In ihrem Gutachten zur vorge- schlagenen Verfassungsreform übt die Menschenrechtskommission heftige Kritik. Ein Dorn im Auge ist ihr nicht nur der Inhalt, sondern auch die Prozedur.
Als „leere Hülle“ bezeichnet die konsultative Menschenrechtskommission (CCDH) das Kapitel zu den Menschenrechten in der geplanten Verfassungsreform. Das entsprechende Gutachten stellte sie am vergangenen Dienstag der Presse vor. „Alors qu’il s’agissait d’une occasion unique pour proposer un texte novateur, embrassant avec courage et esprit d’ouverture le défi d’une protection accrue des droits humains, le constituant s’est limité à un exercice d’énonciation et de catégorisation des droits“, lautet das vernichtende Fazit.
Einer der Hauptkritikpunkte gilt der Unterscheidung zwischen Luxemburger*innen und Nicht-Luxemburger*innen: „Cette séparation est incompatible avec la jurisprudence de la Cour constitutionnelle luxembourgeoise, ainsi qu’avec les traités internationaux qui prévoient l’égalité de toute personne, sans distinction de nationalité“.
Nicht hinnehmbar, so die CCDH weiter, sei die Beschränkung auf eine binäre Geschlechterordnung: Nicht-binäre Personen werden im vorliegenden Text mit keinem Wort erwähnt. Ebenso wenig die LGBTIQA+ Gemeinschaft. Würde er so belassen, wie er jetzt ist, könnte der entsprechende Artikel die Diskriminierung bestimmter Bevölkerungsgruppen begünstigen.
Unzureichender Schutz
Eine weitere fundamentale Kritik der CCDH betrifft die Meinungs- und Religionsfreiheit. So werde nicht ausreichend unterschieden zwischen „eine Meinung haben“ und „eine Meinung äußern“. Während Ersteres nicht beschränkt werden könne, sei die Sachlage bei Letzterem eine andere. Im Einklang mit rezenten Entwicklungen sei es zudem wichtig, das Konzept der Pressefreiheit möglichst umfassend zu definieren: Medienpluralismus und Informationszugang gehörten dazu ebenso wie Quellen- und Whistleblower-Schutz.
In puncto Asylrecht, so die CCDH, sei der aktuelle Text nicht präzise genug: Gehe es dabei darum, ein bestehendes Recht in der Verfassung festzuschreiben, oder vielmehr darum, ein zusätzliches Mittel zum Erlangen internationalen Schutzes zu schaffen? Letzteres ist etwa in der französischen Verfassung vorgesehen.
Ein letzter großer Kritikpunkt betrifft prekäre Gesellschaftsschichten. Es sei wichtig, das universelle Recht auf Gesundheitsversorgung zu garantieren. Werde der Gesundheitsschutz nur für Arbeitnehmer*innen vorgesehen, riskiere man, arbeitslose Menschen in eine noch prekärere Situation zu bringen. Nicht hinnehmbar ist es in den Augen der CCDH zudem, den Kampf gegen Armut unerwähnt zu lassen. In Bezug auf Menschen mit Behinderung sei unterlassen worden, deren Recht auf Autonomie, soziale und professionelle Inklusion und eine würdige Wohnsituation festzuhalten.
Ganz allgemein beanstandet die CCDH auch die Vorgehensweise der Regierung. Die Kommission geht in ihrer Kritik aber noch weiter: „La CCDH déplore également le fait que le constituant semble vouloir finaliser coûte que coûte un projet qui dure depuis bien longtemps, au détriment de discussions de fond nécessaires pour la garantie des droits humains, composante basique du pacte du vivre ensemble“. Es sei verpasst worden, das gesamte Erneuerungspotenzial auszuschöpfen. Stattdessen beschränke man sich auf die Modifizierung weniger Textpassagen. Der Schutz, den die luxemburgische Verfassung garantiere, liege somit insgesamt an mehreren Stellen unter dem Schutzniveau internationaler Abkommen.