Russland und die US-Sanktionen: Kannibalisierende Kriegswirtschaft

Donald Trump möchte einen „Deal“ mit Russland. Die jüngsten US-Sanktionen sollen dem US-Präsidenten als Druckmittel dienen, wenn er mit seinem Amtskollegen Wladimir Putin verhandelt. Für Trump ist das Land nicht nur Kriegspartei, sondern am Energiemarkt auch ökonomischer Konkurrent. Der hat zwar Öl und Gas im Überfluss, ist nach Meinung von Expert*innen aber dabei, seine sonstigen Ressourcen aufzuzehren.

Versucht ihre Institution unabhängig von der Regierung zu halten: Die Präsidentin der russischen Zentralbank, Elvira Nabiullina mit dem russischen Finanzminister Anton Siluanow auf einem Bankenforum Anfang Dezember 2024. (Foto: EPA-EFE/YURI KOCHETKOV)

Es war ein besonderes Präsent, welches US-Präsident Joe Biden seinem Nachfolger Donald Trump hinterlassen hat – ein bisschen von der Art eines „Jack in the box“, dem kleinen Teufel, der beim Öffnen aus der Geschenkeschachtel springt. Kurz vor Trumps Amtseinführung verhängte die scheidende US-Regierung eine Reihe von Sanktionen gegen die Russische Föderation, die von Fachleuten als die „bislang härtesten“ bezeichnet werden. Unter die Sanktionen fallen unter anderem zwei der größten russischen Ölförderungsunternehmen, die Produktion von Flüssiggas sowie insgesamt 183 Tankschiffe, die für Russland Öl transportieren. Bislang hatte die Biden-Administration wirtschaftliche Maßnahmen gegen das russische Regime vorsichtig abgewogen; schließlich schlagen sie alle auch auf die eigene Ökonomie zurück. Nun jedoch hat die Regierung Trump die Konsequenzen zu tragen.

Der scheint gewillt, die Sanktionen gegen Russland sogar auszuweiten, falls es „nicht bald“ zu einer Einigung bezüglich des Kriegs in der Ukraine kommt, wie er am vergangenen Mittwoch in einem Post auf „Truth Social“ wissen ließ. Über die konkreten Inhalte eines von ihm angestrebten „Deals“ hat Trump sich bislang allerdings ausgeschwiegen, und Putin hält an seinen maximalistischen Forderungen fest: Anerkennung der Gebiete, die Moskau für annektiert erklärt hat, ein abgerüstetes ukrainisches Militär und ein Neutralitätsversprechen der Ukraine.

Die USA befinden sich derzeit in einer besseren Lage, um höhere Energiepreise auf dem Weltmarkt in Folge der Sanktionen abzufedern: Die Inflation dort ist zurückgegangen und Fachleute gehen davon aus, dass es in den kommenden Jahren ein Überangebot an Öl auf den Märkten geben wird. Ziel des jetzigen Schritts ist es vor allem, Russlands chinesische und indische Kunden zu vergraulen. Sie sind es, mit deren Hilfe das Putin-Regime die durch bisherige Sanktionen verloren gegangenen europäischen und amerikanischen Märkte zu kompensieren sucht.

Rund zehn Prozent der globalen Tankerflotte fallen unter das noch von Biden erklärte neue Embargo. 155 davon zählen zur sogenannten „Schattenflotte“. Das sind Tanker, die nicht unter der Flagge westlicher Industrienationen fahren und eben jenes russische Rohöl transportieren, das sanktioniert beziehungsweise für den westlichen Markt von einer Preisdeckelung betroffen ist, die umgangen werden soll. Einige davon ankerten nach Inkrafttreten der Sanktionen vor der chinesischen Küste. Zur geplanten Entladung kam es nicht.

Nach Angaben des Handelsdatenanalysedienstes „Kpler“ haben die neu sanktionierten Tanker im vergangenen Jahr mehr als 530 Millionen Barrel russische Rohölexporte transportiert. Über die Hälfte davon wurde nach China verschifft. Das macht rund 61 Prozent von Chinas Seeimporten von russischem Öl aus, während der Großteil der restlichen Exporte nach Indien ging. In letzter Zeit jedoch hätten chinesische und indische Raffinerien aus Angst vor derlei Sanktionen vermehrt Rohöl bei Lieferanten wie den Vereinigten Arabischen Emiraten, Oman und Angola statt in Russland bestellt, so Kpler. Dieser Trend werde nunmehr verstärkt. Daher, so der Experte Edward Fishman in der US-amerikanischen Tageszeitung „Wall Street Journal“, seien die Sanktionen in der Tat ein Geschenk an Trump: Dieser habe nun ein weiteres starkes Druckmittel gegen Wladimir Putin zur Verfügung, ohne die unmittelbare Verantwortung dafür zu tragen, wenn er dem russischen Staatspräsidenten bei eventuellen Friedensverhandlungen um die Ukraine entgegentritt.

