UN-Biodiversitätskonvention: Gemischte Signale?

Das Verabschieden eines Plans zur Umsetzung und Überprüfung der Artenschutzziele auf der COP16 ist ein internationaler diplomatischer Erfolg. Doch in Luxemburg sprechen verpasste Fristen und die Schwächung des Naturschutzgesetzes eine andere Sprache.

Cop16-Präsidentin Susana Muhamad vollzieht den letzten Hammerschlag. „Diplomatie funktioniert“, so das Fazit langer Verhandlungen auf der Folgesitzung im Rahmen der COP16. (Foto: IISD/ENB | Mike Muzurakis)

Unter Beifall und mit Tränen in den Augen verabschiedeten die Delegierten der UN-Biodiversitätskonvention nach drei Tagen Verhandlungen den Beschluss eines Kontrollmechanismus sowie eines Plans zur Finanzierung der weltweiten Artenschutzziele. Vor vier Monaten nahm die COP16 in Cali, Kolumbien, wegen Beschlussunfähigkeit noch ein abruptes Ende (woxx 1811) – nun konnte auf der am 27. Februar begonnenen Folgesitzung in Rom ein Kompromiss gefunden werden.

Ein Grund zum Aufatmen, folgen die Entschlüsse der COP „in kleinem Kreis“ (es nahmen rund 1000 Delegierte an den Verhandlungen teil, verglichen mit 14.000 in Cali) den doch enttäuschenden Ergebnissen der Konferenzen über das Klima, die Desertifikation und das Plastik an. Verhandlungen zu Letzteren kamen im November und Dezember zu keinem großen Durchbruch, die Kluft zwischen Ländern aus dem „globalen Norden“ und dem „globalen Süden“ weitete sich sogar (woxx 1814 und woxx 1815). Auch die Sitzung des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) zu dessen kommenden Aufgaben, die vergangene Woche in China abgehalten wurde, gestaltete sich „schwierig“ und blieb, was den Zeitplan für die neuen IPCC-Berichte angeht, erfolglos.

Zudem verpasste Anfang dieses Jahres die Mehrheit der Staaten die Frist vom 10. Februar, um neue CO2-Reduktionsziele (sogenannte NDCs) vorzulegen. Zu den 179 Parteien, die keine neuen Ziele eingereicht haben, zählt auch die EU. Auf Nachfrage der woxx zu dieser Verspätung wies das hiesige Umweltministerium darauf hin, dass die Besprechungen noch laufen würden, ein voraussichtlicher Zeitpunkt könne nicht genannt werden.

Dabei wäre schnelles Handeln angebracht: Während die Temperatur im globalen Mittel vergangenes Jahr die Schwelle von 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Durchschnitt überschritt, ist die Wildtierpopulation in den letzten 50 Jahren weltweit um 73 Prozent gesunken, so der jüngste Bericht „Living Planet“ der Umweltschutz-NGO WWF. In Luxemburg ist die Lage ähnlich erschreckend: Rund 80 Prozent aller geschützten Arten befinden sich in einem schlechten oder ungünstigem Zustand und die Qualität der Böden liegt unter dem EU Durchschnitt. Dabei hat sich das Großherzogtum mit dem im Januar 2023 veröffentlichten nationalen Naturschutzplan dazu verpflichtet, 30 Prozent aller Landflächen bis 2030 unter Schutz zu stellen. 2022 hatten sich auf der COP15 alle Vertragsstaaten zu diesem als „30×30“ bezeichnetem Ziel bekannt. Dazu sollten Biodiversitätsaktionspläne erstellt und bei der COP16 in Kolumbien vorgestellt werden. Doch ähnlich wie bei den Klimaplänen hatten vor Beginn der Folgesitzung Ende Februar lediglich 44 Länder und die EU ihre Pläne eingereicht.

Historischer Fahrplan

In Rom war der Druck deshalb umso höher. Es galt, sich auf eine finanzielle Strategie sowie einem Kontrollmechanismus zu einigen, um die vor drei Jahren beschlossenen Ziele zum Aufhalten des Rückgangs der Artenvielfalt zu verwirklichen. So verabschiedeten die Staaten eine Reihe bestimmter Indikatoren, um ihre jeweiligen Fortschritte zu bewerten. Dabei handelt es sich um einen historischen Moment: Es ist das erste Mal, dass sich Staaten auf einen solchen Entschluss einigen. Der angenommene Text zum „Mechanismus für die Planung, Überwachung, Berichterstattung und Überprüfung“ („PMRR“) legt einen konkreten Zeitplan fest. Die erste Überprüfung der Fortschritte steht nächstes Jahr auf der Biodiversitäts-COP17 in Armenien an.

