Serien-Empfehlungen: „Self Made” und „My So-Called Life”

Wie jede Woche stellt die woxx eine neue Serie und einen Klassiker vor. Diesmal stehen faszinierende Frauenfiguren im Zentrum.

Self Made: Inspired by the Life of Madam C. J. Walker (2020)

„Self Made: Das Leben von Madame C.J. Walker“ deckt mehr ab als die Biografie der Self Made-Millionärin Sarah Breedlove (aka Madame C.J. Walker): Es geht um Sexismus, Schönheitsideale, Macht und zwischenmenschliche Beziehungen. (Quelle: Netflix)

(is) – Von der Tellerwäscherin zur Millionärin: Der Satz passt selten so gut, wie zum Leben der afroamerikanischen Unternehmerin Sarah Breedlove, besser bekannt als Madam C.J. Walker. Sie gilt als eine der ersten Selfmade-Millionärinnen der USA. Breedlove entwickelte Haarpflegeprodukte für schwarze Frauen und setzte sich für ihre finanzielle sowie intellektuelle Emanzipation ein.

Breedloves Ur-Ur-Enkelin A’Lelia Bundle hielt ihre Biografie 2002 in dem Buch „On Her Own Ground: the Life and Times of Madam C.J. Walker“ fest. Es diente den Regisseurinnen DeMane Davis und Kasi Lemmons als Inspiration für die Miniserie „Self Made: Das Leben von Madam C.J. Walker“ mit Octavia Spencer in der Hauptrolle, die im März 2020 auf Netflix anlief. Sie verknüpfen darin Elemente von Walkers persönlichem Schicksal mit der Thematisierung immer noch vorhandener Hürden für Frauen auf dem Weg zum Erfolg. Bundle bedauerte in einem Beitrag auf „The Undefeated“ die Verdrehung historischer Begebenheiten, die rassistische Vorurteile untermauern würden, wie etwa interkulturelle Rivalitäten unter schwarzen Frauen. Sie verweist auf die Interpretation von Annie Malone als hinterhältige, „light-skinned“ Addie Munroe (Carmen Ejogo) in der Serie, die mit der Vehemenz nicht stattgefunden haben soll. Auch wenn die Serie nur „inspired by“ sei, hätte das Publikum Anspruch auf eine nuancierte Darstellung der Tatsachen.

So problematisch die Gegenüberstellung der Frauen aus ethischer Sicht sein mag, erlaubt der inszenierte Konflikt zwischen Munroe und Walker die wichtige Hinterfragung von Schönheitsidealen. Munroe hält Walker vor, ihr Aussehen sei ein schlechtes Verkaufsargument. Anders als die idealisierte Werbefigur, die C.J. Walker – Walkers damaliger Ehemann und Berater – später für ihre Kampagne vorschlägt. Makellosigkeit und Werbung sind damals wie heute immer ein toxisches Duo, das Schönheitsnormen festlegt und sie zementiert.

Die überspitzte Rivalität der Frauen wird in der Serie außerdem zur Darstellung von Sexismus in patriarchalen Denkmustern inner- und außerhalb der eigenen vier Wände genutzt. Einflussreiche Männer geben lieber Munroe, die der Schönheitsnorm entspricht, das Wort als Walker – wenn auch nur, um sie mit Blicken und Desinteresse herabzuwürdigen.

Der Serie fehlt es am Ende an einer ausführlicheren Darstellung von Walkers Engagement für Frauen. Unbefriedigend ist auch die nur angedeutete Homosexualität von Walkers Tochter (Tiffany Haddish), die keinen Mehrwert für die Erzählung hat.

Netflix

My So-Called Life (1994-1995)

Angela (m.) und ihre besten Freund*innen Rayanne (.l) und Ricky (r.) (Quelle: ABC)

(tj) – Mit Blick auf die vergangenen 25 Jahre wirkt es wie keine große Sache, wenn eine Serie um einen weiblichen Teenager kreist. Bevor Produktionen wie „Buffy the Vampire Slayer”, „Felicity“ oder „Gilmore Girls” wie Pilze aus dem Boden schossen, war da aber vor allem eine Serie, die den Weg dafür ebnete: „My So-Called Life“.

Als die erste Folge im August 1994 über die Bildschirme flimmerte, bot sich den Zuschauer*innen ein ungewohnter Anblick. Nicht nur dass eine 15-Jährige Schülerin im Zentrum stand: Angela Chase (Claire Danes) war alles andere als eine glamouröse, charismatische Erscheinung. Dafür war sie umso authentischer: Sie hatte Unsicherheiten, bekam Pickel und war unbeholfen im Umgang mit Jungs. Mit einem scharfen Auge für die Komplexitäten und Widersprüchlichkeiten der Pubertät, schuf Macherin Winnie Holzman mit Angela eine Figur, die sich zögerlich und stolpernd vom Kindsein verabschiedet. Was in ihr vorgeht, erfahren wir durch Voiceovers. Sie geben Einblicke in die Gnadenlosigkeit, mit der sie ihr eigenes Verhalten oder das ihrer Mitmenschen bewertet.

Doch selbst wenn wir nicht erfahren, was sie denkt, ist stets Verlass auf Claire Danes’ ausdrucksstarke Mimik. Das Talent der damals 15-jährigen, noch unbekannten Schauspielerin ist schon in „My So-Called Life“ unverkennbar. Als Minderjährige durfte sie sich nur eine begrenzte Anzahl an Stunden am Filmset aufhalten, weshalb ein beträchtlicher Teil der Serie den Erwachsenen im Leben der Jugendlichen gewidmet wurde. Eine Notlösung – doch wurde die Serie durch diesen erweiterten Blickwinkel nur noch um Vieles besser und nuancierter.

Auch wenn Angela oft überfordert ist, so hat sie es als weißes, heterosexuelles Mädchen mit stabilem familiären Hintergrund, insgesamt relativ gut und das blendet die Serie keineswegs aus. Ihr schwuler, nicht-weißer Freund Rickie (Wilson Cruz) hat es da schon sehr viel schwerer. Ebenso die aus schwachen sozio-ökonomischen Verhältnissen stammende Rayanne (A. J. Langer), die von ihrer alleinerziehenden Mutter großgezogen wird.

In „My So-Called Life“ wurden immer wieder Stereotype unterwandert sowie Schönheitsideale und Geschlechterrollen hinterfragt – einer der vielen Gründe, weshalb sie auch im Jahr 2020 noch höchst sehenswert ist. Unabhängig davon, ob man sich die Serie zum ersten oder eventuell auch zum x-ten Mal anschaut: Es lohnt sich, parallel dazu den Podcast „The Boiler Room” zu hören, in welchem Kristin Russo und Joanna Robinson jede Folge queerfeministisch und humorvoll analysieren.

Auf DVD und iTunes


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