KUNST-WETTBEWERB: Luxembourg found the Super-Artist

Ein Talentwettbewerb lockt junge Kreative, die sich an zwölf Tagen beweisen und deren FinalistInnen sich vor der Kamera entblößen. Am Ende gibt es eine Gewinnerin und eine Kollektivausstellung, doch das Fernsehen fordert seinen Tribut. 

Das Konzept klingt nicht schlecht: ein Nachwuchswettbewerb für junge künstlerische Talente, bei dem neben dem Gewinner auch noch die zwei anderen Finalisten belohnt werden: alle drei dürfen nach dem Wettbewerb in einem Raum des CarréRotondes ihre Arbeiten ausstellen. Bereits zum zweiten Mal hatten zwölf KünstlerInnen jede Woche Gelegenheit, ihr Talent bei der Lösung kleiner Aufgaben zu zeigen: von Urban Art über Naturelemente bis hin zur Transformation von Materialien. Zum Schluss wurden alle bewertet. Ein interessantes Konzept also, wäre da nicht die Inszenierung des Ganzen, bei der die jungen KünstlerInnen in ihre Wohnungen begleitet und später auf RTL medienwirksam präsentiert werden. Woran erinnert das? Richtig: Nach „Deutschland sucht den Super-Star“ oder „Germany’s Next Top Model“ haben wir hier nun offenbar ein „Luxemburg sucht (s)einen Super-Künstler“, und der Künstler wurde, wie nicht anders zu erwarten, nach aufwendigen Beweis-Runden auch gefunden. Fairerweise muss man sagen, dass der „Generate Art“-Wettbewerb den jungen Kunstschaffenden die Bedingungen bot, um sich künstlerisch zu entfalten, und dass die drei FinalistInnen mit ihrer „Carte Blanche“ eine anspruchsvolle Aufgabe zu bewältigen hatten. Weder Thema noch Ort noch Material waren ihnen vorgegeben, sodass ihre eigenen Ideen und ihre Kreativität gefragt waren. Daneben forderte RTL allerdings von ihnen, vor der Kamera einen aufgeweckten Eindruck zu machen und möglichst schön zu sein. Am Ende stehen nun also drei zugleich charismatische und kreative GewinnerInnen.

Die drei Auserwählten Kamil Iwaszczyszyn, Temy Debanck und Jill Bettendorff wurden dann im großen Finale von RTL auch noch nach Hause begleitet und mussten – ganz nach der Logik von „Big Brother“ und ähnlichen Trash-Fernsehformaten – ihre Wohnung und ihren Arbeitsplatz zeigen. Am Abend des 10. Januar, an dem die Entscheidung fiel und der mit „déi grouss Finale“ betitelt ist, rannten zwei RTL-Moderatorinnen aufgeregt herum, hielten den KünstlerInnen das Mikro unter die Nase und stellten Fragen wie „Bist du bereit für das große Finale?“ oder „Wie fühlst du dich? „

Die aufgeweckte Temy Debanck hat in Brüssel und Straßburg Kunst studiert. „Experimentieren wird bei ihr groß geschrieben“ erfährt man in der RTL-Reportage. Sie hat sich bereits in der Differdinger Kreativfabrik 1535° ausgetobt, an der Ausstellung „Solides Fragiles“ im Mudam mitgewirkt und eine 360°-Installation in den Rotunden entworfen. Ihre Idee: mittels Kunst den menschlichen Körper zu analysieren. Ihre wie aus zerfließendem Honig wirkenden Organe kann man zurzeit in der Kunstgalerie des Carré Rotondes bestaunen. Doch ihr Werk ist vielseitig. Malen gehört dazu genauso wie das Basteln mit Drähten, deren Bewegungen sie abfilmt und zu Video-Clips verarbeitet. In der RTL-Reportage dackelt ein Mops hinter ihr her und klaut ihre Materialien, und später berichtet ihre Mutter: „Tamara hat schon immer die Herausforderung gesucht“.

Der in Polen geborene Kamil Iwaszczyszyn, der seit seinem fünften Lebensjahr in Luxemburg wohnt, hat ebenfalls früh zur Kunst gefunden, war Klassenbester am Lycée des Arts et Métiers, hat mehrere Praktika bei Bildhauern absolviert und in Trier „Visuelle Kommunikation“ studiert. An der Kunstakademie in Gdansk hat er sich dann auf Illustrationen spezialisiert. Heute erstellt er digital Infografiken und Typografien für Werbeagenturen und Magazine. In der RTL-Reportage erfährt man, dass er stets erst in letzter Minute mit der Herstellung seiner Kunstwerke begonnen hat. Als die Moderatorin ihn vor dem Finale fragt, wie er sich fühlt, beteuert der eher introvertierte Künstler zerknirscht: „Ich werde wohl mehrere Nächte durchmachen müssen und dann wie ein Zombie auf der Expo rumlaufen“. Sein Beitrag für die Ausstellung im Carré Rotondes ist eine eindrucksvolle grafische Wandmalerei im Stil von Urban Art.

Jill Bettendorff, die ein Preisgeld von 5.000 Euro gewonnen hat, hat in Paris zur Fotografie gefunden, lebt aber in Berlin. Für Generate Art suchte sie nach Analog-Beispielen in der Fotografie und bearbeitete sie am Computer nach. Warum die Jury sich für sie entschieden hat, wird in der RTL-Reportage klar. Jill ist offenbar ein kosmopolitisches Multitalent. Sie ist charismatisch, strahlt in die Kamera und hat, bevor sie die Fotografie zu ihrem Beruf machte, bereits eine Tanzausbildung in Paris, Los Angeles und New York absolviert. Neben ihrer Arbeit als freie Fotografin ist sie Tänzerin in der Flying Steps Female Dance Company. Künstlerisch in mehreren Disziplinen tätig zu sein, erweitere den Horizont, schwärmt Bettendorff, die schon Ausstellungen im Künstlerhaus Bethanien in Berlin und im Konschthaus Engel in Luxemburg vorweisen kann sowie Fotografien in der Vogue Italien publiziert hat. Ihre Kunst verblasst jedoch neben ihr und hinterlässt, anders als ihr selbstbewusstes Auftreten, keinen besonderen Eindruck. So folgt „Generate Art“ ganz der Logik der vorherrschenden Medien-Gesetze: Am Ende gewinnt derjenige, der vor der Kamera am meisten zu bieten hat.

Die Kollektivausstellung der drei FinalistInnen ist bis zum 5. Februar im Carré Rotondes zu sehen.


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