Die zweite Staffel von „Heartstopper“ enttäuscht leider. Die Macher*innen scheinen so sehr darauf bedacht, ein Positivbeispiel für eine queere Jugend zu schaffen, dass sie dabei die Seriendramaturgie vernachlässigen.
Es gibt wahrscheinlich wenige Serien, auf die das Adjektiv „herzerwärmend“ so sehr zutrifft wie auf „Heartstopper“. Selbst im Subgenre der Teenie-Serie sucht die Graphic-Novel-Verfilmung ihresgleichen. Auf die Anfang August auf Netflix erschienene zweite Staffel trifft das sogar noch stärker zu als auf die erste. Charlie (Joe Locke) und Nick (Kit Connor) sind mittlerweile ein glückliches Paar und auch für ihre Freund*innen scheinen traumatische Erfahrungen der Vergangenheit anzugehören.
In der zweiten Staffel werden Coming-out und Homofeindlichkeit zwar immer noch punktuell thematisiert, der Fokus liegt jedoch auf Erfahrungen, die auch heterosexuelle Jugendliche haben können: Das reicht von der Wahl des ersten Dates bis hin zur Schwierigkeit, sich bei so vielen Schmetterlingen im Bauch noch aufs Lernen zu konzentrieren.
Didaktik ohne Dramaturgie
In „Heartstopper“ dürfen queere Jugendliche ihre Schulzeit recht unbeschwert genießen. Das hat zwar etwas Wohltuendes, jedoch vermisst man die queerspezifischen Handlungsstränge. In der ersten Staffel war das Verhältnis zwischen queerer und regulärer Teenie-Serie noch weitaus ausgeglichener.
Immer wieder mutet „Heartstopper“ wie eine Anleitung fürs Teenager-Sein an. Anhand beispielhafter Szenen wird gezeigt, wie man Grenzen setzt, heikle Themen anspricht oder Unterstützung für diskriminierte Gleichaltrige zeigen kann. „How to address your boyfriend’s eating disorder?“, „How to tell your partner that you’re not ready to have sex“ könnten die jeweiligen Sequenzen etwa betitelt sein. Das war zum Teil auch schon in der ersten Staffel so, die didaktischen Elemente waren jedoch organischer in die Gesamthandlung und Charakterentwicklung der Figuren eingebettet.
In der zweiten Staffel rücken neben Charlie und Nick zwar auch die Nebenfiguren stärker in den Mittelpunkt, sie stellen allerdings eher spezifische Typen als reale Menschen dar. Die Macher*innen schienen diesmal so sehr darauf konzentriert, LGBTIQA+-Jugendlichen eine positive Erzählung über Queerness und Coming-out zu vermitteln, dass sie dabei ganz vergaßen, wie man eine gute Serie schreibt.
Ironischerweise rücken die queeren Elemente dadurch nicht stärker in den Vordergrund: Die Handlungsstränge sind stattdessen weniger komplex und die Figuren weniger nuanciert. Nick etwa wird fast gänzlich auf seine Rolle als „understanding boyfriend“ reduziert.
Das soll nicht heißen, dass von den neuen Folgen von „Heartstopper“ abzuraten ist – als leichte Kost für zwischendurch eignet sich die Serie nach wie vor hervorragend. Fans der ersten Staffel laufen jedoch Gefahr nicht gänzlich auf ihre Kosten zu kommen.