Wie robust ist Russlands Wirtschaft?

Einmal mehr stellt sich nun die Frage, wie nachhaltig die Wirkung der Sanktionen ist. „Wir rechnen mit möglichen kurzfristigen Ausfällen russischer Ölexporte von bis zu einer Million Barrel pro Tag, da chinesische und indische Käufer vorsichtiger werden, was sanktionierte Barrel angeht“, so die Analysten Helge Andre Martinsen und Tobias Ingebrigtsen von „DNB Markets“ im Wall Street Journal, doch „letztendlich wird Russland wahrscheinlich einen Weg finden, um den Rückgang der Exporte und der Produktion zu minimieren.“

Auch die vorangegangenen Sanktionen hatten augenscheinlich nicht den gewünschten Erfolg. Zugleich nämlich hat der Krieg gegen die Ukraine einen regelrechten Boom in Russland ausgelöst (siehe „Putins Wette auf den Krieg“ in woxx 1754). Der ist auf die stark gestiegene Nachfrage nach Kriegsgütern zurückzuführen: Die Ausweitung der Rüstungsproduktion und der Kriegsdienst vieler Männer haben zu einem Mangel an Arbeitskräften geführt, der durch die historisch niedrige Arbeitslosenquote von 2,4 Prozent gar nicht ausreichend abgebildet wird. Vielmehr fehlen laut dem sicherheitspolitischen Nachrichtenportal „War on the rocks“ gar bis zu 4,8 Millionen Arbeitskräfte (andere Schätzungen sind vorsichtiger), was etwa sieben Prozent der Erwerbsbevölkerung des Landes entspricht. Die aus dem Mangel resultierende Lohnsteigerung hat die Kaufkraft der russischen Bevölkerung gestärkt.

Die Produktion an zivilen Verbrauchsgütern jedoch hält nicht mit. Konsumgüter sind knapp und haben zu einem Anstieg des Preisniveaus (Inflation) geführt. Die russische Zentralbank versucht dem zu begegnen, indem sie Kredite teuer macht. Das soll die Nachfrage dämpfen. Bei 21 Prozent liegt der Leitzins derzeit; das höchste Niveau seit 25 Jahren.

Zumindest aus der Perspektive des Weltmarktes erscheint der russische Weg als Reise ohne Wiederkehr: Deshalb will Wladimir Putin gemeinsam mit China, dem Iran und anderen eine Alternative schaffen. (Foto: EPA-EFE/YAHYA ARHAB)

Auch das zunächst beeindruckend wirkende Wachstum der vergangenen beiden Jahre bildet laut Janis Kluge vom deutschen Think Tank „Stiftung Wissenschaft und Politik“ nicht die reale Wirtschaftsleistung des Landes ab. Das um 3,6 Prozent gestiegene Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Jahres 2023 sei der Effekt von zwei Millionen neu geschaffenen Arbeitsplätzen in der Rüstungsindustrie, stelle also keine nachhaltige Produktivitätssteigerung dar. Und das bislang nur geschätzt vorliegende Wachstum des Jahres 2024 von zwischen 3,6 und vier Prozent sei eher auf statistische Effekte zurückzuführen. Real sei die russische Wirtschaft seit Anfang vergangenen Jahres kaum noch gewachsen. Verschiedene Indikatoren ließen vielmehr „bereits im September 2024 auf einen Rückgang der Produktion schließen – zum ersten Mal seit 2022“. Da die Erhöhung des Leitzinses die seit April 2023 wieder zunehmende Inflation nicht bremsen konnte (vergangenen Dezember lag die Rate bei 9,5 Prozent), wächst die Furcht vor einer Stagflation, also hoher Inflationsraten bei stagnierender Wirtschaftsleistung.

