Noch steht ein gesamtpolitischer Grundkonsens hinsichtlich der Finanzierung der Gesundheitskosten aus.
„0,15 Prozent Erhöhung für die ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen“ – das klingt nach fast gar nichts, oder wie es der Fraktionschef der LSAP im RTL-Streitgespräch betitelte: „homöopathisch“. Doch sind dreimal 0,15 Prozentpunkte (denn die Bezuschussung seitens des Staates wächst ja mit) wirklich nicht viel? Tatsächlich wachsen die Beiträge für jeden der Beteiligten um mehr als fünf Prozent. Beispiel: Privat-Angestellte mussten bislang 2,65 Prozent ihres Bruttoeinkommens an die Krankenkassen abführen, ab nächstem Jahr werden es 2,8 Prozent sein. Bei einem Einkommen von 3.000 Euro monatlich sind das mit 84 Euro zwar nur etwa 4,50 Euro mehr im Monat, doch werden so insgesamt schätzungsweise 85 Millionen Euro (Arbeitgeberbetrag und Staatszuschuss inbegriffen) zusammengetragen. Der Rest des auf rund 100 Millionen geschätzten Defizits wird durch Einsparungen und höhere Eigenbeteiligung der Versicherten getragen.
Natürlich wird unsere Volkswirtschaft an dieser Entscheidung nicht zu Grunde gehen, auch wenn der Unternehmens-Verband UEL die Luxemburger Wettbewerbsfähigkeit bedroht sieht. Gepaart mit der jüngsten Index-Erhöhung und dem Plan, den Mindestlohn heraufzusetzen, sehen die UnternehmerInnen sich mit Mehrbelastungen konfrontiert, die den Beschlüssen der Tripartite, weitere Erhöhungen der Lohnnebenkosten zuzulassen, widersprächen. Dass es vor einiger Zeit eine erhebliche Senkung der Betriebsbesteuerung gegeben hat und es bei der Unfallversicherung zu Entlastungen kommt, erwähnt die UEL indes nicht.
Die Krankenkassenunion kann vieles leisten, die Indexproblematik – wenn es denn eine solche geben sollte – müssen andere Gremien diskutieren. Und die regelmäßige Anpassung der Mindestlöhne soll auch den NiedrigverdienerInnen erlauben, im expandierenden (und teurer werdenden) Luxemburger Kontext mitzuhalten. Auch das trägt zum sozialen Frieden bei, ein Merkmal unserer Volkswirtschaft, mit dem wir ja sonst so gerne in der ganzen Welt hausieren gehen.
Dennoch: Die Generalversammlung der Krankenkassen hat am Dienstag das Problem allenfalls aufgeschoben.
Zunächst braucht es einen Konsens, wie unser auf Solidarität aufgebautes System in Zukunft aussehen soll. Natürlich sind Einspaarungen möglich und nötig. Unsinnige Tarife, die eher eine Art Massenabfertigung favorisieren, als der Vergütung einer tatsächlich geleisteten Arbeit entsprechen, müssen durchforstet werden.
Eine teure Medizin ist nicht immer eine bessere Medizin. Die USA sind ein markantes Beispiel hierfür. Missbräuche können zwar nie ganz verhindert werden, doch kann ein gewisser Grad an Kontrollen und Vorschriften sicherlich zu Kostensenkungen führen, ohne dass die Gesundheitsversorgung insgesamt verschlechtert werden muss.
Aber es bleibt das strukturelle Problem, dass aufgrund gesellschaftlicher Entwicklungen die gesamtwirtschaftliche Rechnung immer höher wird: Allein das Phänomen der Überalterung verändert die Kostenstruktur in einem solchen Maße, dass der Finanzierungsbedarf mit Prozentschiebereien im bekannten Maße nicht mehr gewährleistet werden kann. Eine höhere Eigenbeteiligung kann zwar den einzelnen Patienten zu mehr Zurückhaltung motivieren, sie wird aber nie ein Mittel zur kompletten Finanzierung des strukturellen Defizits sein können. Es sei denn, wir verabschieden uns vom Modell der Solidarität zwischen Reichen und Armen, Kranken und Gesunden und öffnen definitiv den Weg zur Zweiklassenmedizin – wozu das führt, zeigt uns das amerikanische Modell ebenfalls.
Ein Ausweg ist nur zu finden, wenn es gelingt die direkte Verbindung zwischen Lohnkosten und Krankenkassenfinanzierung zu durchbrechen. Ob es das grüne Modell der Ökosteuern, eine stärkere Abschöpfung bei den Betriebsgewinnen oder ein Mischmodell sein wird, steht zur Diskussion. Die UEL wird es trotzdem nicht freuen, denn es bleiben als Finanzquellen vor allem jene Betriebe, die weniger auf den Faktor Arbeit setzen, als auf Maschinen oder Energie.