Ein aus Luxemburg ausgewiesener tunesischer
Asylbewerber wurde in seinem Heimatland gefoltert. Bislang schweigt der Justizminister zu dem Vorfall.
Paris, 30. Juli 2003, 12 Uhr: Die Mittagsausgabe der Tageszeitung „Le Monde“ berichtet auf Seite 1 über einen aus Frankreich ausgewiesenen tunesischen „sans papiers“, der kurz nach der Rückführung in sein Heimatland gefoltert wurde. 12.30 Uhr: Die „Le Monde“-Meldung wird von sämtlichen Radio- und Fernsehstationen übernommen. 14 Uhr: Der französische Außenminister zitiert den tunesischen Botschafter zu sich, um Aufklärung über die Behandlung von Frankreich ausgewiesener Tunesier zu bekommen. 15 Uhr: Der Innenminister bedauert die Vorkommnisse und erklärt bis auf weiteres keine Tunesier mehr an ihr Heimatland auszuweisen, bis eindeutig feststeht, dass ihnen keine Gefahr für Leib und Seele droht. Er weist Rücktrittsforderungen zurück, verspricht aber im Gegenzug eine Überprüfung bisheriger Ausweisungsverfahren in Länder, die im jährlichen Bericht von Amnesty International negativ auffallen.
Diese Geschichte könnte sich so oder so ähnlich in den meisten Metropolen Europas abspielen. Nur in Luxemburg scheinen Meldungen über Folter an ausgewiesenen Asylbewerbern derart normal zu sein, dass es nicht einmal zu einer Erklärung oder einem Dementi seitens des für Ausweisungen zuständigen Justizministers kommt.
Sicher „Le Quotidien“ ist nicht „Le Monde“ und unsere Radio- und Fernsehsender sind derzeit vor allem auf allabendlicher „Summertour“. Trotzdem gibt die (sehr verhaltene) Reaktion auf die Story, die am Mittwoch im „Quotidien“ zu lesen stand, zu denken. Als am 3. April 2003 Salmi Taoufik nur wenige Tage nach der Polizeirazzia in so genannten Islamistenkreisen mit samt seiner (nicht arabisch sprechenden) bosnischen Frau und seinen drei Kindern in sein Heimatland Tunesien ausgewiesen wurde, war die Rede von einem sehr gefährlichen Element, das kurz davor stand, Attentate zu verüben. Die damalige Aktion, deren endgültige Bilanz immer noch aussteht, war überschattet von einigen unglücklichen Verwechslungen und nahm sich eher aus als eine Art Stochern im Bienenkorb denn als eine gezielte Aktion gegen integristische Kreise.
Dass Taoufik ausgewiesen wurde, hatte vor allem mit seinem abgelehnten Asylantrag zu tun. Wäre er legal im Lande gewesen, hätten Luc Frieden und seine Leute sich seiner nicht so schnell entledigen können. Dass es so schnell zur Ausweisung kam, gab damals zu Spekulationen Anlass, denen zufolge dem Tunesier nichts nachgewiesen werden konnte. Wenn er wirklich gefährlich gewesen wäre, wie Frieden und anschließend auch Premier Juncker beteuerten, dann stellt sich auch heute noch die Frage, wieso ihm nicht hier der Prozess gemacht wurde. Nach dem 11. September 2001 hatten viele Staaten hoch und heilig versprochen, die volle Strenge des Gesetzes gegen mutmaßliche Terroristen zu applizieren und nicht mehr einfach nur Verdächtige herumzureichen.
Eigentlich tut es wenig zur Sache, ob Taoufik islamistische Tendenzen nachgewiesen werden können oder diese nur vorgeschoben wurden: Luxemburg hat sich in internationalen Abkommen dazu verpflichtet, keine abgelehnten Asylantragsteller in Länder zurückzuführen, wenn dadurch ihr Leben oder ihre körperliche Unversehrtheit in Gefahr gerät. Dass Tunesien nicht nur ein von Luxemburgern so gern besuchtes Ferienparadies, sondern auch ein von Menschenrechtsorganisationen stark kritisierter autoritärer Staat ist, dürfte unserer Regierung hinlänglich bekannt sein.
1999 hat die nicht besonders asylbegeisterte Schweiz, zum Beispiel, 60,5 Prozent aller tunesischer AntragstellerInnen anerkannt – gegenüber einem Gesamtdurchschnitt von 4,3 Prozent ein wahrer Rekord.
Im Falle Taoufik ist immer noch ein Einspruch beim hiesigen Verwaltungsgericht anhängig, wonach seine Abschiebung nicht rechtens sei. Angesichts der jetzt bekannt gewordenen Umstände seiner Haftbedingungen in Tunesien könnte es durchaus sein, dass das Gericht die Entscheidung des Justizministers annulliert. Ob Frieden sich wenigstens dann zu einer Stellungnahme hinreißen lässt?