Wahlumfrage: Politisches Kaffeesatzlesen

Die neusten Umfrageergebnisse sind wenig aussagekräftig, enthalten aber eine wichtige Aussage über die luxemburgische Demokratie.

Foto: Tom Fisk/Pexels

Öffentliche Wahlumfragen sind in erster Linie gute Instrumente für Medien, um Schlagzeilen zu generieren. Der Termin, zu dem Luxemburger Wort und RTL die neuste Version des „Politmonitors“ veröffentlicht haben, ist vermutlich auch kein Zufall: Nicht nur ist die Regierung ungefähr ein Jahr im Amt, auch ist die Weihnachtszeit traditionell politisch eher ruhig. Immerhin wurde dieses Mal eine richtige Sonntagsfrage gestellt, statt wie so oft nur Sympathie- und Kompetenzwerte abzufragen. Auch das Panaschieren wurde diesmal berücksichtigt, was die Ergebnisse zuverlässiger machen soll.

Ein Blick auf die Daten, die bei der Regulierungsbehörde Alia hinterlegt wurden, verrät jedoch, dass die Ergebnisse der Umfrage mit Vorsicht zu genießen sind: Zwar wurden insgesamt genug Menschen gefragt, um repräsentativ zu sein, in den einzelnen Wahlbezirken jedoch nicht. Außerdem stimmt die Verteilung nicht: Während 2018 ganze 40 Prozent der Wähler*innen im Wahlbezirk Süden lebten, stammten lediglich 33 Prozent der Befragten aus diesem Bezirk. Auch der Bezirk Zentrum ist unterrepräsentiert, während proportional mehr Menschen aus den Bezirken Norden und Osten um ihre Meinung gefragt wurden.

Die immer noch gängige Praxis des Panaschierens wurde auch nur insofern berücksichtigt, als dass es möglich war, zwei Parteien anzugeben, denen man Stimmen geben würde. Die Komplexität des stark personenzentrierten Wahlsystems lässt sich in einer Umfrage nun einmal schwer abbilden – vor allem, da die Teilnehmer*innen nur mutmaßen können, wer denn überhaupt zur Wahl stünde. Auch wenn all diese Ungleichmäßigkeiten in der Auswertung berücksichtigt wurden, stehen die Ergebnisse auf wackeligen Füßen und sollten nicht überinterpretiert werden.

Der Trend, den sie verraten, ist eigentlich die logische Fortsetzung der Wahlergebnisse von 2018: Die ADR ist im Aufwind, die CSV schafft es nicht, liberale Wähler*innen zu überzeugen, und die Regierungskoalition stagniert, mit einer guten Tendenz für Déi Gréng. Piratepartei und Déi Lénk scheinen ein sehr begrenztes Wähler*innenpotenzial zu haben, das sie bisher nicht ausbauen konnten. Für die krisengeplagte Regierungskoalition und besonders die Grünen ist das eigentlich ein gutes Signal: Die Klimakrise ist als politisches Thema angekommen und der Partei wird zugetraut, sie anzupacken. Da scheinen weder Affären rund um Gartenhäuschen noch krankheitsbedingte Personalrochaden zu stören.

Die einzige mögliche Zweierkoalition wäre eine Koalition der Verlierer*innen.

Da der Erhebungszeitraum vom 14. bis 23. November ging, lassen sich an den Ergebnissen weder Reaktionen auf das Klimagesetz und die Ankündigung einer CO2-Steuer ablesen. Auch die innerparteilichen Konflikte um ein weiteres rassistisches Facebook-Posting in einer langen Reihe solcher Wortmeldungen bei der ADR, sind nicht in die Umfrage eingeflossen. Möglicherweise sähen die Ergebnisse heute schon wieder ganz anders aus. Da in Luxemburg solche Umfragen nur selten und immer nur von dem gleichen Institut durchgeführt werden, ist es ohnehin schwer, einen Vergleichswert heranzuziehen. Sicher ist nur: In Umfragen sah es für die Koalition auch schon sehr viel schlechter und für die CSV sehr viel besser aus. Ein Todesurteil für die aktuelle Regierung sind die Ergebnisse mitnichten.

Das Resultat der vorliegenden Umfrage ist jedoch in einem Punkt sehr spannend: Es zeigt eine Art „hung parliament“ in Luxemburg, denn sowohl Opposition als auch Regierungsparteien kämen auf jeweils 30 Sitze. Die einzige mögliche Zweierkoalition – zwischen CSV und DP – wäre eine Koalition der Verlierer*innen, denn in dem Szenario hätten beide Parteien noch einen Sitz im Parlament verloren. Das wäre demokratiepolitisch doch eher eine unangenehme Art und Weise, eine neue Koalition einzuläuten. Insofern zeigt die Umfrage, wie notwendig es ist, das luxemburgische Wahlsystem gründlich zu überarbeiten und demokratischer zu gestalten. Vielleicht würden die Wahlumfragen dann auch verlässlicher.


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