Das Luxemburger Modell sei gerettet, heißt es von Gewerkschaftsseite. Die Zeche zahlen allerdings vor allem die unteren Einkommensgruppen.
Vor zwei Wochen standen noch nicht einmal die Sitzungstermine der Tripartite-Verhandlungen fest, nun wurde vor zwei Tagen nach einem fast 13-stündigen Verhandlungsmarathon im Einvernehmen aller beteiligten Parteien ein Maßnahmenpaket beschlossen. Dies soll in den nächsten Jahren „mehr Beschäftigung, mehr Kompetitivität, mehr Lebenschancen und mehr Solidarität“ ermöglichen, gepaart mit „weniger Inflation und konsolidierten Staatsfinanzen“ – dixit Juncker.
Einzelheiten des Paketes will der Premier erst bei seiner Rede im Parlament am 2. Mai bekannt geben, und tatsächlich scheint es noch einigen Deutungsspielraum zu geben. Es ist also zunächst einmal weniger das Resultat, denn die Methode, die aufhorchen lässt.
Der Vize-Premier zeigt sich begeistert: Es sei letztendlich der Zeitdruck, unter dem die Verhandlungen stattfanden, der dazu geführt habe, dass sich am Ende alle Beteiligten auf einen Maßnahmenkatalog hätten einigen können, ja, müssen – wie das bei europäischen Beschlussfassungen auch der Fall sei.
Ob die europäischen Entscheidungsfindung und die ihr zugrunde liegende Methode tatsächlich in den meisten Fällen zu guten Ergebnissen führt, sei einmal dahin gestellt. Doch schon jetzt deutet sich an, dass das Paket vor allem deshalb von den Verhandlungspartnern angenommen wurde, weil ein Mix entstanden ist, auf den ersten Blick niemanden als Verlierer und niemanden als Sieger aussehen lässt.
Da werden dann auch schon mal Äpfel mit Birnen aufgewogen. So wurde die jetzt festgehaltene Index-Manipulation mit einem auf später terminierten einheitlichen Arbeitnehmerstatus erkauft. Dass Letzteres, wie der Premier meint, ein Jahrhundertgesetz werden wird, wenn es denn kommt, mag richtig sein, doch hat es mit dem eigentlichen Ziel der Tripartite-Verhandlungen, der Konsolidierung der Staatsfinanzen, nichts zu tun.
Die als „Verzögerung“ getarnte Index-Manipulation und der „Kompromiss“ beim Renten-Ajustement sind allerdings echte Einschnitte in das Luxemburger Modell. Es waren gerade die Gewerkschaften, die immer wieder die Unantastbarkeit der automatischen Anpassung der Löhne und Renten an die Inflation betonten. Dass jetzt bis zum Jahr 2009 eine Index-Tranche unter den Tisch fällt, bedeutet einen Bruch mit diesem Prinzip.
Kombiniert mit der Desindexierung verschiedener Sozialleistungen im Familienbereich, werden somit all jene benachteiligt, deren Einkommensentwicklung allein auf diesen „Automatismen“ beruhte. Also vor allem die ArbeitnehmerInnen aus den Sektoren ohne Kollektivvertrag. Wohingegen sich die anderen über den Weg gezielter Lohnverhandlungen zumindest einen Teil des verloren gegangenen Inflationsausgleichs wieder hereinholen können.
Zwar wird ein sozialgerechterer Auszahlungsmodus für die Leistungen im Familienbereich in Aussicht gestellt, doch fragt sich, ob die Gewerkschaften hier nicht aus einer schlechten Verhandlungsposition heraus agieren müssen.
Und auch beim Index gilt: Ist das Tabu erst einmal gebrochen, ist es schwer, die alten Regeln ohne Gegenleistung wieder einzusetzen.
Dabei ist noch nicht einmal klar, wie viel Einsparungen eine „geklaute“ Indextranche denn nun wirklich bringt. Nicht verdientes Geld bedeutet nicht ausgegebenes Geld, aber auch weniger direkte und indirekte Steuern. Erstaunlich, dass nicht einmal der Finanzminister und Regierungschef hier eindeutige Zahlen auf den Tisch legen kann.