Umwelt- und Klimapolitik: Gemischte Bilanz (1/2)

Nachhaltigkeit war ein wichtiges Schlagwort für die blau-rot-grüne Regierung. Die woxx hat sich angeschaut, welche Versprechen beim Schutz von Klima und Umwelt gemacht und eingehalten wurden – oder auch nicht.

Naturschutzgebiete wie der Giele Botter in Niederkorn sind wichtig, aber Umweltpolitik umfasst viel mehr. (Foto: woxx/ja)

Sowohl Umwelt- als auch Klimaschutz stehen seit Kurzem in der Verfassung Luxemburgs. Die Idee, den Kampf gegen die Klimakrise als Staatsziel festzulegen, kam von CSV und Déi Gréng. Dadurch, dass es jedoch kein einklagbares Recht ist, handelt es sich um ein Symbol, dessen Einsatz vermutlich auf politische Reden beschränkt sein wird. Neben der neuen Verfassung hatte sich die Regierung so einiges in Sachen Umweltpolitik vorgenommen. Anhand des Koalitionsabkommens hat die woxx versucht, einen Überblick darüber zu bekommen, welche Versprechen eingehalten wurden – und welche nicht.

Etwas mehr als sechzig Versprechen lassen sich aus dem Regierungsprogramm im Bereich Nachhaltigkeit, Klima und Ressourcen ablesen. Bei vielen ist jedoch fünf Jahre später nicht immer ganz klar, was damit gemeint war – und ob eine Maßnahme der Regierung sich auf diesen Satz aus dem Koalitionsprogramm bezieht oder nicht. Einige Versprechen waren bereits in der legislativen Pipeline oder sogar schon fix und fertig, etwa das Verbot von kostenlosen Einweg-Plastiktüten. Bei anderen sind die Formulierungen so gewählt, dass es unmöglich ist, sie tatsächlich zu bewerten.

Hat die Regierung zum Beispiel alles darangesetzt, das Klimaabkommen von Paris zu respektieren? Sie hat ein stark kritisiertes und beinahe zahnloses Klimagesetz ins Parlament gebracht. Dann kam es noch dicker: Die nun gesetzlich vorgeschriebene Klimaplattform – das Gremium, in dem sich die Zivilgesellschaft offiziell in die Klimapolitik einbringen kann – wurde mit großer Verspätung ins Leben gerufen. Auch die sektoriellen Ziele waren wohl mit der CFL unterwegs und blieben lange unbekannt.

Der berühmt-berüchtigte Energie- und Klimaplan (Pnec) sollte laut Regierungsabkommen spätestens am 31. Dezember 2019 an die EU-Kommission geschickt werden. In Brüssel musste man jedoch bis Februar 2020 warten, bis er eingereicht wurde. Auch die Erneuerung des „Klimapakt“ mit den Gemeinden sorgte für Wartezeiten und Ungewissheit bei den Klimaberater*innen: Das entsprechende Gesetz lief im Dezember 2020 aus, aber bis zur Abstimmung des neuen Textes im Parlament dauerte es bis Juni 2021. Kritik gab es dabei nicht nur an dem schneckenhaften Tempo, sondern auch an der Tatsache, dass die Gemeinden auch für Maßnahmen, die nicht direkt Treibhausgase einsparen, Punkte im Zertifizierungssystem des Klimapaktes erhalten (woxx 1623 und 1636).

Zu niedrige CO2-Steuer

Neben der Mobilität ist der Energiesektor ein großer Treiber der Klimakrise. Wenig verwunderlich also, dass die Regierung die „Produktion von Elektrizität und Wärme auf Basis von erneuerbaren Energiequellen […] wesentlich“ ausweiten wollte. Das ist ihr höchstens so halb gelungen, denn laut Statec ist der Anteil erneuerbarer Energieformen beim Endverbrauch von Wärme von 8,9 Prozent im Jahr 2018 auf 11,7 Prozent im Jahr 2021 gestiegen. Beim Strom lagen diese Werte in der gleichen Zeitspanne bei 9,1 respektive 14,2 Prozent. Im Bereich der Energieerzeugung hat sich also durchaus etwas bewegt, doch ob man von einer „wesentlichen“ Ausweitung sprechen kann, ist zweifelhaft. Die Pläne, die man sich 2020 im Rahmen des nationalen Energie- und Klimaplans zum Ausbau von Fotovoltaik und Windkraft gesetzt hatte, konnten auf jeden Fall nicht eingehalten werden. Deswegen beschloss die Regierung im Pnec 2023, die Ziele nicht zu verändern, sie dafür jedoch vergleichsweise schneller erreichen zu wollen.

