US-Präsident Donald Trump droht der Ukraine damit, sie gegenüber der russischen Aggression wehrlos zu machen. Der Kreml setzt seine militärischen Angriffe auf das Land unbeirrt fort.

Warme Mahlzeiten für jene in der Ukraine, die nahe der Frontlinie leben: Essensausgabe des Projekts „Food without border“ im Ort Derhatschi bei Charkiw. (Foto: EPA-EFE/SERGEY KOZLOV)
Nachdem der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Freitag vergangener Woche im Weißen Haus vor die Tür gesetzt worden war, ging es Schlag auf Schlag. Das zuvor mit der US-Regierung ausgehandelte Abkommen über die Ausbeutung von Rohstoffen in der Ukraine blieb ununterzeichnet. Er habe nichts mit Selenskyj zu bereden, denn dieser sei „nicht bereit für Frieden“, postete Donald Trump. Das Problem sei, dass die US-Unterstützung Selenskyj das Gefühl gebe, „bei Verhandlungen einen großen Vorteil zu haben“. Dies war offenbar als Drohung gemeint, durch Beendigung der US-Unterstützung den Druck auf die Ukraine zu erhöhen. Und so kam es: Am Montag wurde bekannt, dass die USA die gesamte laufende Militärhilfe für die Ukraine vorläufig beenden. Das betrifft sowohl die Lieferung von Militärgerät und Munition als auch den Ankauf neuer Waffen.
Schon vor einigen Wochen hatte der Befehl Trumps, fast die gesamte Arbeit der Entwicklungsbehörde USAID einzustellen, die Ukraine hart getroffen. Unter anderem war die Unterstützung zur Reparatur der ukrainischen Energieinfrastruktur, die Russland seit Jahren zu zerstören versucht, trotz dringlicher Bitten seitens der ukrainischen Regierung eingestellt worden.
Die offene Frage, die auch Regierungen in der EU umtreibt, ist, was genau Trump erreichen will und wie weit er gehen wird. Trumps Gespräch mit Selenskyj in Washington, D.C., eskalierte, nachdem die unterschiedlichen Vorstellungen der ukrainischen und der US-Regierung zutage getreten waren: Selenskyj wies darauf hin, dass der russische Präsident Wladimir Putin zwischen 2015 und 2022 immer wieder Waffenstillstände gebrochen habe, um seine Aggression fortzusetzen. Deshalb brauche die Ukraine Sicherheitsgarantien mit einer „Absicherung“ durch die USA, sonst könne sie keinem Waffenstillstand zustimmen.
Trump wies ihn grob zurecht: Über Sicherheitsgarantien werde höchstens nach einem Waffenstillstand zu reden sein, die Hauptsache sei es, diesen zu erreichen. Und von US-Seite habe die Ukraine nicht mehr zu erwarten als das Abkommen über die Ausbeutung Seltener Erden und anderer Rohstoffe. Dass US-Firmen in der Ukraine wirtschaftliche Interessen hätten, müsse Schutz genug sein.
Mit der afghanischen Regierung handelte Trump 2017 ein vergleichbares Abkommen über den Zugriff auf Seltene Erden aus, auch dieses wurde als eine Art Garantie für zukünftige US-Unterstützung präsentiert.
Wie wenig von so einem Abkommen im Ernstfall zu erwarten sein dürfte, zeigt das Beispiel Afghanistan: Mit der afghanischen Regierung handelte Trump 2017 ein vergleichbares Abkommen über den Zugriff auf Seltene Erden aus, auch dieses wurde als eine Art Garantie für zukünftige US-Unterstützung präsentiert. Drei Jahre später begann die US-Regierung Verhandlungen mit den Taliban über den Abzug aller US-Truppen.
