts mit dieser Attacke zu tun hatte, so war der Ärger der Fußballfans sicherlich auch der Verunglimpfung ihres Vereinspräsidenten geschuldet.

Luxemburg ist noch weit davon entfernt, wieder in die dunklen Zeiten der 1990er-Jahre zurückzufallen, als Neonazis vor allem die Südgemeinden aufmischten, trotzdem sollte es eine Warnung sein: Zuerst eskalieren die Worte, dann kommen die Taten. Und dann will wieder niemand gewusst haben, wie und wo das alles angefangen hat …


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