Mit einer CO2-Steuer versucht die Regierung, den Verbrauch beziehungsweise den Verkauf von Benzin und Diesel einzuschränken. Die Maßnahme bringt aber vor allem Geld in die Staatskasse, die dann zur Hälfte in Klimaprojekte fließt. Die Steuer wird allerdings als zu niedrig kritisiert: Sowohl der Klima-Biergerrot (KBR) als auch das Observatoire de la politique climatique (OPC) forderten mindestens 200 Euro pro Tonne CO2. Derzeit liegt die Steuer bei 30 Euro pro Tonne, bis 2026 soll sie auf 45 Euro angehoben werden. Das hielt die Regierung jedoch nicht davon ab, im Sommer 2022 den Tankrabatt zu beschließen, um gegen die Inflation während der Energiekrise zu kämpfen. Der Ausstieg aus dem Tanktourismus soll so langsam und sanft wie möglich vonstatten gehen. „Alles daransetzen“ sieht anders aus. Der Regierung muss man allerdings zugutehalten, dass sie mit dem 1. Januar 2023 Gasheizungen in Neubauten de facto verboten hat: Die Referenztechnologie sind Wärmepumpen und an deren Emissionswerte kommen fossile Heizungen nicht heran.

Auch an der neuen Version des Pnec, die im April 2023 präsentiert wurde, äußerten Umwelt-NGOs und das OPC viel Kritik. Letzteres teilte in seiner Stellungnahme hart aus: „Es fehlt eine nationale Strategie und Vision für integrierte Lösungen, die sektorübergreifend relevant sind. Der aktuelle Plan vernachlässigt weitgehend die Notwendigkeit, umfassende und kohärente Maßnahmenbündel zu entwerfen und zu erörtern, die strategisch auf systemische Veränderungen abzielen und gleichzeitig die Bürger*innen dazu motivieren, ihr derzeitiges Verhalten mit hohem Verbrauch und hohen Treibhausgasemissionen zugunsten eines klimaresilienteren Lebensstils zu ändern.“ Obwohl das OPC substanzielle, harte Kritik geäußert hat, reagierte die Regierung bisher nicht.

Das OPC kritisierte nicht nur die klimapolitischen Leitlinien des Pnec, sondern auch die Tatsache, dass den Bürger*innen lediglich ein Monat Zeit blieb, um Stellung dazu zu nehmen. Mit gleich zwei Bürger*innenräten – einen für das Klima, einen für die Landesplanung – probierte die blau-rot-grüne Koalition zwar eine direktere Beteiligungsform aus, zog daraus jedoch wenig Konsequenzen. Die großen Maßnahmen, die diese Gremien forderten, sind allesamt nicht umgesetzt worden. Da wundert es nicht, dass andere Beteiligungsformate, wie etwa eine Plattform zur Agenda 2030 oder die „systematische Förderung der Teilnahme von Bürger*innen an ökologischer und solidarischer Transition“, wie sie im Koalitionsabkommen versprochen wurden, gar nicht erst begonnen wurden.

CC BY-SA 3.0 MMFE /Wikimedia

Gegen Kernkraft und Mikroplastik

Was der Regierung hingegen besonders stark am Herzen lag, war der Kampf gegen Kernkraft. Es war nicht nur die Kampfansage „Luxemburg kämpft weiter für eine Politik des Verzichts auf die Förderung von Atomkraft, Kohle, Fracking sowie CO2-Abscheidung und -Speicherung“ im Koalitionsprogramm zu finden, sondern es wurde auch angekündigt, das Gesetz zu Haftungsfragen im Falle eines nuklearen Unfalls Wirklichkeit werden zu lassen. Anfang 2018 vorgestellt, mahlten die Mühlen der Chamber bis Ende Mai 2020, bis das Gesetz nur mit den Gegenstimmen der ADR angenommen wurde. Mehr als ein Papiertiger ist das Gesetz jedoch nicht: Sowohl Belgien als auch Frankreich diskutieren eher über mehr Kernkraftwerke als darüber, jene in der Nähe Luxemburgs zu schließen. Würde das Großherzogtum von einem GAU ausgelöscht, wäre es schließlich auch eher schwierig, einen Energiekonzern vor ein Luxemburger Gericht zu zitieren.

