Smartwielen.lu: Holprige Hilfestellung

Das Online-Werkzeug Smartwielen.lu ist gut gemeint, aber schlecht umgesetzt. Wähler*innen bleiben mit vielen Fragezeichen zurück.

Für Smartwielen braucht man – zum Glück – keine Virtual Reality-Brille, um sich anzusehen, welche*r Kandidat*in am besten zu den eigenen politischen Anschauungen passt. (Foto: CC-BY European Parliament)

Schon seit den Nationalwahlen 2018 stellen das Zentrum fir politesch Bildung und die Universität Luxemburg Smartwielen.lu zur Verfügung. Mit einem Fragebogen von insgesamt 38 Fragen kann jede*r sich ein persönliches „Matching“ für die kommende EU-Wahl am 9. Juni erstellen lassen. Die Wortwahl erinnert ein wenig an Online-Dating und ein wenig so wirkt es auch, wenn man die sechs Kandidat*innen präsentiert bekommt, die die höchste Übereinstimmung mit den eigenen politischen Ansichten haben sollen.

Damit das klappt, muss man allerdings die Fragen verstehen. Das ist gar nicht so einfach, denn viele der Thesen sind kompliziert formuliert, manche enthalten eine Verneinung, sodass nicht immer klar ist, was man will, wenn man „ja“ oder „nein“ auswählt. Das merkt man auch daran, dass bei einigen Fragen zwar viele Parteien „nein“ ausgewählt haben, in ihrer Begründung jedoch zum Teil völlig unterschiedlich argumentieren. Damit wird das System ad absurdum geführt und die Resultate sind damit völlig nichtssagend.

Eigentlich gibt es zu jeder Frage einen Erklärungstext, der ist jedoch nicht immer sehr fundiert: Bei der Frage um einen dritten Geschlechtseintrag werden ausschließlich intergeschlechtliche Menschen angeführt – der Fakt, dass zum Beispiel auch nicht-binäre Personen weder männlich noch weiblich im Pass stehen haben möchten, wird überhaupt nicht erwähnt. Eine andere Frage beschäftigt sich mit der Einstufung von Kernkraft als „nachhaltige“ Investition, aber statt zu erklären, was es mit der Taxonomie auf sich hat, schreibt Smartwielen von einem ominösen „grünen Label“. Wie soll politische Bildung funktionieren, wenn mit solch verkürzten Erklärungen gearbeitet wird?

Wie soll politische Bildung funktionieren, wenn mit verkürzten Erklärungen gearbeitet wird?

Zusätzlich zu den Kandidat*innen, deren Meinung am meisten mit der eigenen übereinstimmt, werden den Smartwielen-Nutzer*innen eine „Smartspider“ und eine „Smartmap“ angezeigt. Ersteres zeigt eine Einordnung auf sechs Achsen, letztere benutzt ein klassisches Links-Rechts-Schema und die Achse „Mehr oder weniger europäische Integration“. Die Dokumentation von Smartwielen zeigt allerdings, dass die Zuordnungen zu links-rechts zum Teil eher willkürlich passiert ist. So soll das Eintreten für oder gegen Geschlechterquoten auf Wahllisten „neutral“ sein. Praktisch für die CSV: Sie kann gegen Frauenquoten sein, ohne dadurch weiter rechts auf der „Smartmap“ zu landen. Auch die ADR profitiert davon und kann behaupten, alle anderen Parteien seien „links“. Es gibt noch mehr absurde Beispiele: Den Anbau von mehr GMO erlauben, heißt laut Smartwielen rechts zu sein, doch Kernkraft als nachhaltig bezeichnen ist neutral. Welche Argumente wie in aktuellen politischen Diskursen benutzt werden, scheint nicht in die Bewertung geflossen zu sein.

Bei all diesen Einordnungen handelt es sich natürlich um Vereinfachungen, die nicht komplett akkurat sein können. Doch gemeinsam mit der fragwürdigen Auswahl und Einordnung der Fragen ergibt sich ein konfuses Bild, das für mehr Verwirrung als Klarheit sorgt, insbesondere wenn die Antworten einzelner Kandidat*innen einer Partei sehr weit auseinanderliegen. Für die nächsten Wahlen sollte man sich ein anderes, smarteres System ausdenken. Bis dahin bleibt Wähler*innen nur übrig, sich umfassend über die Programme und Positionen der Parteien zu informieren. Das geht zum Teil mit Smartwielen, mit der Lektüre fundierter journalistischer Arbeit jedoch noch besser.


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