Das könnte in eine Rezession münden, die beim gegenwärtigen Zustand der russischen Wirtschaft nur schwer abzufangen wäre. Geht eine Stagflation meist mit hoher Arbeitslosigkeit einher, führt in diesem Fall der Arbeitskraftbedarf in der Rüstungsindustrie dazu, allen anderen Wirtschaftsbereichen zu schaden: „Die Kriegswirtschaft kannibalisiert sozusagen Ressourcen, Arbeitskräfte und Produktivitätskapazitäten“, so der Wirtschaftsexperte Nicholas Birman Trickett in unserer Partnerzeitung „Jungle World“. Er hält es trotz des enorm hohen Anteils des russischen Staatshaushalts an Militärausgaben (rund 40 Prozent im Jahr 2024) für falsch, von einem „Kriegskeynesianismus“ zu sprechen. Ein solcher solle „auch zur Ausweitung und Entwicklung von Produktionskapazitäten führen, die nicht unmittelbar mit dem Militär zusammenhängen“, so Birman Trickett. Das sei in Russland nicht der Fall“, denn in andere Bereiche wird nicht investiert.

„Ökonomie der Verzweiflung“

Auch von den höheren Gehältern bleibe angesichts der Preissteigerung nicht viel übrig, so der russische Soziologe Lew Gudkow vom „Lewada-Institut“ Anfang des Monats in einem Interview mit dem deutschen Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“: „Die Inflation liegt natürlich nicht bei knapp neun Prozent, wie die Zentralbank behauptet. Wir reden im Durchschnitt von 20 bis 30 Prozent und mehr.“ In der Tat ist der Preis von einzelnen Lebensmitteln wie Butter im vergangenen Jahr um rund 25 Prozent gestiegen. Für Privatpersonen betrage die Inflation schon seit Längerem mehr als 20 Prozent, bestätigt auch die Wirtschaftsexpertin und ehemalige Mitarbeiterin der russischen Zentralbank, Alexandra Prokopenko in dem gemeinsam mit ihrem Kollegen Alexander Kolyandr herausgegebenen Infobrief „The Bell“.

Die ökonomische Realität vieler Menschen in Russland sieht also weitaus weniger rosig aus, als es Berichte von steigenden Löhnen suggerieren. „Diejenigen, die in diesem Jahr in Russland wirtschaftlich am meisten verloren haben, sind Putins wichtigste Unterstützer: die Staatsbediensteten. Es betrifft Ärzte, Lehrer, Notdienstmitarbeiter und Rentner“, hieß es Ende vergangenen Dezember in The Bell: „Ihre Gehälter, Renten und Subventionen sind an die Inflation gekoppelt und werden daher nur um neun Prozent steigen“ – obwohl die Inflation real weit höher ausfällt.

Das bedeutet auch, dass der Militärdienst trotz hoher Gehälter zumindest finanziell attraktiv bleibt. Die von Region zu Region unterschiedlichen Bonuszahlungen für neue Rekruten sind im Laufe des vergangenen Jahres enorm gestiegen. Das deute auf Probleme bei der Anwerbung hin, wie Janis Kluge schreibt: „Beispielsweise erhalten Rekruten in der Region Nischni Nowgorod bei Unterschrift einen regionalen Bonus von 2,6 Millionen Rubel (25.000 Euro bzw. 68.000 Euro nach Kaufkraftparität). Das ist ein Vielfaches des durchschnittlichen Monatsgehalts, das in der Region bei 66.000 Rubel liegt.“ Anfang 2024 habe sich der Bonus für Rekruten noch auf 50.000 Rubel belaufen, bevor er im März auf 500.000 Rubel und im April auf eine Million Rubel erhöht worden sei.

Noch größer ist der Bonus, wenn ein Soldat im Kampf fällt. „Es ist nicht nur profitabler, in den Krieg zu ziehen, sondern geradezu zu sterben“, schrieb die Journalistin Xenia Bukscha vergangenen September in der russischen oppositionellen Zeitung „Nowaja Gaseta“. „Die ‚Sterbegelder‘ […] übersteigen alles, was ein durchschnittlicher eingezogener oder freiwilliger Soldat von 35 Jahren bis zur Rente verdienen könnte. In einigen Regionen sogar das, was er in seinem ganzen Leben von 18 Jahren an verdienen könnte.“ Das mache die Aussicht, dass der Mann oder ein Sohn in der Ukraine falle, für einige Familien durchaus attraktiv, so Bukscha, die angesichts der wirtschaftlich-sozialen Zustände in Russland von einer „Ökonomie der Verzweiflung“ schreibt.