Solange Luxemburg noch nicht verstrahlt ist, produziert das Land im europäischen Vergleich sehr viel Müll und stand 2020 laut Eurostat mit 790 Kilo pro Kopf auf dem dritten Platz nach Dänemark und Österreich. Zumindest der Anteil des Restmülls konnte – durch Maßnahmen, die in anderen Ländern längst Standard sind – gesenkt werden: Von 194 Kilo pro Kopf im Jahr 2018 sank die Menge des Restmülls auf 163,2 Kilogramm im Jahr 2021. Der Kampf gegen die wachsenden Müllberge stand somit auch im Regierungsprogramm, vor allem wollte man Einweg-Gratis-Plastiktüten verbieten und Maßnahmen gegen Mikroplastik ergreifen. Während das Plastiktütenverbot eigentlich schon in der Legislaturperiode davor beschlossen worden war, buk die Regierung durchaus große Brötchen: ein großes Gesetzespaket zur Abfallwirtschaft, das auch Supermärkte stärker in die Pflicht nimmt.

Darin enthalten sind auch Maßnahmen gegen Mikroplastik, die allerdings nur die Herstellung und das Inverkehrbringen von sogenanntem „primären Mikroplastik“ betrifft. Damit sind zum Beispiel Plastikkügelchen gemeint, die Kosmetikprodukten beigemischt sind. Das macht jedoch nur acht Prozent des Mikroplastiks aus, das Umwelt und Meere verschmutzt: Der allermeiste Plastikstaub kommt vom Abrieb von Autoreifen. Außerdem haben viele Kosmetikhersteller aus Angst vor strenger Regulierung und schlechter Presse bereits seit längerer Zeit angekündigt, ihre Produktion umzustellen.

Endlich ein neues Waldgesetz

Als die woxx Ende Oktober 2018 unter dem Titel „Wie die Erde retten?“ einige Ideen zur Umweltpolitik darlegte, schrieben wir, das neue Waldgesetz könnte sicher bald im Plenum der Chamber abgestimmt werden. Der erste Vorschlag, der die zum Teil über 400 Jahre alten Gesetzestexte zusammenfassen und modernisieren sollte, war schon im Juli 2018 – vor den Wahlen – vorgestellt worden (woxx 1482 und 1744). Die Abstimmung erfolgte jedoch erst im Juli 2023. Da die Gesetzesänderung so lange auf sich warten ließ, war wohl keine Zeit, das nationale Forstprogramm wie versprochen zu überprüfen. Angesichts Klimakrise, kranken und gestressten Bäumen sowie stetig wachsendem Wilddruck wäre das nach fast zwanzig Jahren jedoch auch überfällig.

Im Koalitionsabkommen heißt es, „es wird darauf geachtet, dass Abschusspläne respektiert werden“ – ein Gummisatz, dessen Bedeutung wohl bis beinahe zur Unendlichkeit gedehnt werden wird. Obwohl die Natur- und Forstverwaltung sehr ausführliche Berichte zur Wildtierpopulation veröffentlicht, in denen auch die Abschusszahlen abgedruckt werden, findet sich darin keine Erwähnung, inwiefern die Pläne eingehalten wurden. Darin wird auch erwähnt, was bisher wenig in der Öffentlichkeit diskutiert wurde: Die Wildschweinpopulation in Luxemburg sei derart gewachsen, dass ihr „mit traditionellen Jagdmethoden nicht beizukommen“ sei. 2022 wurde daher entschieden, einen Managementplan zur erstellen und dabei auch „mögliche neue Wege zu diskutieren“. Mit am Tisch sitzen neben Jäger*innen, Naturschutz-NGOs und Landwirt*innen auch Tierschutzorganisationen und Jagdgegner*innen. Letztere wird freuen, dass die Regierung sich an ihr Versprechen, die Fuchsjagd weiterhin zu verbieten, gehalten hat. Die Neuorganisation der Jagdbezirke fand in den letzten fünf Jahren ebenfalls statt, nämlich im August 2019.

Während im Wald also durchaus Fortschritte erzielt wurden, litt der Klimaschutz darunter, dass zuerst das Klimagesetz verwässert und dann die Umsetzung stümperhaft angegangen wurde. Das mag auch daran liegen, dass die Umweltministerin Carole Dieschbourg wegen politischem Druck durch die „Gaardenhäischen“-Affäre zurücktrat und Joëlle Welfring (beide Déi Gréng) sich erst in viele Dossiers einarbeiten musste – doch gerade beim Klimaschutz müsste die Regierung beständig Tempo machen.

Im Koalitionsprogramm wurden nicht nur Maßnahmen versprochen, die nicht eingehalten wurden, sondern auch solche, die bereits erfüllt waren. Das trifft auch auf die Bereich Biodiversität, Wasser- und Luftqualität zu, die wir im zweiten Teil dieser Serie behandeln werden.

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