Auf dem 3. UN-Ozeangipfel bekannten sich weitere Staaten zum Schutz der Meere, die steigenden Emissionen des Schiffssektors waren jedoch kein Thema. Zudem fehlt es noch an politischer Unterstützung, damit wichtige internationale Abkommen in Kraft treten können.

Ruf der Muschel: Die dritte UN-Ozeankonferenz, die alle zwei Jahre organisiert wird, begann am 9. Juni in Nizza. (Foto: IISD/ENB, Kiara Worth)
Es sind bescheidende Schritte vorwärts. Zehn Jahre nach dem Pariser Abkommen sollte die dritte UN-Ozeankonferenz in Nizza „in gleicher Weise“ ein „Meilenstein für die Meerespolitik“ werden, so die Erwartung Emmanuel Macrons zu Beginn. Der Vergleich des französischen Präsidenten ist etwas schief: Im Gegensatz zu den Klimakonferenzen werden am Ende der Ozeangipfel lediglich die Abschlusserklärungen und keine rechtlich bindenden Verträge verabschiedet. Ziel ist stattdessen die Überprüfung und Umsetzung des 14. nachhaltigen Entwicklungsziels der Vereinten Nationen: den Schutz der Meere vor Ausbeutung und Verschmutzung durch den Menschen.
Fünf Tage lang besprachen Delegierte aus 167 Ländern an der französischen Riviera drei Hauptpunkte: ein Moratorium für den Tiefseebergbau, das „30×30“-Ziel zur Biodiversität und ein Abkommen über die Plastikverschmutzung. Größere internationale Zielsetzungen gab es keine, dafür aber „ermutigende“ diplomatische Fortschritte. So hieß es zumindest von Delegierten als die Konferenz, deren einer der Hauptsponsoren der Schifffahrtskonzern „CMA CGM“ war, am 13. Juni zu Ende ging, wie das Earth Negotiations Bulletin berichtete.
Die Konferenz als Katalysator
So befürworteten über ein Dutzend Ländern im Laufe der Woche die Ratifizierung des sogenannten „Biodiversity Beyond National Jurisdiction“-Abkommens (BBNJ), das auch als „Hochseeabkommen“ bekannt ist. Mehr als 60 Prozent der Ozeane befinden sich in internationalen Gewässern. Bislang sind diese kaum reguliert und überhaupt nicht geschützt. Das Hochseeabkommen, das schon im Juni 2023 adoptiert wurde, soll dies ändern und unter anderem Schutzgebiete auf hoher See errichten. Das Abkommen könnte demnach entscheidend sein, um bis 2030 dreißig Prozent der Meere unter Schutz zu stellen – eins der Hauptziele der 15. UN-Biodiversitätskonvention (woxx 1715). Bislang sind weniger als 10 Prozent der Ozeane geschützt.
Damit es ab Januar 2026 in Kraft treten kann, muss das Abkommen jedoch von 60 Mitgliedsstaaten ratifiziert werden. Die Konferenz in Nizza war für einige Länder, zum Beispiel Griechenland und Rumänien, ein willkommener Anlass, das Abkommen in nationales Recht umsetzen. Ein Tag nach Beginn der Ozeankonferenz folgte auch Luxemburg: Am 10. Juni verabschiedeten die Abgeordneten der Kammer mit 59 Ja-Stimmen das entsprechende Gesetzesprojekt. „Der Schutz des Ozeans gehört zu den drei Prioritäten der internationalen Verpflichtungen für Biodiversität in unserem nationalen Plan für den Schutz der Natur“, erklärte der Delegierte Luxemburgs Eric Schauls auf dem Ozeangipfel in der öffentlichen Sitzung vom 11. Juni. Luxemburg „befindet sich derzeit auf der Zielgeraden zu einer Ratifizierung des BBNJ-Abkommens.“ Bisher haben insgesamt 56 Staaten das Abkommen ratifiziert, die wichtige Marke von 60 ist also noch nicht geknackt.