Vor diesem Hintergrund verschärft sich innerhalb der russischen Macht- eliten der Streit, wie der gegenwärtigen Entwicklung beizukommen sei. In der Kritik steht einmal mehr die Geldpolitik der Präsidentin der russischen Zentralbank, Elvira Nabiullina. Ihr Festhalten an einem hohen Leitzins, um der Inflation zu begegnen, wird von vielen in Politik und Industrie abgelehnt; darunter vor allem Betriebe aus dem Rüstungsbereich, die von den hohen Staatsausgaben und staatlich geförderten Kreditprogrammen seit Beginn des Krieges profitieren. Sergej Tschemesow, der Direktor des staatlichen Rüstungskonzerns Rostec, hat zuletzt gar öffentlich damit gedroht, die Waffenexporte wegen der hohen Kreditkosten einzustellen. Zahlreiche Unternehmen, etwa in der Transportbranche, haben angekündigt, bald Konkurs anmelden zu müssen. Eine paradoxe Situation: Die Regierung erhöht ihre Ausgaben, um unter anderem durch Subventionen für Unternehmenskredite Investitionen zu stimulieren, was die Inflation anheizt. Und die Zentralbank erhöht die Zinssätze, um den Preisanstieg zu bremsen, der aus den Staatsausgaben resultiert.

Wie unabhängig soll die Zentralbank sein?

Es ist daher kein Wunder, dass auch die Diskussion um die grundsätzliche wirtschaftliche Ausrichtung Russlands dieser Tage eskaliert. Auf der einen Seite stehen, vereinfacht gesagt, markt- bzw. neoliberale Kräfte, die sich in vielerlei Hinsicht am Weltmarkt und den dort vorherrschenden austeritätspolitischen Kriterien orientieren, und zu denen auch Nabiullina gehört. Auf der anderen Seite stehen jene, die einen Rückzug von den westlichen Märkten und die Schaffung einer alternativen globalen Wirtschaftsordnung fordern (etwa innerhalb der erweiterten Brics-Staaten). Diese Position ist zudem weitgehend mit groß-russländischen (im Unterschied zu ethnisch-russischen) Machtansprüchen und einer weitgehenden Unterordnung der Geldpolitik unter die Maßgaben der Regierung amalgamiert.

Zur Debatte steht damit einmal mehr auch das Maß an Unabhängigkeit, das der russischen Zentralbank gewährt wird. Zum jetzigen Zeitpunkt ist sie institutionell unabhängig von der Regierung – solange der Präsident ihr das zugesteht. „Für Putin besteht eine der wichtigsten Lehren aus den 1990er-Jahren darin, dass eine unkontrollierte Inflation die Macht der politischen Führung untergräbt“, schreibt die Berliner Osteuropawissenschaftlerin Katharina Bluhm in einer aktuellen Analyse. Daher unterstütze der russische Präsident Nabiullinas restriktive, auf die Bekämpfung der Inflation ausgerichtete Währungspolitik.

Doch mit der Umstellung auf eine technologisch regressive Importsubstitution und Kriegswirtschaft beschreitet Russland ökonomisch einen Weg, aus dem es unter dem aktuellen Regime nur schwer wieder herausfinden wird (siehe „Weltmarkt oder Autarkie“ in woxx 1690). Nur eine Produktivitätssteigerung könnte letztlich Wachstum ermöglichen und die dringend benötigten Arbeitskräfte freisetzen. Investitionen in Automatisierung und Rationalisierung der Produktion hängen aber unter anderem von den Kreditzinsen ab: Viele Kritiker*innen der russischen Zentralbank betonen, es sei momentan profitabler zu sparen.

Auch Präsident Putin forderte vergangenen Dezember mehr Investitionen und wies Nabiullina an, eng mit der Regierung zusammenzuarbeiten. Seine Rede auf einem Bankenforum war gekennzeichnet durch das bereits genannte Paradoxon: Er forderte die Regierung auf, das Wachstum weiter zu fördern und sich zugleich um einen ausgeglichenen Haushalt zu bemühen. „Die Regierung wird also angewiesen, die Inflation zu senken und gleichzeitig das Geldangebot zu erhöhen, indem die Produktion und die Arbeitsproduktivität gesteigert werden. Dies ist in einer stark sanktionierten Wirtschaft, die auf Importsubstitution setzt, praktisch unmöglich“, so The Bell.

