Am Mittwoch zog das Centre national de référence pour la promotion de la santé affective et sexuelle (Cesas) Bilanz der letzten eineinhalb Jahre. Die Ergebnisse der Arbeit können sich sehen lassen, doch es bleibt noch viel zu tun.
„La sexualité de nos enfants: De quoi vous vous melez?!“ Dieser Facebook-Kommentar zu einer vom Centre national de référence pour la promotion de la santé affective et sexuelle (Cesas) organisierten Weiterbildung zeigt, wie sehr Sexualität immer noch als Privatangelegenheit angesehen wird, als etwas, worüber öffentliche Institutionen sich nicht äußern sollten. Er deutet aber auch darauf hin, dass manche kindliche Sexualität immer noch für einen Mythos halten.
Gerade die Veranstaltung, auf die sich die Kommentatorin bezog – „La sexualité des enfants, de quoi parle-t-on ?“ –, könnte ihr möglicherweise einen Eindruck davon vermitteln, was die Förderung affektiver und sexueller Gesundheit ist und weshalb sie selbst bei den Jüngsten wichtig ist. Tatsächlich geht es nämlich weniger darum, sich einzumischen oder sexuelle Intentionen zu unterstellen, als darum, Kindern zu mehr Wohlbefinden und körperlicher Autonomie zu verhelfen.
Erst seit wenigen Monaten verfügt das Cesas über eine Facebook-Seite, eine weitere Initiative, die die Thematik der sexuellen und affektiven Gesundheit einem breiteren Publikum näherbringen soll. Es ist der bisher letzte Schritt einer ganzen Reihe an Maßnahmen des Zentrums, die am Mittwoch anlässlich einer Pressekonferenz vorgestellt wurden.
2013 war die Förderung der affektiven und sexuellen Gesundheit von der damaligen Regierung in einer Absichtserklärung festgehalten worden; im selben Jahr wurde der Nationale Aktionsplan zur Förderung der affektiven und sexuellen Gesundheit 2013-2018 verabschiedet. Ab diesem Moment sollte es noch zweieinhalb Jahre dauern, bis das Vorhaben in Form des Centre national de référence pour la promotion de la santé affective et sexuelle in die Tat umgesetzt wurde: Ende 2016 wurde die entsprechende Konvention unterschrieben, im Mai 2018 wurde das Zentrum offiziell eröffnet. Nicht, dass davor hierzulande keine Sexualerziehung stattgefunden hätte. Doch was fehlte, war eine Institution, die das große Ganze überschaut: Die einerseits sämtliche bereits tätigen Akteur*innen vernetzt und andererseits bestehenden Handlungsbedarf identifiziert und Lösungsansätze erarbeitet.
Ganzheitlicher Ansatz
Die prinzipielle Richtlinie des Cesas stand von Anfang an fest und orientierte sich an der Definition, der die Weltgesundheitsorganisation bezüglich sexueller und affektiver Gesundheit folgt. Im Sinne eines ganzheitlichen und positiven Verständnisses von Sexualität beschränkt sich Sexualerziehung demgemäß nicht nur auf physiologische und biologische Aspekte, sondern umfasst auch solche wie Freundschaft, Selbstsicherheit, Selbstbestimmung und Verantwortungsbewusstsein. In diesem Sinne setzte sich das Cesas zu Beginn vier Schwerpunkte: Ein Netzwerk von Institutionen zu schaffen, professionelle Akteur*innen anhand von Informationen und Weiterbildungen zu unterstützen, die breite Öffentlichkeit zu sensibilisieren und den gleichberechtigten Zugang zu neutralen Informationen über sexuelle und affektive Gesundheit zu gewährleisten.
Mit der Gründung des Cesas galt es, diese theoretische Ausrichtung in konkrete Maßnahmen münden zu lassen. Eine der ersten Zielsetzungen bestand darin, landesweit eine qualitativ und quantitativ kohärente sexuelle und affektive Weiterbildung zu gewährleisten, weshalb in die entsprechenden Diskussionen von Anfang an Organisationen wie Planning Familial, Centre d’information gay et lesbien (Cigale) oder auch die HIV-Berodung eingebunden wurden. Einer der Aspekte, die innerhalb dieses Pools festgehalten wurden, ist eine Weiterbildungsreihe zur psychosexuellen Entwicklung, die die Altersspanne von 0 bis 18 Jahren abdeckt. Zudem ist für den 21. November ein Symposium zum Thema „Quelles pratiques professionelles face à des situations d’intimité auprès d’enfants ou de jeunes?“ geplant.
