The Last of Us: Weit mehr als eine Zombie-Serie

In „The Last of Us“ ist die Apokalypse so schön und queer wie selten zuvor. Statt Action steht das Innenleben der Figuren im Fokus.

Neben Infizierten lauern in der Welt von „The Last of Us“ noch viele weitere Gefahren. (Copyright: HBO/Warner Media)

Wofür lohnt es sich zu leben in einer Welt, in der keine unserer aktuellen Anhaltspunkte mehr existieren? In der von einem Tag auf den anderen Hobbies, Beförderungen und warmes Duschen abstrakte Konzepte ohne Alltagsrelevanz sind? In der die Vorstellung, zu einem Mitmenschen mehr als eine Zweckbeziehung aufzubauen, absurd wirkt?

So zumindest lässt sich die Weltsicht von Joel (Pedro Pascal), dem Protagonisten der HBO-Serie „The Last of Us“, beschreiben. Seit er vor 20 Jahren seine einzige Tochter verloren hat, lässt er emotional nichts mehr an sich heran. Seine Tage sind von Lethargie geprägt, abends trinkt er sich in den Schlaf. Für seine Partnerin in crime, Tess (Anna Torv), interessiert er sich nur insofern, als sich die beiden das Überleben ein wenig leichter machen.

Trostloses Dasein

Schwer nachzuvollziehen ist das nicht. Die Welt, in der Joel lebt, gibt in der Tat wenig Anlass zur Hoffnung: Nachdem im September 2003 eine Pandemie ausbrach, ist die Weltbevölkerung stark geschrumpft. Die wenigen, die 2023, also zum Zeitpunkt der Serienhandlung, noch leben, fristen ein trostloses Dasein.

Nicht etwa ein Virus hat in „The Last of Us“ den Großteil der Menschheit ausgerottet, sondern eine parasitäre Pilzart. Befällt sie einen Menschen, wächst sie in dessen Körper heran, bis sie diesen gänzlich kontrolliert. Völlig aus der Luft gegriffen ist das Szenario nicht: Pilze wie etwa der Ophiocordyceps unilateralis können Ameisen befallen und deren Verhalten beeinflussen, bis der Wirt dem sich ausbreitenden Pilz nach etwa drei Wochen unterliegt und stirbt.

„The Last of Us“ geht von der Hypothese aus, dass dieser Parasit sich durch den Klimawandel an wärmere Temperaturen gewöhnt hat und dadurch auch im Menschen überleben kann. Wer in der Serie von einem Pilz befallen wird, verliert nach nur wenigen Stunden sein menschliches Bewusstsein. Eines natürlichen Todes können die Infizierten nicht mehr sterben: Sie werden zu einer Art Zombie mit dem einzigen Ziel, Pilzsporen an andere Menschen weiterzugeben. Mit einer Serie wie „The Walking Dead“ hat diese Story allerdings wenig zu tun. Statt Action und Jump Scares stellt die Serie das Innenleben der Figuren in den Vordergrund.

Sowohl das 2013 erschienene Videospiel „The Last of Us“ als auch die Serie setzen an dem Tag an, an dem die Fungus-Pandemie anfing, sich in den USA auszubreiten, und Joel und sein Bruder Tommy (Gabriel Luna) sich nur mit Mühe und Not retten konnten, während die Welt, wie wir sie kennen, innerhalb eines einzigen Wochenendes unterging.

Die eigentliche Handlung spielt jedoch 20 Jahre später: Der 56-jährige Joel lebt in einer Quarantänezone nahe Boston, die USA sind mittlerweile ein autoritärer Militärstaat. Offiziell erledigt Joel Wartungsarbeiten, sichert sich jedoch zusätzlich durch Deals mit Schmuggler*innen oder der Rebellengruppe Fireflys ab. Letztere machen ihm und Tess in der ersten Folge ein vielversprechendes Angebot: Das Paar soll die 14-jährige Ellie (Bella Ramsey) bei der Flucht aus der Quarantänezone helfen, im Gegenzug erhalten sie Munition und einen Lastwagen. Gleichzeitig will Joel die Mission nutzen, um herauszufinden, ob sein in Wyoming lebender Bruder noch am Leben ist.

Unheimlich schön

Einerseits lässt sich „The Last of Us“ ganz eindeutig dem Post-Apokalypse-Genre zuordnen. Die Figuren bewegen sich durch verwüstete Städte und Dörfer sowie durch zum Teil von der Natur zurückeroberte Ruinen. Den Macher*innen war es offensichtlich wichtig, dass sich die jeweiligen Schauplätze so realistisch anfühlen wie nur möglich. Wo die Figuren auch hinkommen, sehen sie Autowracks, leergeräumte Supermärkte, eingefallene Brücken, millimeterhohe Staubschichten auf heruntergekommenen Möbeln. Der Anblick, der sich den Zuschauer*innen dabei präsentiert, ist unheimlich und desolat, manchmal aber auch schön, oder zumindest faszinierend. Selbst die Infizierten sind nicht einfach nur abstoßend: Oftmals wachsen die farbenreichen Pilze auf wundersame Weise aus ihrem Körper heraus, in seltenen Fällen sind Körper und Pilz sogar gänzlich ineinander übergegangen.

Doch egal mit welchen Erwartungen man beginnt, die Serie zu schauen, sie werden ohne Zweifel widerlegt werden. In den ersten beiden Folgen wird immer wieder die visuelle Ästhetik von Videospielen aufgegriffen, doch auch hier wird schon klar, dass es den Macher*innen um weit mehr geht: Sie gehen weit über das bloße Nacherzählen des – für das Medium ungewöhnlich narrativen – Spiels hinaus, um die Figuren und ihre Beziehungen zueinander auszuschmücken. So erfahren wir zum Beispiel nicht nur, wie Joels verstorbene Tochter tickte, sondern auch was die Dynamik zwischen ihr und ihrem alleinerziehenden Vater ausmachte.

In keiner Folge wird das Ziel der Showrunner – neben Neil Druckman, dem Autor des Spiels, gehört dazu auch Craig Mazin, der Showrunner der HBO-Serie „Chernobyl“ – so deutlich wie in der dritten. Zwar folgt die Handlung auch hier dem Verlauf des Spiels, drei Viertel der Folge sind jedoch Figuren gewidmet, die darin nur am Rande auftauchen beziehungsweise erwähnt werden. Der Handlungsstrang über das homosexuelle Paar Bill (Nick Offerman) und Frank (Murray Bartlett) ist aber mehr als nur ein unterhaltsamer Umweg: Vielmehr bringt er auf kreative Weise die Geschichte der Protagonist*innen voran und vermittelt zugleich einen Einblick in Joels Innenleben. Was für die einen ein narratives Meisterwerk darstellt, wurde von manchen Fans des Videospiels scharf kritisiert: Die queere Storyline empfanden sie als forciert, es hagelte Ein-Sterne-Bewertungen.

Der Fokus auf das Zwischenmenschliche – vor allem auf Familie, egal ob biologisch oder nicht – befördert „The Last of Us“ in eine Reihe meditativer Post-Apokalypse-Erzählungen in der Tradition von „The Leftovers“ und „Station Eleven“. Die Handlung von „The Last of Us“ mag simpler sein, an Ambition und emotionaler Wirkung steht sie den eben genannten Serien jedoch in nichts nach. Nur schade, dass sie das konservative Ideal des männlichen Beschützers nicht stärker hinterfragt.

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