20 Jahre Sacem Luxembourg: „Das ist die größte Bestätigung für mich“

Die Sacem Luxembourg, die luxemburgische Verwertungsgesellschaft für Musikschaffende, wird 20: 
Im Interview mit der woxx wagt deren Generaldirektor Marc Nickts einen persönlichen Rückblick.

Er entschied sich für die Verteidigung des Urheberrechts statt für die hauptberufliche Musikkarriere: Marc Nickts, Generaldirektor der Sacem Luxembourg seit 2010. (Copyright: Dan Thuy)

woxx: Herr Nickts, 2005 lehnten Sie in der woxx eine hauptberufliche Karriere im Musikbusiness ab, seit 2010 sind Sie Generaldirektor der Sacem Luxembourg. Wie kam es zu dem Gesinnungswechsel?


Marc Nickts: Es ist spannend, dass Sie dieses Interview erwähnen, denn ich erinnere mich gut daran! Damals hatte ich andere Ambitionen, doch ich bin bei der Sacem Luxembourg eingestiegen, weil ich eine große Leidenschaft für die lokale Musikszene habe. Zunächst war ich im Bereich der Mitgliederbetreuung aktiv, also für den Kontakt zwischen den Musikerinnen und Musikern und der Sacem zuständig. Die Arbeit gefiel mir, weil sie eine Brücke zu den Kulturschaffenden schlägt, um Ihnen die komplexe Materie der Urheberrechte besser verständlich zu machen. Letzteres nehmen manche Menschen nicht auf Anhieb wahr: Sie beäugen das Konzept, Autorenrechte zu schützen, erst mal skeptisch, bis sie verstehen, dass das die fairste und ertragreichste Weise ist, ein gerechtes Entgelt für geschaffene Musik zu erhalten. Das ist immerhin die größte Challenge, wenn Sie sich für eine Karriere als Musikerin oder Musiker entscheiden: Wie komme ich über die Runden?

Sind die Musikschaffenden denn ausreichend über den Nutzen einer Verwertungsgesellschaft informiert?


Als die Sacem Luxembourg vor 20 Jahren ins Leben gerufen wurde, eher nicht. Ein Großteil der lokalen Szene nahm die Problematik nicht wahr, mit der Zeit hat sich das Bewusstsein dafür jedoch weiterentwickelt: Eine Mitgliedschaft zahlt sich aus. Inzwischen schreiben sich jährlich um die 200 Menschen bei der Sacem Luxembourg ein. Das hängt auch mit den vereinfachten Prozeduren zusammen – früher musste zur Registrierung noch ein Examen absolviert und eine Partitur eingereicht werden. Heute entscheiden sich unsere Mitglieder früh in ihrer Karriere für den Beitritt, was zu Gründungszeiten nicht der Fall war.

Woran lag das?


Viele haben den Nutzen einer Mitgliedschaft und das Interesse an ihren Werken unterschätzt. Das kommt immer noch vor, aber auch durch eine gute Zusammenarbeit mit Partnern wie dem Kultur | lx – Arts Council Luxembourg oder dem Rocklab der Rockhal können wir dem entgegenwirken. Der Ruf der Sacem hat sich in der Zivilgesellschaft allgemein zum Positiven verändert.

„Es gibt Milliarden Streams in Luxemburg – die Anzahl ist so hoch, dass für die einzelnen Urheber wenig von den Einnahmen übrig bleibt.“

Waren Sie als Musiker bei der Sacem registriert?


Nein, das durfte ich in meiner Rolle aber auch nicht. Seit 2011 setze ich mich vor allem beruflich für die Musikszene ein und bin weder Mitglied einer Band noch eines Ensembles.

Bleiben wir beim Jahr 2005: Damals kritisierten Sie eine Forderung der Sacem Luxembourg, wonach luxemburgische Radiosender zu 15 Prozent lokale Musik spielen sollten. Wie stehen Sie heute dazu?


Ich möchte die Kritik von 2005 kontextualisieren: Ich wurde damals zu meiner Death Metal Band Exinferis befragt. Unsere Musik hätte es trotz Quote nicht in die Rotation der Radiostationen geschafft. Das gilt heute genauso: Nicht jedes der über 2.000 Lieder, die jährlich bei der Sacem Luxembourg registriert werden, passt in ein Radioprogramm. Quoten sind immer mit einem gewissen Druck verbunden. Die Qualität der lokalen Musikszene war und ist so hoch, dass eine Quote prinzipiell überflüssig sein müsste. In den letzten Jahren tragen die nationalen Radiosender der Qualität der lokalen Musikproduktion in ihren Programmen Rechnung.

