Moodysson Lukas: Jalla! Jalla!

Der Stockholmer Filmstudent Josef Fares hat einen temporeichen Multi-Kulti-Film mit vielen originellen Slapsticks gedreht.

Sie stecken in der Scheiße: Schwedens coolste Grünflächenpfleger Roro (li.) und Måns aus „Jalla! Jalla!“.

„Jalla! Jalla!“ heißt auf arabisch „Los geht’s!“. Dabei liegt den beiden Kumpels Roro und Måns kaum etwas ferner als Hektik und Stress, die der Titel von Josef Fares` Komödie heraufbeschwört. Der junge Schwede libanesischer Abstammung (gespielt von Fares Fares) und der glatzköpfige Recke (Torkel Petersson) sind Bedienstete beim Grünflächenamt. Das heißt, sie kutschieren in einem kleinen Erdgasflitzer durch die städtischen Parks und sammeln Hundescheiße ein. Kein Traumjob, aber eben auch nichts, wofür man sich kaputt schuftet. Bei so viel Sonne und Freizeit könnte das Leben herrlich sein, wären da nicht Måns‘ plötzliche Erektionsprobleme. Weder ausgefallene Sexspiele noch Fetisch-Spielzeug können ihm und seiner Freundin Jenny helfen. Der kernige Måns bekommt einfach keinen mehr hoch.

Roro hat ein ähnlich kniffeliges Problem: Sein Vater und seine resolute Großmutter, die schon lange finden, dass der Sprössling endlich unter die Haube muss, haben in Yasmin (Laleh Pourkarim) eine Braut für ihn gefunden und üben jetzt mächtig Druck auf den Armen aus. Sie wissen nicht, dass Roro in der schnuckeligen Lisa schon längst seine Herzensdame gefunden hat. Ebenso wie Måns es nicht schafft, über seine Potenzprobleme mit einem Arzt zu reden, schweigt sich auch Roro gegenüber seiner Familie über seine Freundin aus – und gegenüber Lisa (Tuva Novotny) über die Verkupplungspläne seiner Familie. Um erst einmal Ruhe vor den drängenden Familienangehörigen zu haben, planen Roro und Yasmin zum Schein zu heiraten. Klar, dass das nicht lange gut gehen kann …

Intelligente gute Laune

Dass auch aus Schweden intelligente Gute-Laune-Filme kommen, denen es nicht an gesellschaftskritischen Beobachtungen fehlt, hat Lukas Moodysson ja schon mit „Raus aus Amål“ und „!Zusammen“ bewiesen. Bei „Jalla! Jalla!“ fungiert Moodysson erstmals als Produzent und überlässt dem aus dem Libanon stammenden Jungtalent Josef Fares die beiden Kreativpositionen Regie und Buch. Der schreibt über das, was er selbst gut kennt: die Schwierigkeit junger Männer, sich selbst zu finden – entgegen klassischer Vorstellungen von überpotenter Männlichkeit und entgegen traditioneller, patriarchalischer Auffassungen vom Zusammenleben von Mann und Frau.

Josef Fares gelingt es, die gesellschaftlichen Problemthemen männliche Versagensangst, Generationskonflikt und Integration von Einwanderern überaus lässig zu inszenieren. Das liegt vor allem an einer gewissen Respektlosigkeit und einem herrlich erfrischenden, frechen Humor. Die vielen Slapsticks, die Fares einstreut und die dem Film sein leidenschaftliches Tempo verleihen, sind zwar nicht unbedingt neu. Aber weil sie von hervorragenden DarstellerInnen so locker und leicht gespielt werden, ist das Publikum nie gelangweilt. Damit es dennoch den Ernst der Thematik nicht aus den Augen verliert, hat Fares immer wieder kleine, wirkungsvolle „Atempausen“ gesetzt, beispielsweise als Geheimniskrämer Roro bei seiner Liebe, Lisa, anruft und nur noch den wütenden Spruch auf dem Anrufbeantworter vorfindet: „… ihr könnt eine Nachricht hinterlassen. Außer Roro, von dem ich nie wieder etwas hören will.“

Nachwuchsregisseur Josef Fares hat für sein Erstlingswerk den ganzen Familienclan engagiert: Sein Bruder Fares spielt Roro, Papa Jan gibt in der Rolle des Patriarchen eine, im wahrsten Sinne des Wortes, gewichtige Figur ab. Sogar die Großmutter ist „echt“.

An seine erklärten Vorbilder, Jim Jarmusch und Kevin Smith, reicht Fares` Komödie allerdings nicht heran. Das liegt weniger an der etwas plump eingesetzten Sunshine-Musik und den teilweise verzerrt wirkenden Videobildern (sicheres Zeichen für das niedrige Budget), sondern vielmehr an dem dann doch zu unbeschwerten Umgang mit den Konflikten. Offensichtlich waren dem talentierten Studenten die Lacheffekte wichtiger als ein versteckter, feinsinniger Humor. Aber wer weiß, vielleicht kommt mit mehr Lebensreife auch mehr filmerische Dichte und Tiefgang. Dass Potenzial da ist, hat Fares mit „Jalla! Jalla!“ jedenfalls bewiesen.

Ines Kurschat


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