Schutz vor finanzieller Ausbeutung
„Wir sind uns der lebenswichtigen Bedeutung der Ozeane für unser Klima, unsere biologische Vielfalt und unsere Ernährungssicherheit bewusst“, sprach Eric Schauls, ein Meeresbiologe, weiter. Obwohl das Großherzogtum über keinen Meereszugang verfügt, gibt es dennoch eine Flotte unter luxemburgischer Flagge. Laut Angaben der Regierung lag 2023 die Anzahl der Schiffe, die den „Roude Leiw“ hissen, bei 204, rund 225 Unternehmen in Luxemburg arbeiten zudem im maritimen Sektor. Umweltminister Serge Wilmes (CSV) selbst hielt, obschon er sich am Montag, dem 9. Juni, zur Eröffnung der Konferenz in Nizza befand, keine Rede. Dies zum Bedauern der NGO Greenpeace: „Die politische Bedeutung des luxemburgischen Diskurses wurde dadurch erheblich geschmälert“, kommentierte Altynaï Bidaubayle, Kampagnenbeauftragte bei Greenpeace Luxemburg, dies in einer Pressemitteilung. Allerdings bleibe die offizielle Position Luxemburgs in Sachen Ozeanschutz weiterhin „progressiv“.
So zeigte das Großherzogtum auch beim Moratorium für den Tiefseebergbau Rückgrat. „Es ist unsere kollektive Pflicht, [hierbei] das Päventionsprinzip anzuwenden“, begründete Schauls Luxemburgs Anschluss an die Forderung. NGOs und Meeresbiolog*innen hatten sich für das Moratorium stark gemacht und warnen, dass Bergbauaktivitäten in der Tiefsee Seeböden und noch meist unbekannte Ökosysteme zerstören, sowie gespeicherten Kohlenstoff freisetzen könnten. Die Bemühungen für ein weltweites Moratorium kommen nur langsam voran: Vier Länder haben sich seit der Ozeankonferenz dazu bekannt, insgesamt unterstützen nun 37 Länder die Pause. Ende April umging US-Präsident Trump die multilateralen Bemühungen und unterzeichnete ein Dekret für den industriellen Bergbau in der Tiefsee. „Wir können es uns nicht leisten, die Abgründe den privaten Interessen zu überlassen“, warnte Bidaubayle von Greenpeace. „Das Moratorium braucht eine breite Unterstützung und starke Stimmen, um diese Umweltkatastrophe zu verhindern. Luxemburg muss jede Gelegenheit nutzen, um seine diplomatischen Maßnahmen zu verstärken und bei der nächsten Sitzung der Internationalen Meeresbodenbehörde im Juli mehr Gewicht zu haben.“
Dabei kommt den Ozeanen im Kampf gegen die Biodiversitäts- und die Klimakrise eine enorm wichtige Bedeutung zu. Jährlich speichern die Meere ein Viertel der von Menschen verursachten CO2-Emissionen und produzieren gleichzeitig rund die Hälfte des Sauerstoffs der Erde. Wird diese Aufnahmekapazität jedoch überstrapaziert – wie es in den letzten Jahren zunehmend der Fall war und immer noch ist –, sind die Konsequenzen verheerend (woxx 1347): Der ph-Wert sinkt, die Meere werden saurer – und sind heute 40 Prozent saurer als in vorindustrieller Zeit. Einem 2019 veröffentlichten Bericht der Europäischen Umweltagentur zufolge befinden sich 80 Prozent der EU-Meeresgewässer durch die Belastung mit Schadstoffen in einer „problematischen“ Lage. Durch die Verschmutzung der Ozeane, die industrielle Fischerei und die höheren Temperaturen (im Mai erreichten die Meeresoberflächentemperaturen im Nordostatlantik nach Angaben des EU-Forschungsprojektes „Copernicus“ Rekordwerte) steigt der Meeresspiegel, ganze Lebensräume werden zerstört und Arten sterben aus. Es folgen Erosionen, Überschwemmungen, extreme Regenfälle und heftigere Stürme. Direkt betroffen sind neben einzigartigen Ökosystemen, rund eine Milliarde Menschen, die in den Küstengebieten am und vom Meer leben.