Was ist aus dem Pilotprojekt der Sacem Luxembourg aus dem Jahr 2012 geworden, eine nicht-kommerzielle Creative Common Lizenz einzuführen?


Das Angebot besteht fort, wird aber eher selten beansprucht.

Welches sind die Gründe für das ausbleibende Interesse?


Wer sich einmal für eine nicht kommerzielle Creative Common Lizenz entschieden hat, kann dies nicht widerrufen. Das heißt, wenn Sie drei Jahre nach der Registrierung unerwartet einen großen Erfolg mit einem Lied feiern, bringt Ihnen das keinen finanziellen Gewinn ein. Wir erhalten durch die Registrierung ein festes Mandat der Mitglieder, die Lizenzen können nicht beliebig durchgemischt werden. Wir verwalten immerhin Millionen von Werken!

War die Idee also umsonst?


Es gibt verschiedene Haltungen zu der Verwertung von Musik und die erwähnte Lizenz bleibt weiterhin eine Option. Diese ist für die meisten Musikerinnen und Musiker, die sich bei der Sacem Luxembourg registrieren, jedoch keine Priorität: Sie entscheiden sich für eine Mitgliedschaft, weil sie ihre Urheberrechte verteidigen und für die öffentliche Nutzung ihrer Musik bezahlt werden wollen.

Was für einen Einfluss haben der Aufschwung von Musikstreamingdiensten und sozialen Medien auf die Arbeit der Sacem Luxembourg?


Die Musikstreamingdienste sind über die Jahre hinweg gewachsen. Wir waren nie gegen das Konzept; wir haben uns den Bemühungen angeschlossen, Abkommen mit den Plattformen zu schließen. Die Musikstreamingdienste sind heute ein zentraler Ort zur Verbreitung des eigenen Repertoires. Wir haben die Herausforderungen in Bezug auf die Plattformen bereits vor Jahren in politische Diskussionen zur Copyright-Direktive oder zur „gestion collective“ eingebracht, um die korrekte Bezahlung der Autorinnen und Autoren zu garantieren. Es gibt Milliarden Streams in Luxemburg – die Anzahl ist so hoch, dass für die einzelnen Urheber wenig von den Einnahmen übrig bleibt. Die Abo-Preise für die Musikstreamingdienste sind nämlich kaum gestiegen, seit ich bei der Sacem Luxembourg arbeite. Und wenn, dann nur um ein paar Euro. Das steht im Widerspruch zum steigenden Angebot.

Was hat das zur Folge?


Je mehr Menschen ein Stück vom Kuchen abhaben wollen, desto weniger bleibt für den Einzelnen übrig. Die Rahmenbedingungen für die Streamingdienste wurden dieser Entwicklung nicht angepasst. Was sich jedoch geändert hat, sind die Voraussetzungen, unter denen wir mit den großen Plattformen zusammenarbeiten. Im April 2022 wurde in Luxemburg eine entsprechende EU-Direktive umgesetzt, die das Autorenrecht stärkt. Das ist ein Erfolg, denn es ist schwer, ohne die nötige rechtliche Grundlage mit solch großen Unternehmen zu verhandeln. Für diese steht die faire Bezahlung der Urheberinnen und Urheber selten im Vordergrund. Dasselbe gilt für soziale Medien.

„Nicht immer sind die politischen Positionen zu den Autorenrechten im Einklang mit unseren eigenen Vorstellungen, doch das ist Teil der Politik.“

Wie hilfreich sind internationale Netzwerke bei diesen Verhandlungen?


Die Sacem ist heute die leitende Verwertungsgesellschaft weltweit – wir unterhalten eine enge Partnerschaft mit ihr und vielen anderen internationalen Verwertungsgesellschaften, die die Interessen unserer Mitglieder in Verhandlungen mit großen Plattformen oder Dienstanbietern geltend machen können. Heute existieren die nötigen Gesetze und informatischen Kenntnisse sowie Verpflichtungen, um beispielsweise paneuropäische Lizenzen gemeinsam zu verwalten. Dieser Bereich war zu meiner Anfangszeit deutlich fragmentierter.