Einen noch schärferen Ton schlug US-Vizepräsident J. D. Vance an. Er konfrontierte Selenskyj mit einer Reihe von Vorwürfen: Er verhalte sich respektlos, sei undankbar und habe im Oktober 2024 für die Demokraten Wahlkampf gemacht. Als Selenskyj Vance widersprach, begann auch Trump, ihn hart anzugehen: Selenskyj habe keine Karten mehr in der Hand, also keine andere Wahl, als Trumps Plänen zuzustimmen.
Vertreter der US-Regierung verlangten nach Selenskyjs Abreise, dieser müsse sich entschuldigen. Die ukrainische Regierung versucht nun, über ihre Kontakte in die Republikanische Partei den Bruch zu kitten. In Europa haben mehrere Regierungen mitgeteilt, zwischen Selenskyj und Trump vermitteln zu wollen, allen voran die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Viele hoffen offenbar noch, dass Trump nur Druck auf die Ukraine aufbauen wolle, aber nicht vorhabe, sie vollkommen fallenzulassen. So sind die Waffenlieferungen bislang nur pausiert und unklar ist, ob Trump auch entscheiden wird, die Hilfe im Bereich der Aufklärung zu beenden oder die für die ukrainische Kommunikation an der Front wichtige „Starlink“-Satelliten zu sperren, die von Elon Musks Firma „Space X“ betrieben werden.
Keinerlei Druck will Trump aber offenbar auf Wladimir Putin ausüben, im Gegenteil. Die Nachrichtenagentur „Reuters“ berichtet, dass im US-Finanzministerium eine Liste von Sanktionen erstellt worden sei, deren Aufhebung bei Verhandlungen mit Russland angeboten werden soll. Am Montag erklärte US-Verteidigungsminister Pete Hegseth, dass Cyberoperationen gegen Russland eingestellt werden sollen.
Es wäre zu kurz gegriffen, die Gründe von Trumps Sympathie für Putin, die offenbar auch eine persönliche ist, nur in ideologischen Übereinstimmungen zweier autoritär auftretender Staatsführer zu suchen. Der Sondergesandte der US-Regierung für die Ukraine, Keith Kellogg, sagte bei der Sicherheitskonferenz in München, das Ziel sei, Russland aus der seit 2022 bestehenden Allianz mit China, der Islamischen Republik Iran und Nordkorea zu lösen. Unterdessen traf der ehemalige russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu, jetzt Sekretär des Sicherheitsrats der Russischen Föderation, Ende vergangener Woche ohne großes Aufsehen in Peking auf Chinas Staatsoberhaupt Xi Jinping.
Was auch immer die Pläne der Regierung Trump sein mögen, Selenskyj gilt als Hindernis; sollten die Vorhaben scheitern, ist er als Sündenbock auserkoren. Trumps Behauptung, der ukrainische Präsident sei ein „Diktator“, reiht sich nahtlos in eine regelrechte Hasskampagne ein, die zahlreiche Persönlichkeiten der Trump-Bewegung gegen Selenskyj führen. Donald Trump Jr. teilte ein Meme, das Selenskyj zeigt, wie er dreist nach Geld fragt, woraufhin er die Abfuhr des US-Präsidenten erhält; Elon Musk bezeichnet Selenskyj als kriminellen Tyrannen, der „eine gewaltige Korruptionsmaschinerie betreibt, die sich von den toten Körpern ukrainischer Soldaten nährt“. Der neu ernannte FBI-Direktor Kash Patel forderte den US-Kongress auf, Ermittlungen über den Verbleib der an die Ukraine gezahlten finanziellen Hilfen anzustrengen, denn Selenskyj könne nicht getraut werden.
Selbst der republikanische Senator Lindsey Graham, ehemals einer der prominentesten Unterstützer der Ukraine, der Selenskyj vor einem heftigen Schlagabtausch im Weißen Haus gewarnt haben soll, beschuldigte ihn nun, die Beziehungen dauerhaft beschädigt zu haben, und forderte dessen Rücktritt.
