GESUNDHEIT: Deutliche Abfuhr

Das Thema Dekonventionierung scheint weitgehend von der politischen Tagesordnung gestrichen. Die Probleme der ÄrztInnen sind es hoffentlich nicht.

So rasch kann sich der Wind drehen, wird manch einer in den vergangenen zwei Wochen anlässlich des Streits über die Dekonventionierung der ÄrztInnen gedacht haben. Vor wenigen Tagen erst war Gesundheitsminister Carlo Wagner (DP) vor die Presse getreten und hatte selbstbewusst die Forderungen der Ärztevereinigung AMMD nach einer Aufhebung der obligatorischen Konventionierung für berechtigt und vorstellbar erklärt. Die „convention obligatoire“ erteilt ÄrztInnen, die sich in Luxemburg niederlassen, automatisch die Kassenzulassung und bindet sie somit an die von den Sozialpartnern vereinbarten Kassentarife. Mit dem Vorstoß des Liberalen schien die europaweit einmalige, luxemburgische Praxis der Konventionierung ernsthaft in Frage gestellt. Allerdings nur für kurze Zeit: Am vergangenen Dienstag erteilten die Abgeordneten im Rahmen einer Parlamentsdebatte ihrem voreiligen Minister eine deutliche Abfuhr. Sie erklärten parteiübergreifend, an der Konventionierungs-Praxis festhalten und lieber nach Lösungen im bestehenden System suchen zu wollen; eine Position, wie sie auch die Gewerkschaften vertreten.

Recht haben sie. Bislang ist zwar nicht erwiesen, dass die vollständige oder teilweise Aufhebung der verpflichtenden Kassenzulassung tatsächlich die medizinische Versorgung der Bevölkerung erheblich verschlechtern würde, doch auch Belege auf der Gegenseite fehlen.

Die Argumente, welche die Ärztevertreter bislang für die Dekonventionierung vorgetragen haben, sind jedenfalls schwach: Das relativ geringe Einkommen der AllgemeinmedizinerInnen, die vielen Überstunden, das Problem der Rekrutierung von ausreichendem Medizinernachwuchs – all das lässt sich auch innerhalb des bestehenden Systems über neue Tarifvereinbarungen lösen. Die Zeichen für höhere Tarife stehen günstig, denn dass sich insbesondere die Situation der Allgemeinmedizin in den vergangenen Jahren verschlechtert hat, sehen inzwischen wohl auch die meisten PolitikerInnen ein. Zwar fehlen weiterhin Zahlen über den aktuellen und künftigen Medizinerbedarf hierzulande. Doch die bereits erwähnten Einkommensdifferenzen, gravierende Personalengpässe bei den Nachtnotdiensten, zehn Abgänge von AllgemeinärztInnen gegenüber zwei Neuzugängen im vergangenen Jahr sowie vermehrte Arzt- und Klinikbesuche im Ausland sprechen eine deutliche Sprache und verheißen für die nahe Zukunft nichts Gutes. Insofern ist der Vorstoß der Ärzteschaft begrüßenswert, diese Misere mit Nachdruck zu thematisieren.

Die Dekonventionierung würde die Probleme jedoch nur teilweise lösen. Mit ihr könnten ÄrztInnen zwar die Preise ihrer Dienstleistungen freier gestalten, dies zu Lasten von PatientInnen. Doch nur ein Teil würde, das räumen auch AMMD-Mitglieder ein, sofort von dieser Freiheit profitieren können: Jüngere und unbekanntere ÄrztInnen müssten sich erst ein KundInnenstamm erarbeiten, der auch bereit wäre „dekonventionierte Preise“ zu zahlen. Die Vermutung liegt daher nahe, dass es sich bei den NutznießerInnen der Dekonventionierung in erster Linie um Fachärzte handelt. Jener Gruppe von Medizinern also, die ohnehin zu den Besserverdienenden zählt.

Wie wichtig dem AMMD sein Anliegen ist, und wie viel Unterstützung er von der Basis bekommt, werden die nächsten Wochen zeigen.

Die Politiker, aber auch die Gewerkschaften – wollen sie eine weitere Zuspitzung des Konfliktes wirklich verhindern -, täten jedenfalls gut daran, zügig ihren Ankündigungen, die Lage der (Allgemein-)MedizinerInnen zu verbessern, Taten folgen zu lassen


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