Die Zerstörung natürlicher Ökosysteme und der Rückfall der Arten haben tiefgreifende Auswirkungen auf menschliche Lebensgrundlagen. Gesunde Lebensräume – intakte Böden und deren Artenvielfalt etwa – bilden die Basis für die Regulation von Wasser, Nahrung und andere wichtige Rohstoffe. (Foto: Pexels Molnár Tamás)

Auch beim heiklen Thema der Finanzierung gab es bedeutsame, wenn auch kleine, Fortschritte. Nach drei Jahrzehnten Verhandlungen, verabschiedeten die Staaten einen permanenten Mechanismus zur Finanzierung des Schutzes und der Wiederherstellung der Artenvielfalt. Bisherige Abkommen sicherten lediglich einen Geldfluss bis 2030. Die Mobilisierung der Mittel solle aus „allen Quellen“ kommen, so der Entschluss. Mindestens 185 Milliarden Euro sollen ab 2030 jährlich in den Artenschutz investiert werden, davon 18 Milliarden von Industriestaaten schon ab diesem Jahr. Einigen Ländern des Globalen Südens zufolge sollten umweltschädliche Subventionen in Milliardenhöhe eingestellt werden, um zusätzliche Beiträge freizusetzen: „Es sind nicht die Mittel, die uns fehlen, sondern eine rationale Prioritätensetzung“, so die Argumentation.

Bei umstrittenen Fragen, vor allem der langjährigen Forderung vonseiten afrikanischen und lateinamerikanischen Ländern für einen neuen Fond – eine Forderung, die Luxemburg und andere reiche Staaten ablehnen – kam es jedoch zu keinem Durchbruch. Die Delegation einigte sich lediglich darauf, die bestehende globale Umweltfazilität GEF zu reformieren. Ob dies jedoch in Form eines neuen Fonds geschehen wird, blieb offen – die Diskussionen wurden auf die COP18 in drei Jahren vertagt. Länder des globalen Südens kritisieren seit Jahren, dass es schwer ist, an die Gelder zu kommen. Auch ihr mangelndes Mitspracherecht bei der GEF, die für die Verwaltung des Geldes zuständig ist und von Industriestaaten kontrolliert wird, ist Teil ihrer Kritik.

Freiwillige Rechenschaftspflicht

Die Entschlüsse der Folge-COP in Rom wurden als wichtiges Signal und Sieg des Multilateralismus gefeiert: „Wir haben dem 2022 unterzeichneten Abkommen von Montreal Arme, Beine und Muskeln gegeben“, sagte die COP16-Präsidentin Susana Muhamad am Ende der Sitzung. Zum ersten Mal ist „ein globaler Plan, um den Erhalt des Lebens auf der Erde zu finanzieren“, verabschiedet worden, so die scheidende Umweltministerin Kolumbiens. Auch in Luxemburg fühle sich die Regierung nach der ergebnisreichen Konferenz „ermutigt“, sagte Umweltminister Serge Wilmes (CSV) in einer öffentlichen Sitzung der Abgeordnetenkammer am 4. März.

Zynischere Stimmen warnen jedoch: Die Arbeit ist noch lange nicht getan. In der Geschichte der UN-Abkommen haben Staaten noch nie ein einziges Biodiversitätsziel zu dem abgemachten Zeitpunkt erreicht. Beispielsweise haben Industriestaaten die für dieses Jahr versprochene Summe von 18 Milliarden Euro noch nicht ganz eingezahlt (woxx 1811). Bis 2030 liegt die Verpflichtung vonseiten dieser Länder auf jährlichen 27,8 Milliarden Euro. Auch der „Cali Fonds“, der schon letztes Jahr beschlossen wurde und in den Unternehmen wie Pharmafirmen, die von der Artenvielfalt profitieren, einzahlen sollen, ist bislang leergeblieben. Das Ziel, bis 2030 fast einen Drittel des Planeten unter Schutz zu stellen, ist noch nicht geschafft: Nur rund die Hälfte aller Landesflächen und sieben Prozent der Meeresflächen, die dafür nötig wären, sind bislang unter Schutz gestellt worden.

Hierzulande schlägt die Regierung – die in Rom mit einem technischen, nicht politischen, Delegierten vertreten war – trotz netter Worte eine andere Richtung ein: Einerseits ist da die von NGOs kritisierte Reform des Naturschutzgesetzes (u.a. woxx 1812 und „Salamitaktik“ in dieser Nummer), andererseits schlägt Umweltminister Wilmes keine weiteren Schritte zum Biodiversitäts- und Klimaschutz vor. Auf die Fragen der Abgeordneten Paul Galles (CSV) und Luc Emering (DP) zu Luxemburgs internationalem Engagement – ob Luxemburg etwa ehrgeizigere Schritte anstrebe – kam von Wilmes während der öffentlichen Sitzung am 4. März keine klare Antwort. Auch der aktuelle desaströse Zustand der Natur im Großherzogtum und die erforderlichen nationalen Anstrengungen, um Ziele wie das „30×30“ zu erreichen, blieben unerwähnt. Die Zeit wird jedoch knapp: Um die Deadline der Biodiversitätskonferenzen zu erreichen und jahrzehntelange Naturzerstörung zu stoppen und rückgängig zu machen, bleiben lediglich fünf Jahre.

Der auf der Biodiversitäts-COP15 beschlossene Rahmen und die darin festgelegten Ziele sind im Gegensatz zum bekannteren in Paris unterschriebenen Abkommen für das Klima, nur freiwillig – sowohl für Firmen als auch für Regierungen. Ob Staaten einzahlen und ihre Beiträge erhöhen, hängt demnach vom politischen Willen der Länder ab. Und davon, wie ernst Politiker*innen den Artenschutz und eine verantwortungsvolle Verwaltung unserer Lebensräume nehmen.


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