Superwahljahr: Legitimationsfalle

2023 schreitet Luxemburg gleich zweimal zur Urne. Das ist alle paar Jahrzehnte der Fall, doch diesmal kommt es dennoch zu einer Premiere.

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Ein ungewöhnliches Wahljahr erwartet Luxemburg 2023: Da die Mandatsperiode der Abgeordnetenkammer fünf und die der Gemeinderäte sechs Jahre beträgt, kommt es theoretisch alle 30 Jahre vor, dass beide Wahlgänge im gleichen Jahr stattfinden. Das geschah das letzte Mal 1999 und wäre eigentlich erst wieder 2029 der Fall gewesen.

Doch die vorgezogenen Chamberwahlen von Oktober 2013 haben diesen verfassungsrechtlich aktierten Rhythmus gleich zweifach durcheinandergebracht: Das gemeinsame Wahljahr findet nun schon 2023 statt und die beiden Wahlen würden sogar im gleichen Monat, wenn nicht sogar am gleichen Wahlsonntag stattfinden.

1999 wurde das Parlament im Juni gewählt. Die Gemeinderät*innen wurden am zweiten Sonntag im Oktober bestimmt. Welchen Impakt diese Reihenfolge hatte, verdeutlicht wohl am besten der Ausgang der Wahlen für die Stadt Luxemburg. Die amtierende Bürgermeisterin Lydie Polfer wurde als Außenministerin in die neue Regierung berufen. In der Folge übernahm ihr Parteikollege Paul Helminger das Bürgermeisteramt, das er dann auch nach den kurz darauffolgenden Wahlen für zwei Mandatsperioden innehatte.

Weil die CSV-LSAP Koalition 2013 im Frühsommer platzte und es in der Folge nicht ganz klar war, wie denn nun eigentlich Neuwahlen ausgelöst werden können, kam es erst im Oktober des gleichen Jahres zum Urnengang. Und auch die zweite blau-rot-grüne Koalition ging 2018 aus Wahlen hervor, die im Oktober stattfanden.

Ein Nachteil dieses Wahltermins: Das Budget des Folgejahres kann nicht mehr fristgerecht von der jeweils neuen Regierung vorbereitet werden. Eigentlich müsste es zu einem Zeitpunkt deponiert werden, wo noch nicht feststeht, wer denn die Geschicke des Landes für das betreffende Budgetjahr übernehmen wird. Der übliche Wahltermin vom Juni erlaubte es den eventuell neuen Koalitionären das Budget ihres ersten ganzen Amtsjahres fristgerecht vorzulegen. Derzeit müssen wir aber mit dem Umstand leben, dass alle fünf Jahre das nationale Budget dem Provisorium unterliegt, das in den ersten Monaten größere Projekte oder Neuerungen unnötig hinauszögert oder zumindest komplizierter macht.

Eine Konsequenz hätte sein können, dass spätestens im „Kollisionsjahr“ 2023 die amtierende Regierung freiwillig ein paar Monate früher aufhört und die Wahlen zum Beispiel wieder im Juni stattfinden lässt.

Stattdessen änderte man die eherne Regel, dass die Gemeindewahlen alle sechs Jahre am zweiten Sonntag im Oktober stattfinden. 2019 wurde festgehalten, dass in Jahren, in denen im Oktober Parlamentswahlen stattfinden, die Kommunalwahlen auf den ersten Sonntag im Juni vorverlegt werden. Dieser Fall tritt demnach 2023 ein.

CC BY-SA 4.0 Sultan Edijingo

Von der Abschaffung des Kumuls wurde viel geredet, umgesetzt wurde sie aber nicht.

Wesentlicher Unterschied zu 1999: Zuerst werden im Juni die Lokalmatador*innen gekürt. Es kann also sein, dass Kandidat*innen in ein Schöff*innerat gewählt werden, und danach ebenfalls bei Landeswahlen antreten. Diese Abfolge der Wahlen wird das Phänomen der „député-e-s / échevin-e-s maires“ sicherlich befeuern. Wieso sollte eine Partei auf solche stimmenbringende Kandidat*innen verzichten?

Damit ensteht aber auch ein Legitimationsproblem: Sollten diese außergewöhnlich gut bei den Parlamentswahlen abschneiden, stehen sie je nach Koalitionsbildung im Prinzip auch für einen Posten in der Regierung zur Verfügung. Gutgewählte Kommunalpolitiker*innen sehen sich dann in einer Zwickmühle: Geben sie ihr (eventuell frisch erworbenes) Kommunalamt auf, verraten sie ihr lokales Elektorat, treten sie nicht in die Regierung ein, enttäuschen sie womöglich ihre „parlamentarischen“ Wähler*innen.

Eine Lösung dieses Problems hätte in der Abschaffung des Kumuls von Schöffen*innenrats- und Parlamentsmandat bestanden. Davon wurde zwar viel geredet, umgesetzt wurde sie aber bislang nicht.

So werden uns in den Monaten bis Juni 2023 so manche Kandidat*innen hoch und heilig versprechen, dass sie sich vorrangig für kommunale Belange stark machen wollen. Sie können sich anschließend bis in den Herbst hinein überlegen, wie sie ihren Sinneswandel begründen sollen, wenn sie dann „zufällig“ doch noch zu etwas Höherem bestimmt werden.


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