Darüber hinaus sind aus dieser Zusammenarbeit mittlerweile zwei weitere zentrale Ergebnisse hervorgegangen. Eines davon ist eine Broschüre, die sämtliche Akteur*innen, Organisationen und Institutionen auflistet, die im Bereich der affektiven und sexuellen Gesundheit tätig sind. Insgesamt wurden 13 Themenbereiche festgelegt, die von Prävention und Behandlung sexuell übertragbarer Krankheiten über Sexologie bis hin zu sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt reichen. Neben Namen und kurzen Informationen über die jeweiligen Organisationen finden sich in der Broschüre auch Adressen, Telefonnummern und Internetadressen. Die Liste soll kons tant erweitert werden – so ist bereits geplant, sie durch die Kategorien „Elternschaft“, „Krebs“, „Hypersexualisierung“ und „Geschlechtergerechtigkeit“ zu ergänzen. Durch die Broschüre soll es künftig leichter werden, die passende Anlaufstelle zu finden.
Ein weiteres Ergebnis ist eine Charta, die Organisationen dazu veranlassen soll, sich auf eine ethische Weise bezüglich affektiver und sexueller Gesundheit zu engagieren. „Unterschreibende verpflichten sich einen Rahmen zu schaffen, der tolerant, offen und respektvoll gegenüber Sexualitäten und ihren in der Gesellschaft vorzufindenden Ausdrucksformen ist“ heißt es dort zum Beispiel. Zum Abschluss der Pressekonferenz wurde die Charta von Vertreter*innen von Cesas, Planning Familial, Croix-Rouge und Cigale unterschrieben.
Ein weiterer Aspekt der Charta umfasst Kriterien für Weiterbildungen, die im Rahmen der Förderung sexueller und affektiver Gesundheit angeboten werden. So sollten diese beispielsweise an das Alter und den sozioökonomischen Hintergrund des Zielpublikums angepasst sein und die Privatsphäre respektieren. Besonders letzterer Aspekt ist zurzeit nicht immer gegeben. Für Grundschulklassen ist nämlich bei Workshops externer Akteur*innen die Anwesenheit der Lehrperson verpflichtend. Wie uns der Sexualpädagoge Simon Georgen im September 2018 erklärte, trauen Kinder sich jedoch weniger, Fragen zu stellen, wenn eine Person anwesend ist, die eine Bewerterrolle einnimmt. Entsprechende Workshops würden den Richtlinien des Planning Familial widersprechen, weshalb man sich dazu entschieden habe, Schulbesuche in jenen Klassen abzulehnen.
Zu wenig Ressourcen
Insgesamt sei man sehr zufrieden mit der bisher geleisteten Arbeit, so Emilie Kaiser, Projektleiterin des Cesas im Gespräch mit der woxx. Luxemburg hinke in puncto Förderung der sexuellen und affektiven Gesundheit manchen seiner Nachbarländer zwar hinterher, so Kaiser, man müsse sich jedoch vor Augen halten, dass es das Cesas erst seit zwei Jahren gibt. Dass die Sexualerziehung hierzulande noch in den Kinderschuhen steckt, ist ohne Zweifel weder mangelnder Kompetenz noch Motivation auf dem Feld zuzuschreiben. Doch nach wie vor hapert es an menschlichen wie finanziellen Ressourcen. Die jeweiligen Organisationen führen zwar ganzjährlich Schulbesuche durch, doch längst nicht jedes Kind kommt im Laufe seiner Schullaufbahn in den Genuss eines solchen. Aus diesem Grund wird auf sogenannte „Multiplikatoren“ gesetzt, Lehrende und Erzieher*innen, die auf Basis von Weiterbildungen entsprechende Informationen an ihre Schüler*innen weitergeben. Wie Emilie Kaiser erklärte, fühlen sich jedoch längst nicht alle Lehrkräfte einer solchen Aufgabe gewachsen, viele würden sich schlicht nicht trauen, mit ihren Schüler*innen Themen rund um sexuelle und affektive Gesundheit anzusprechen. Kaiser bestätigt, dass das zum Teil auch auf einem falschen Verständnis der Thematik beruht: „Sex ist nur ein Aspekt von Sexualerziehung. Mindestens genauso wichtig ist es, Konsens, zwischenmenschliche Beziehungen und Geschlechterrollen mit Schüler*innen zu besprechen.“ Lehrkräfte, die aufgrund einer irrigen Vorstellung von Sexualerziehung entsprechende Weiterbildungen meiden, werden nur schwerlich ihre Haltung ändern. „Es steht deshalb außer Frage, dass sexuelle und affektive Gesundheit Teil der pädagogischen Grundausbildung sein sollte. Das ist im Moment aber noch nicht der Fall, obwohl wir dem Ministerium dies wiederholt nahegelegt haben.“
Die aktuelle Regierung ist die erste, die die Förderung sexueller und affektiver Gesundheit in ihrem Programm festgehalten hat. Daran wird deutlich, dass hierzulande manchmal recht banale Schritte ausreichen, um immer noch fortschrittlicher zu sein als vorangegangene Regierungen. Es ist zu hoffen, dass sich in den nächsten vier Jahren noch mit vielen weiteren Maßnahmen von Vorgängern abzuheben versucht wird.