Gefährdet die Anwendung künstlicher Intelligenz das Urheberrecht in Zukunft?


Der Einsatz von künstlicher Intelligenz hat eine Vielzahl von Vor- und Nachteilen. Schwer zu sagen, was für Auswirkungen sie auf die Verwertung von Musik haben wird … Wir fordern auf jeden Fall, dass von KI generierte Werke auf Musikstreamingdiensten als solche gekennzeichnet werden.

Von den Herausforderungen zu den Höhepunkten: Was sind Ihre persönlichen Meilensteine in 20 Jahren Sacem Luxembourg?


Ich freue mich über die hohe Qualität unseres Repertoires und darüber, was ich im Laufe meiner Karriere alles an Musik entdecken konnte. Ich komme aus dem Punk und Metal, konnte aber durch den Austausch mit unterschiedlichen Künstlerinnen und Künstlern viel dazulernen. Andere Momente, die mir in Erinnerung geblieben sind, sind beispielsweise die Suche nach neuen Räumlichkeiten für die Sacem Luxembourg vor 10 Jahren, die vielen Projekte, die wir lanciert haben, internationale Dossiers, die wir zusammen mit der Sacem bearbeitet haben, die öffentlichen Diskussionen über einzelne Direktiven. Was mir auch viel bedeutet: das Vertrauen, das mir die Mitglieder seit Jahren entgegenbringen. Das ist die größte Bestätigung für mich, dass wir mit dem, was wir tun, richtig liegen.

Und aus politischer Sicht?


Wir haben ein gesundes Verhältnis zum Ministerium für Wirtschaft, zu dessen Zuständigkeitsbereich wir gehören. Wir können jederzeit angemessen und im Sinne der Autorinnen und Autoren auf aktuelle Entwicklungen reagieren. Natürlich ist der Stellenwert von Kulturschaffenden in einer Konsumgesellschaft heikel: In der Verwertungskette wird der Urheber oft vergessen. Wir sorgen dafür, dass dies nicht geschieht. Politisch gesehen ist es wichtig, ein Gleichgewicht zu finden. Nicht immer sind die politischen Positionen zu den Autorenrechten im Einklang mit unseren eigenen Vorstellungen, doch das ist Teil der Politik. Es gibt Dinge, die verbesserungswürdig sind, die angepackt werden müssen. Allgemein stoßen wir mit unseren Forderungen immer auf ein offenes Ohr, auch wenn am Ende nicht jede Entscheidung in unserem Sinne ausfällt.

„Die Sacem Luxembourg soll sich weiterhin ihrer Einzigartigkeit bewusst bleiben, getreu dem Motto: Think global, act local.“

Was wünschen Sie der Sacem 
Luxembourg für die nächsten 20 Jahre?


Dass der Stellenwert kleiner Musikrepertoires bei der Musikverwertung steigt. Die Vielfältigkeit der Musik muss erhalten bleiben! Für Menschen, die in den nächsten 20 Jahren hauptberuflich ins Musikgeschäft einsteigen möchten, wünsche ich mir die nötige Rückendeckung und Akzeptanz, genauso wie die notwendigen Gesetzestexte zum Fortbestehen der Urheberrechte. Die Sacem Luxembourg soll sich weiterhin ihrer Einzigartigkeit bewusst bleiben, getreu dem Motto: „Think global, act local.“

Die Société des auteurs, compositeurs et éditeurs de musique Luxembourg (Sacem Luxembourg) ist für die Wahrung der Rechte von Autor*innen und Komponist*innen auf der ganzen Welt zuständig. Die französischen Gesellschaften Sacem und Société pour lʼadministration du droit de reproduction mécanique des auteurs, compositeurs, éditeurs, réalisateurs et doubleurs sous-titreurs (SDRM) haben Verträge mit über 200 Autorengesellschaften weltweit – die Sacem Luxembourg vertritt die Rechte im Großherzogtum. Gegründet wurde die Sacem Luxembourg 2003 unter der Leitung von Bob Krieps und unter Mitwirkung der lokalen Musik-
szene. Besonders hervorzuheben sind hier Gast Waltzing, Olivier Toth und Alexander Müllenbach.


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