EU-ASYLPOLITIK: Draußen vor den Toren

Der neue EU-Justizkommissar unterstützt die Idee von Auffanglagern für Flüchtlinge in Nordafrika. Damit ist klar: Auch die Kommission fährt nun den Kurs, das Recht auf Asyl in der EU faktisch abzuschaffen.

Rocco Buttiglione, neuer EU-Justizkommissar

Als die Cap Anamur 37 afrikanische Flüchtlinge im Mittelmeer aufgriff, fühlte sich der deutsche Innenminister Otto Schily dazu berufen, den Plan der Auffanglager in Nordafrika zu reaktivieren. Zusammen mit seinem italienischen Kollegen Giuseppe Pisanu legte er ein Konzept vor, das ein klares Ziel verfolgt: Die Mittelmeerküste soll als EU-Außengrenze abgedichtet werden.

Der Vorschlag des Ministerduos sieht vor, dass im Mittelmeer aufgegriffene Flüchtlinge künftig direkt nach Nordafrika zurückgebracht werden – in speziell eingerichtete Auffangzentren. In diesen Außenstellen der EU-Kommission überprüfen EU-Beamte dann ihre Schutzbedürftigkeit. Einen Antrag auf Asyl können sie dort nicht stellen. Aufgabe der EU-Behörde ist es lediglich zu verhindern, dass schutzbedürftige Flüchtlinge in ein Land zurückgebracht werden, in dem ihnen Verfolgung droht. „Prioritär“, so Schily und Pisanu, sollen die Schutzbedürftigen in einem Staat der Region aufgenommen werden. Lediglich im „Einzelfall“ käme die Aufnahme in einem Land der EU in Betracht.

Damit ist klar: Diesen Flüchtlingen wird faktisch das Recht auf Asyl verwehrt. Noch schlimmer: Eine gerichtliche Überprüfung der Entscheidung der EU-Behörde „muss es nicht zwangsläufig geben“, so der deutsche Innenminister, denn „wir sind außerhalb des Rechtsgebietes der EU“. Ein rechtsfreier Raum also, in dem auch die von den EU-Beamten angewandten Kriterien wohl kaum kontrollierbar sind. Für viele Flüchtlinge bot jedoch gerade der Rechtsweg die letzte Möglichkeit für eine Aufenthaltserlaubnis: Laut UNHCR werden derzeit in den EU-Staaten 30 bis 60 Prozent der Asylanträge nicht im ersten Prozess, sondern im Berufungsverfahren anerkannt.

„Eine gute Idee“, kommentierte am Montag der designierte EU-Justizkommissar Rocco Buttiglione den Plan der Auffanglager. Im Interview mit dem Deutschlandfunk versuchte der Italiener gar nicht erst, seine Vorurteile gegenüber Flüchtlingen zu verbergen. Die Auffanglager könnten, so Buttiglione, zugleich „die Funktion ausüben, jene zurückzuschrecken, die nicht kommen sollen, weil sie nicht die notwendigen Qualifikationen haben, weil sie bei uns Unruhe stiften wollen“. Künftig dürfen Hardliner wie Otto Schily also auf Schützenhilfe aus Brüssel hoffen. O-Ton des neuen EU-Kommissars: „Wir müssen streng sein.“ Es sei nicht wahr, „dass irgendjemand das Recht hat, zu uns zu kommen. Dieses Land gehört den Europäern“ und nur sie bestimmen, wer kommt und wer nicht.

Noch im Juni hatte Buttigliones Vorgänger Antonio Vittorino davor zurückgeschreckt, die Einrichtung von Auffanglagern explizit zu erwähnen. Im Kommissionspapier wird zwar die Notwendigkeit betont, „die Länder in den Herkunftsregionen, die oft Transitländer sind, bei der Umgestaltung in geeignete Erst-Asylstaaten zu unterstützen“. Es werde jedoch „noch lange dauern“, räumt das Papier ein, bis diese Länder solche Standards erfüllen und „wirksamen Schutz“ bieten können. Buttiglione scheint, noch bevor er im Amt ist, einen härteren Kurs einläuten zu wollen.

Den Auffanglagern in Nordafrika, die laut Schily nur als Test für weitere Einrichtungen ihrer Art fungieren sollen, steht also nicht mehr viel im Weg. Es sei denn, die Länder Nordafrikas stimmen dem Vorschlag nicht zu – sofern sie sich das überhaupt leisten können. Immerhin sind sie weiterhin auf Entwicklungshilfe und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der EU angewiesen. Bislang habe kein Ratsmitglied seinen Vorstoß kritisiert, betonte Schily diese Woche. Wie Luxemburgs Linie in diesem Punkt aussehen wird, ist noch nicht bekannt – Luc Friedens Unterstützung dürfte Schily sicher sein. Spannend bleibt, ob der jetzt für Asylfragen zuständige Außenminister Jean Asselborn sich anders verhält.


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