Da es die Unabhängigkeit der Zentralbank verhindert, diese zum Gelddrucken anzuweisen, bleibt dem Staat nur die Neuverschuldung oder der Griff in die öffentlichen Kassen. Wie andere Beobachter*innen rechnet auch Katharina Blum mit einer künftigen Kürzung der Sozialausgaben, die die Regierung bislang vermieden hat. Auch aus dem „Nationalen Wohlfahrtsfonds“, der das Rentensystem des Landes absichern soll, kann man sich noch über Jahre hinweg bedienen. Dennoch scheint es so, dass die Zentralbank immer weiter unter Druck gerät. Deren Unabhängigkeit „ist eine der letzten Barrieren, die die russische Wirtschaft davor bewahrt, in eine ausgewachsene Krise abzurutschen“, so Prokopenko und Kolyandr Mitte November: „Da Putin offenbar entschlossen ist, den Krieg in der Ukraine ohne Rücksicht auf Verluste fortzusetzen, könnte diese letzte Verteidigungslinie bald bröckeln.“

Ist die „Verteidigungslinie“ erst einmal durchbrochen, gibt es nichts mehr, das die Regierung davon abhalten kann, die Löcher im Staatshaushalt auf Kosten einer langfristig und an Stabilität orientierten Wirtschaftspolitik zu stopfen. Das wirkt sich irgendwann auch in der Rüstungsindustrie aus: Bereits jetzt werden laut Janis Kluge nur rund 20 Prozent der produzierten Panzerfahrzeuge wirklich neu hergestellt, ein Großteil der Bauteile stammt aus Sowjetzeiten: „Damit zehrt Russland noch heute von den Staatsausgaben längst vergangener Jahre, um seinen Krieg gegen die Ukraine führen zu können.“

Unberechenbares Wirtschaftsmodell

Die Sanktionen der westlichen Industrienationen können dazu beitragen, die genannten Widersprüche zuzuspitzen. Aussagen darüber, inwiefern die getroffenen Maßnahmen zum Ende des Krieges gegen die Ukraine beitragen können, wirken aber eher wie Kaffeesatzleserei; zumal die russischen Behörden laut Alexandra Prokopenko selbst den eigenen Beamten mittlerweile für eine realistische Einschätzung erforderliche Wirtschaftsdaten vorenthalten. Zu unvorhersehbar ist zudem das Zusammenwirken der verschiedenen Faktoren im derzeitigen russischen Wirtschaftsmodell, dessen Funktionsweise keinem Lehrbuch entspricht. Die chinesische Regierung hat gar eine Kommission eingesetzt, um es zu analysieren.

Die am vergangenen Montag vom russischen Finanzministerium veröffentlichten Zahlen untermauern die Unberechenbarkeit des Systems: Demnach beliefen sich die staatlichen Gesamteinnahmen im Dezember 2024 angeblich auf mehr als vier Billionen Rubel (40 Milliarden US-Dollar), was einem Anstieg von 28 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat entspräche. Das wäre ganz enorm, nämlich „der höchste Stand, der in den Daten des Ministeriums seit Januar 2011 verzeichnet wurde“, so die „Financial Post“. Das Haushaltsdefizit für das Jahr 2024 lag wie erwartet bei knapp unter zwei Prozent.

Nun bleibt abzuwarten, welche Schritte Donald Trump konkret unternimmt. In seinem Post vom Mittwoch schrieb er, bei seinem Vorschlag für ein Friedensabkommen die Interessen Russlands im Auge zu haben. „Ich werde Russland, dessen Wirtschaft zusammenbricht, und Präsident Putin einen sehr großen Gefallen tun“, schrieb er. Bereits zuvor hatte Scott Bessent, der in Washington das Amt des Finanzministers übernehmen soll, angekündigt, dass er „zu 100 Prozent an Bord sein werde, wenn es darum geht, die Sanktionen zu verschärfen, insbesondere gegen die großen russischen Ölkonzerne, bis zu einem Niveau, das die Russische Föderation an den Verhandlungstisch bringt“.

Trump wird Russland dabei nicht nur als Kriegspartei, sondern auch als Konkurrenten auf dem globalen Energiemarkt betrachten, den es möglichst kleinzuhalten gilt. Er wird also die kriegsbedingten Störungen auf dem Weltmarkt, die sanktionsbedingte Teuerung der Energiepreise sowie deren Auswirkung auf die eigene Wirtschaft angesichts der von ihm geplanten Ausweitung der Öl- und Gasförderung in den USA abzuwägen versuchen.

Unabhängig davon hat sich der russische Staatspräsident für ein Wirtschaftsmodell entschieden, von dem er sich nur schwer verabschieden können wird; nicht zuletzt angesichts der vielen Profiteure, auf die sich seine Herrschaft stützt. Die Kriegswirtschaft verschärft seit langem bestehende strukturelle Probleme, die sich über den Staatshaushalt, Waffenproduktion und Energieeinnahmen kaschieren, aber nicht lösen lassen. Doch Wladimir Putin war von jeher ein Meister darin, sich in Krisen als personifizierter Garant der Ordnung zu inszenieren.


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