Eine Protestaktion, die mit einem Teilerfolg endete: „Hop hop hop, CETA stopp“, skandierte man Dienstag früh vor dem Konferenzzentrum; gegen elf Uhr vertagte der Ministerrat die Entscheidung über das Handelsabkommen.
Die Plakate waren neu, doch die Handzettelchen der Demo vom 8. Oktober fanden bei manchen eine zweite Verwendung. Auch bei der Protestaktion am heutigen Dienstag vor dem Europäischen Konferenzzentrum auf Kirchberg wurde die Hymne aus „Les Misérables“ angestimmt: „Do you hear the people sing, sing the song of angry men?“ Etwa 80 AktivistInnen warteten kurz nach acht Uhr das Eintreffen der Politiker zum Handelsministerrat ab. Rote Luftballons und ein gelbes Riesenplakat, von Greenpeace-Kletterern angebracht, sorgten für Buntheit am grauen Herbstmorgen. Die Botschaft an die Minister: Hört auf die Zivilgesellschaft und stoppt CETA!
Ganz Europa dafür und dagegen
„Das Abkommen stärkt die Macht der multinationalen Konzerne auf unsere Kosten und die der Umwelt“, stellte ein Vertreter von Friends of the Earth in seiner Ansprache klar. Die Behauptung, CETA sei der beste Deal, den die EU je abgeschlossen habe, entspreche nicht der Wahrheit. Besser als solche liberale Handelsabkommen sei für Europa, weiterhin selber die eigenen Regeln festzulegen. Die Politker wollten nicht hören. „Dabei sind Hunderttausende gegen das Abkommen auf die Straße gegangen, und der Widerstand von Wallonien repräsentiert ganz Europa“, so der Campaigner weiter.
Ganz Europa? Jean Asselborn hatte das Gegenteil verkündet: „Keine einzige Regierung hat ein Problem mit CETA“ – nur die belgische Regionalregierung sträube sich. Wie so oft sollte man die Worte des Luxemburger Außenministers nicht auf die Goldwaage legen. Mehrere Regierungen – darunter die luxemburgische – hatten, wie Wallonien, Änderungswünsche angemeldet, über die in den vergangenen Tagen verhandelt wurde.
Doch auch die CETA-Gegner liegen falsch: Im besten Fall ist die westliche Hälfte Europas mehrheitlich gegen das Abkommen – im Osten dagegen werden Exportorientierung und Kostenwettbewerb aus gutem Grund als der beste Weg zu mehr Wohlstand angesehen. Kein Wunder, dass sich der slowakische Handelsminister Peter Žiga über den Widerstand gegen CETA wundert. „Handelspolitik war doch das Hauptthema bei der Gründung der EU“, so der Sozialdemokrat vor dem Ministerrat.
Breites Bündnis gegen CETA
Die „roten Karten für CETA“ im A4-Format, die bei der Protestaktion zum Einsatz kamen, gab es denn auch nicht auf Slowakisch, sondern nur auf Englisch, Deutsch, Französisch und – etwas überraschend – Luxemburgisch. Gesungen und skandiert wurde zumeist auf Englisch – aber auch Französisch und Luxemburgisch kamen zum Zug. Eine bunte Mischung stellten auch die Fahnen und Spruchbänder dar: Besonders sichtbar waren Gewerkschaften wie OGBL und Aleba, sowie NGOs wie Greenpeace, Friends of the Earth und Attac. Der Vertreter der deutschen Campaigning-NGO Campact freute sich über das „breite Bündnis“, das man gegen CETA geschmiedet hatte.
Die Campact-Spruchbänder zeigten interessanterweise den Mann, der das Zeug hat, eine Art neuer „Jean Valjean“ – der Held aus „Les Misérables“ – zu werden: Paul Magnette. Der Präsident der Region Wallonie hat bisher mit seinem Veto die Annahme von CETA verhindert. Und passt nicht schlecht zu dem Bündnis, zu dessen Hoffnungsträger er geworden ist: Magnette ist ein linker Sozialdemokrat, der sich in der Vergangenheit für eine Verbindung von ökologischen und sozialen Zielsetzungen stark gemacht hat.
Am heutigen Dienstag hat er seine Fans nicht enttäuscht: Um 11:07 tweetete – vermutlich als erstes Medium – das Tageblatt: „Keine Einigung bei Ministertreffen in #Luxemburg #EU-Gipfel soll es jetzt richten“. Die Einigung für CETA war am Widerstand Walloniens gescheitert. Nun wird weiterverhandelt, damit die Staats- und Regierungschefs beim Gipfel am kommenden Wochenende dem Abkommen ihren Segen geben können.
Ob das klappt, ist unklar. Der Europaabgeordnete der österreichischen Grünen, Michael Reimon – seine Partei ist in der Opposition und er selbst klar gegen CETA – tweetete: „Das ist ein entscheidender Schritt, jetzt steht es wieder 50:50“. Und bei der Prostestveranstaltung war angekündigt worden, man werde so oder so den Widerstand fortsetzen. Also unbedingt das Handzettelchen mit dem Protestsong aufbewahren – und zuhause für die nächste Demo fleißig üben.
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