Aufrufe zu Investitionen und Plastik-Abkommen

Werden Meeresregionen vor Ausbeutung wie industrieller Fischerei mit Rundschleppnetzen oder Tiefseebergbau geschützt, kann sich die Artenvielfalt in mehreren Jahren erholen. (Foto: Marek Okon, Unsplash)
Dennoch nimmt die Überfischung pro Jahr um ein Prozent zu und nur knapp 2,7 Prozent der Ozeane sind vor industriellen Aktivitäten geschützt – Wissenschaftler*innen nach die einzige Maßnahme, um Ökosysteme zu erhalten. Währenddessen wächst der internationale Frachtverkehr weiter an, und die Dekarbonisierung der Schifffahrtsindustrie kommt schleppend voran. Die internationale Seeschifffahrtsorganisation hat zwar dieses Jahr Maßnahmen zur Reduzierung der Emissionen vorgeschrieben, doch beziehen sich diese bislang nur auf größere Frachtschiffe (woxx 1833). Anfang Juni stellte ein neuer Bericht des europäischen Rechnungshofes zur Meeresverschmutzung fest, dass in der EU nicht genügend Schiffe überprüft werden und die Datenlage zu lückenhaft ist um zum Beispiel die Quellen von Abfall auszumachen.
Nicht ohne Grund wiederholte die Unesco während des Ozeangipfels demnach ihre Forderung nach „massiven Investitionen“ in die Ozeanforschung. Weltweit machen diese heute „weniger als zwei Prozent der nationalen Forschungsbudgets aus“, so Unesco-Generaldirektorin Audrey Azoulay in einer Pressemitteilung. Die Organisation ruft zur Zusammenarbeit mit kommerziellen Schiffen auf, und bietet Redereien an, ihre Schiffe mit Sensoren zur Datensammlung auszurüsten. Bis 2035 hofft die Unesco so 10.000 Schiffe zur Beobachtung der Ozeane zu rekrutieren. Neben einer Abschlusserklärung zum Schutz der Meeres- und Küstengebiete, verpflichteten sich einige Parteien gegen Ende in Nizza zu finanziellen Zusagen. 15 Milliarden Euro versprach die Europäische Investitionsbank mit Sitz in Luxemburg in den nächsten drei Jahren. Ob das versprochene Geld genügt, ist aber fraglich. Von den insgesamt 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen ist das 14. zum Schutz der Ozeane eines jener, für das am wenigsten Mittel zur Verfügung stehen.
Einen Lichtblick boten vor allem einige Insel- und Küstenstaaten. So verpflichteten sich unter anderem Tansania zur Einrichtung von zwei neuen Meeresschutzgebieten und Samoa zu einem Fischereiverbot in 30 Prozent seiner Gewässer. Ghana kündigte an, industrielle Fischerei in seinen Hoheitsgewässern verbieten zu wollen. Neben dem BNJJ-Abkommen zum Schutz eines Drittel der Ozeane, steht außerdem das Übereinkommen der Welthandelsorganisation zum Kampf gegen illegale Fischerei und der Überfischung kurz davor, in Kraft zu treten. Knapp neun Ratifizierungen von 111 sind noch dafür nötig. Auch ein weltweites Anti-Plastik-Abkommen zur Reduzierung der Plastikproduktion und -verschmutzung wurde in Nizza in einer Erklärung, die von Luxemburg und 95 anderen Ländern unterschrieben wurde, erneut befürwortet. Wenn sich auch kein großer Ölstaat unter den Unterzeichnenden befindet, begrüßten Delegierte die Erklärung als „ermutigend“. Nach den größtenteils erfolglosen Verhandlungen in Busan im Dezember (woxx 1814), könnte das Abkommen, so die Hoffnung nun, in der am 5. August beginnenden Sitzung unterzeichnet werden. Ein besserer Schutz der Meere ist demnach in Sicht. So gab sich UN-Generalsekretär António Guterres auf der Ozeankonferenz noch hoffnungsvoll: „Was in einer Generation verloren gegangen ist, kann in einer Generation zurückkehren.“ Noch sei das Meer resilient genug, aber die Weltgemeinschaft dürfte private Interessen nicht voranstellen.
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