PRESSEFREIHEIT: Wir müssen draußen bleiben

Auch anderthalb Jahre nach Inkrafttreten des neuen Pressegesetzes wird in Justizkreisen das Prinzip des Quellenschutzes immer noch nicht verstanden.

Luxemburg als Operettenstaat – ein bekanntes Bild. Ein Beispiel: Zur Kontrolle staatlicher Instanzen gibt es das Instrument der Parlamentarischen Anfrage. In besonderen Fällen kann diese als dringlich eingestuft werden und sollte dann auch eine möglichst schnelle Reaktion seitens der Regierung hervorrufen. Nur wer entscheidet darüber, ob eine Frage wirklich dringlichen Charakter hat? Die Regierung, das heißt die Adressatin der Anfrage. Kein Wunder also, wenn die meisten der von den VerfasserInnen als dringlich eingestuften Fragen diese erste Etappe nicht meistern und zu „normalen“ Anfragen degradiert werden. Mit dem Resultat, dass sie so lange in der Schublade des betroffenen Ministers verharren, bis eine Affäre keine mehr ist.

Umso erstaunlicher war diese Woche die schnelle Reaktion von Justizminister Luc Frieden, als er von zwei Oppositionsabgeordneten wegen der Hausdurchsuchung in einer RTL-Tochterfirma befragt wurde: Noch am gleichen Tage wusste der Harvard-Absolvent zu erklären, dass es sich nicht um eine Verletzung des im Pressegesetz festgehaltenen Quellenschutzes handele. Man habe, so der Minister, nicht die Redaktionsräume eines Presseorgans untersucht.

Dabei sieht das Pressegesetz ausdrücklich vor, dass der Quellenschutz sich nicht auf die Redaktionen oder JournalistInnen beschränkt, sondern ebenfalls sämtliche Personen einschließt, die in einer direkten beruflichen Relation mit den recherchierenden JournalistInnen stehen und über diesen Weg Kenntnis von einer bestimmten Information erlangen. Vergleichbar mit der ärztlichen Schweigepflicht, die sich ja auch auf das Personal in Arztpraxen oder Krankenhäuser ausdehnt.

Hätte der Minister nur einen Tag mit seiner siebenzeiligen Antwort gewartet, er hätte sie gleich in den Reißwolf stecken können. In diesem Fall hätte er nämlich das von RTL in Auftrag gegebene Schnellgutachten nicht ignorieren können. Dieses stellt eindeutig klar: Die Hausdurchsuchung bei der RTL-Tochter BCE ist mit dem Pressegesetz aus dem Jahre 2004 unvereinbar.

Frieden hat das Arsenal wirkungsvoller Verteidigung gegen lästige Fragerinnen also erweitert. Statt Totschweigen hat er die Flucht nach vorn angetreten, noch ehe die Öffentlichkeit die genauen Umstände der Hausdurchsuchung bei der RTL-Tochter auch nur ansatzweise gekannt hat.

Aber es kommt noch besser: Der Generalstaatsanwalt, der die Durchsuchung zu verantworten hat, lässt sich vom Presserat einladen, um die genauen Ursachen dieser Aktion zu erläutern. Nicht die Presse, sondern eine bis dato unbekannte Person, die eine „fraude informatique“ begangen habe, sei visiert gewesen. Der Vorsitzende des Presserates weiß zu berichten, der Generalstaatsanwalt sei um gute Beziehungen zur Presse und deren Vertreter bemüht.

Um ähnliche Zwischenfälle in Zukunft zu vermeiden, will der Vorsitzende des Presserates den „Sachverhalt zusammen mit der Staatsanwaltschaft, den Betroffenen und allen interessierten Kreisen“ ergründen. Zwischenfall? Die Diskussionen um das Gesetz aus dem Jahre 2004 waren zwar langwierig, aber zumindest in Sachen Quellenschutz eindeutig. Die Ausnahmen, bei denen Hausdurchsuchungen trotz Quellenschutz durchgeführt werden dürfen, sind präzise aufgelistet. Das Ausfindigmachen eines Internethackers gehört eindeutig nicht dazu. Es liegt also kein „Zwischenfall“, sondern eine Rechtsverletzung vor.

Sollte der Generalsstaatsanwalt tatsächlich um gute Beziehungen zur Presse bemüht sein, bleibt nur eines: Das Unrecht eingestehen und klarmachen, dass er und die seinen die Lektion verstanden haben. Staatsanwälte, Untersuchungsbeamten und Polizisten haben in und um Redaktionen nichts verloren, es sei denn, sie hätten etwas zu verkünden. Zum Beispiel, wer denn nun hinter den Bombenattentaten in den 80er Jahren steckt.


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