STRASSENBAU: Neue Straßen braucht das Land!

Verkehrsplanerisch wird in Luxemburg immer noch kurzfristig gedacht. Kein Wunder, dass sich in solchen Studien nahezu jeder Straßenbau lohnt. Denn als Lückenbüßer hat der ÖPNV immer das Nachsehen.

Ein Kommentar von Raymond Klein.

Als die Bautenministerin Erna Hennicot-Schoepges bei ihrem Neujahrsempfang ankündigte, die Verbreiterung der Arloner und der Düdelinger Autobahn sowie den Bau der Westtangente kurzfristig in Angriff nehmen zu wollen, sorgte das für Unmut. Théid Faber vom Mouvement Ecologique beklagte im Fernsehen, dass trotz einiger Projekte im Bereich des Öffentlichen Personen-Nahverkehrs (ÖPNV) keine klare Priorität zu dessen Gunsten gesetzt werde.

Gib es überhaupt Wege, die aus dem Teufelskreis „mehr Verkehr – mehr Straßen“ heraus führen? Die gar die jetzt geplanten Straßen schon überflüssig erscheinen lassen?

Große Hoffnungen setzen umweltbewegte BürgerInnen und PolitikerInnen auf die Erarbeitung eines integrierten Verkehrskonzeptes für Luxemburg. Statt mit Umgehungsstraßen, Fahrbahnverbreiterungen und Busspuren punktuell auf den entstandenen Verkehr zu reagieren, soll eine vorausschauende und landesweite Planung es ermöglichen, Transport- und Umweltpolitik in Einklang zu bringen. Doch was ist zu erwarten?

Das Gesamtkonzept wird längst überfällige Maßnahmen im Bereich ÖPNV wie die Verbesserung der Koordination von Bus und Bahn oder die Kundeninformation als große Errungenschaften verkaufen. Daneben wird es Rechtfertigungen liefern, das Straßennetz gezielt weiter auszubauen. Denn: Die Regierung strebt derzeit eine Erhöhung des Anteils des ÖPNV auf 30 Prozent an (gegenüber 70 Prozent Individualverkehr). Doch das bedeutet keineswegs weniger Autos, denn im 700.000er-Szenario steigt die Anzahl der BerufspendlerInnen noch schneller als die der EinwohnerInnen. Unterm Strich ergibt das mehr AutofahrerInnen.

Dann verpassen wir unser im Kyoto-Abkommen festgelegtes CO2-Reduktionsziel, könnte man einwenden. Transportminister Henri Grethen hat schon mehrmals durchblicken lassen, was er von diesem Reduktionsziel hält, nämlich gar nichts. Seine RegierungskollegInnen scheinen das Problem eher auf die lange Bank zu schieben: Wer weiß, ob wir 2012 noch im Amt sind? Denn neben dem verkehrspolitischen Schlamassel wird der CO2-Ausstoß im Transportsektor auch durch den Tanktourismus hochgetrieben. Doch für eine Angleichung der Benzinpreise fehlt die Courage, ja, selbst die von Premier Jean-Claude Juncker angekündigte Ökosteuer lässt auf sich warten.

Bei jeder neuen Straße wird künftig, EU-Impakt-Direktive sei Dank, auch die Null-Plus-Variante, also keine Straße und statt dessen ÖPNV, durchgerechnet. Dabei wird jedesmal das gleiche herauskommen wie seinerzeit in der Nordstraßen-Studie: Der ÖPNV wird den absehbaren Verkehrsfluss mittelfristig nicht auffangen können – es lohnt sich, die Straße zu bauen.

Und so wird, wenn die Westtangente aus allen Nähten platzt, die Westvariante der Nordstraße, am Bridel vorbei, gebaut werden, und daraufhin, um die Schleichwege Kirchberg-Walferdingen-Bridel zu entlasten, der Ring um die Stadt Luxemburg geschlossen werden.

Wenn es darum geht, die Lücken zu stopfen, hat der ÖPNV immer das Nachsehen. Das schlechte Image lässt sich nicht von heute auf morgen aufpolieren, die Gewohnheiten nicht so schnell verändern. Der Umstieg der BürgerInnen auf das Auto hat Jahrzehnte gedauert, der umgekehrte Weg braucht auch seine Zeit. Neue Mobilitätsformen wie Carsharing oder Call-a-bus müssen erst angeboten werden, bevor sie angenommen werden. Darüber hinaus ist die Siedlungsstruktur heutzutage auto-orientiert. Veränderungen, die in diesem Bereich vorgenommen werden, zeigen erst Jahrzehnte später ihre Wirkungen.

Mit anderen Worten: Langfristige Lösungen sind politisch unattraktiv. Verkehrsprobleme werden weiterhin kurzfristig gelöst werden. Wir brauchen also viele neue Straßen und Garagen und Parkplätze, eine hübsche Betonwüste. Und dazu noch einen neuen Flughafen – damit mensch möglichst schnell ganz ganz weit weg fliegen kann.


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