Die Rhetorik der Trump-Anhänger ähnelt der russischen Regierungspropaganda, die die ukrainische Regierung als illegitim darstellt und zu ihrem Sturz aufruft. Außenminister Sergej Lawrow lobte Trumps Äußerungen über Selenskyj und bezeichnete diesen als einen „Nazi“ und „Verräter am jüdischen Volk“; Selenskyj ist Jude.
Ziel sei es, Russland aus der seit 2022 bestehenden Allianz mit China, der Islamischen Republik Iran und Nordkorea zu lösen.
Im Kreml hatte man sich mit einer Reaktion auf das Treffen in Washington mehrere Tage Zeit gelassen. „Das Kiewer Regime und Selenskyj wollen keinen Frieden, sie wollen die Fortsetzung des Kriegs“, sagte Pressesprecher Dmitrij Peskow schließlich. Dabei gibt er selbst zu, dass die Moskauer Führung derzeit mit den USA zwar im Dialog über die Normalisierung der bilateralen Beziehungen stehe, die russische Seite jedoch ihre „militärische Spezialoperation“ weiterführe bis zur Erreichung aller russischen Ziele.
Sollte Russland jetzt einem Waffenstillstand zustimmen, hätte es zumindest die Ziele einer „Demilitarisierung“ der Ukraine und ihrer Abkehr von der EU verfehlt. Denn auch ohne US-Waffenlieferungen könnten EU-Staaten die Ukraine weiter militärisch versorgen; außerdem hat diese in den vergangenen Jahren ihre eigene Rüstungsproduktion stark ausgeweitet.
In der russischen Medienpropaganda schlägt sich die Annäherung an die US-Regierung bereits nieder. Erstmals seit drei Jahren widmete der staatliche Fernsehkanal „Rossija 1“ der Oscar-Verleihung wieder einen Beitrag, auch andere staatliche Medien berichteten. Noch vor einem Monat, als die Nominierung des russischen Schauspielers Jurij Borisow bekanntgegeben worden war, dominierte eine eindeutig negative Tonart.
Das unabhängige russische Online-Medium „Wjorstka“ berichtete mit Verweis auf anonym bleibende Mitarbeitende russischer Staatsmedien, dass die Wiederannäherung Russlands an die USA und dessen Präsidenten derzeit noch verhalten positiv dargestellt werden solle. „Wir machen keine Versprechungen über das Ende der militärischen Spezialoperation, Fristen nennen wir keine“, fasste einer der Gesprächspartner zusammen.
Seit sich die EU-Staaten auf eine verstärkte militärische Unterstützung der Ukraine geeinigt haben und bei einem Treffen in London am vergangenen Wochenende auch die mögliche Stationierung von Bodentruppen in der Ukraine zur Sicherung eines künftigen Waffenstillstands diskutiert wurde, werden die entsprechenden Staaten verstärkt propagandistisch angegriffen. So erklärte Aleksandr Bastrykin, der Vorsitzende des politisch mächtigen Ermittlungskomitees, einer dem russischen Präsidenten unterstellten Justizbehörde, die ukrainischen Streitkräfte bezögen ihre gefährlichsten Waffen aus Großbritannien, Kanada und Deutschland. Solche abrupten Verlagerungen gehen russischen Kriegsbloggern wie jenem, der sich „Alex Parker Returns“ nennt und dessen „Telegram“-Kanal 246.000 Follower hat, zu weit. „Die USA liefern jetzt also keine todbringenden Waffen mehr“, heißt es da ironisch. Und sie trügen dementsprechend auch keine Verantwortung mehr für den Tod russischer Zivilisten.
Kriegsmüde zeigen sich aufgrund der hohen Verluste in Russland viele. Sollte Russland seinen Haushalt jedoch dank künftiger Entscheidungen der Regierung Trump wieder sanieren können, könnte die derzeit laufende Kriegsproduktion ungebremst weitergehen.